Jan Kizilhan erinnert sich noch gut an die erste Begegnung mit der heutigen Friedensnobelpreisträgerin, die er 2015, "völlig verstört" in einem Zelt im Irak vorfand. Foto: Järkel Foto: Schwarzwälder Bote

Auszeichnung: Der Traumatologe und Orientalist Jan Kizilhan freut sich mit der Friedensnobelpreisträgerin

Diesen Freitag wird der Islam-Experte und DHBW-Professor Jan Kizilhan, nie vergessen: Die Frau, die er als IS-Opfer aus dem Irak holte, wurde Friedensnobelpreisträgerin.

Schwarzwald-Baar-Kreis. Es ist ein bisschen wie die Geschichte von Aschenputtel, nur viel schlimmer: Nadia Murad, der am Freitag der Friedensnobelpreis 2018 verliehen worden ist, ist ein Opfer des IS-Terrors – versklavt, verkauft, vergewaltigt. Als Jan Ilhan Kizilhan, Leiter des Studiengangs Soziale Arbeit an der Dualen Hochschule in Villingen-Schwenningen und Triebfeder des Hilfsprojektes für Jesidinnen, die junge Frau 2015 im Irak zum ersten Mal traf, war sie "völlig verstört", tief traumatisiert. Er holte sie im Rahmen eines landesweiten Projekts nach Deutschland, war in der Folge zwar nicht ihr Therapeut, aber traf die junge Frau immer wieder bei der gemeinsamen Projektarbeit. Und sie beeindruckte ihn tief: "eine unglaublich starke Frau", sagte er am Freitag im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten, und er freut sich, dass zum ersten Mal überhaupt einer Jesidin der Friedensnobelpreis zuerkannt worden ist.

Ein historischer Freitag für Jan Kizilhan und seine Arbeit. Seine Arbeit für traumatisierte Menschen, Opfer des IS-Terrors, findet seit Jahren internationale Würdigung. Er kennt die Grauen des IS-Terrors wie kein anderer in der Region. Was ihm geschildert wird, geht über die Grenze des Erträglichen hinaus. Immer wieder gab er die Schilderungen in Gesprächen mit unserer Zeitung wider – von Kindern, die als Soldaten ihre Kameraden erschießen und begraben mussten, von ganzen Dörfern, deren Bewohner in einem kurzen überfallartigen Prozess förmlich hingerichtet wurden und von Frauen, die Opfer von Gruppenvergewaltigungen oder Kindern, die Opfer sexueller Gewalt wurden.

Das meiste behält er für sich. Nur oberflächlich und doch immer wieder zu Tränen rührend reißt der längst als internationaler Referent gefragte Professor bei seinen Vorträgen an, was so tief in die Seele der Opfer dringt, schmerzende Spuren und lebenslange Traumata hinterlässt. Doch zumindest einen Teil dessen zu hören, ist wichtig, um zu verstehen, worin Kizilhans Mission besteht. Schon seit mehr als 15 Jahren entwickelt der Psychologe Konzepte zur psychosomatischen Rehabilitation von Migranten. Er ist Soziologe und Orientalist, wird immer wieder als Gutachter bei Gerichtsprozessen hinzugezogen oder ist gefragt bei internationalen Organisationen. Ein ganz besonderes Projekt ist das Sonderprogramm der Landesregierung Baden-Württemberg zur Aufnahme von jesidischen Kriegsopfern – Nadia Murad war ein Teil dieses Programms.

Unter Kizilhans Regie wurden 2015 mehr als tausend jesidische Frauen und Kinder von Flüchtlingscamps im Nordirak nach Baden-Württemberg gebracht, eine Gruppe lebte im Schwarzwald. Dort sollten sie schwerste Traumata aufarbeiten. Im Irak gründete Kizilhan außerdem ein Institut für Psychotherapie und Psychotraumatologie. Mit hochrangigen Experten aus Deutschland, England und Schweden bildet er Psychotherapeuten aus, um den Menschen vor Ort zu helfen. Sein Wissen und seine Erfahrung sind längst weltweit gefragt. Und mit der 25-jährigen Nobelpreisträgerin wurde nun eine der Frauen, mit und für welche er arbeitete, selbst zu einer Botschafterin. "Sie ist eine Stimme für alle Frauen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind", sagt Kizilhan voller Anerkennung für die junge Frau, die ihre Geschichte auch in dem Buch "Ich bin Eure Stimme", das sie derzeit in den USA vorstellt, erzählt.