Verkehr: Zufällig ausgewählte Bürger bringen sich in die Tarifdiskussionen konstruktiv ein

Villingen-Schwenningen (bn). Von "bitte Tarifdschungel abschaffen" über "weniger Zonen mit einheitlichen Tarifen" bis hin zu "einfach, einfach, einfach" reichten die abschließenden Wünsche des Bürgerbeirates "Tarif" an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in drei Landkreisen. Das Landratsamt des Schwarzwald-Baar-Kreises war am Samstag Gastgeber für rund 60 zufällig aus den rund 500 000 Bürgern der Kreise Schwarzwald-Baar, Tuttlingen und Rottweil ausgewählten Bürgern sowie Interessensvertretern und Fachleuten. Aus dem Blickwinkel des Bürgers entwarfen die "Unternehmensberater" für einen Vormittag Eckpunkte für die anstehende Tarifreform bei Bussen und Ringzug im Rahmen einer Neugestaltung des Nahverkehrskonzeptes.

2021 soll der Tarif für die Reise durch drei Kreise einheitlich sein

Der Hausherr, Landrat Sven Hinterseh, nannte den August 2021 als Zeitziel für eine Tariffusion aller drei Landkreise. Damit soll die bereits fragmentarisch bestehende Zusammenarbeit intensiviert und der ÖPNV für die Bürger attraktiver werden. Derartige Zusammenschlüsse liegen in Zeiten der Klimakrise im Interesse des Landes, das dafür Zuschüsse gewähre, so Hinterseh. In zwei vorangegangenen Workshops hatten sich die Verkehrsausschüsse der Kreistage auf den Entwurf einer neuen und gemeinsamen Tarifstruktur geeinigt.

Aus derzeit 28 Zonen sollen acht große werden und der Tarif pro Zone und Einzelfahrt bei 2,10 bis 2,30 Euro liegen. Auch ein Kurzstreckentarif bis 2,5 Kilometer für 1,50 Euro wurde angedacht. Erst in einem zweiten Schritte ist die Einführung eines Distanztarifes geplant, der am Ende der Fahrt per App über das Smartphone abgerechnet wird. Die Mitwirkung der Bürger bescherte den Entscheidungsträgern, allen voran den Landräten Hinterseh, Wolf-Rüdiger Michel (Rottweil) und Stefan Bär (Tuttlingen), Überraschendes: Die Vertreter aus den Städten und Gemeinden – von Reichenberg am Gäuberg mit 450 bis VS mit 85 000 Einwohnern – brachten sich nicht nur konstruktiv ein, sie erwiesen sich auch als mutiger als gedacht. Die digitale Fahrkarte ist für die meisten sofort angesagt und vielen geht die Reduzierung der Zonen nicht weit genug.

Bürger fordern eine noch radikalere Vereinfachung

"Das vorgeschlagene System ist immer noch zu kompliziert", lautete eine Kritik. Gleich mehrere Teilnehmer empfahlen, sich das Tarifsystem in Freiburg zum Vorbild zu nehmen. Gewünscht wurden Rabatte für Gruppen und Klassen, Kinder, Studenten, Senioren, es wurden Jobtickets angeregt und gesonderte Tarife an den Wochenenden.

Gedanken machten sich die Teilnehmer auch darüber, wie die Akzeptanz des Nahverkehrs gesteigert werden könne. Die Vorschläge reichten von der Verbesserung der elektronischen Fahrplan- und Tarifauskunft und der Sauberkeit der Bahnhöfe über Testfahrten und Probeabos bis hin zu gezielten Informationen in Bürgerzentren und Seniorentreffs.

Gefahren wird kein Wunschkonzert, sondern was bezahlbar ist

Einig war man sich über ein gemeinsames Vorgehen, mehr Menschen in Busse und Bahnen zu bringen. "Jeder Tarifverbund ist besser als die bisherige Kleinstaaterei", sagte am Schluss Wolf-Rüdiger Michel. Sein Amtskollege aus Tuttlingen, Stefan Bär, gab in seinem Schlusswort jedoch zu bedenken, dass "wir nicht fahren können, was wir gerne würden, sondern was die Gemeinden bezahlen können". Am kommenden Samstag werden die Ergebnisse des Bürgerbeirats den Kreisräten vorgestellt.

Im zweiten Quartal des Jahres soll das neue Tarifsystem dann in einer Klausurtagung verabschiedet werden.