Zu "rechts" um vom Städtetag des Landes geehrt zu werden: Jürgen Schützinger. Foto: Archiv

Städtetag macht Verleihung des Verdienstabzeichens mit Lorbeerkranz wegen NPD-Aktivität rückgängig. Mit Kommentar

Villingen-Schwenningen - Er ist ein Urgestein der doppelstädtischen Kommunalpolitik – doch im politischen Gefüge ist er ein Baustein, mit dem sich das Oberzentrum eher ungern schmückt, denn Jürgen Schützinger ist auch ein Urgestein der "Rechten" in der Doppelstadt.

Seine Zugehörigkeit zu diesem Lager gipfelt nun jedoch in einem waschechten Eklat: Erst wurde Jürgen Schützinger das Verdienstabzeichen des Städtetags Baden-Württemberg in Gold mit Lorbeerkranz überreicht. Er wurde von Oberbürgermeister Jürgen Roth für Mittwoch zur Überreichung während der Gemeinderatssitzung eingeladen. Nun aber wurde er per Telefonanruf wieder ausgeladen, der Grund: Roth habe ihm mitzuteilen, "dass die für den morgigen Tag vorgesehene Verleihung des Verdienstabzeichens für 40-jährige verdienstvolle Gemeinderatstätigkeit nicht stattfinden könne, da der baden-württembergische Städtetag wegen meiner NPD-Aktivitäten die beschlossene Auszeichnung rückgängig gemacht habe", erläutert Schützinger in seinem Schreiben an die Redaktion.

Vom Städtetag Baden-Württemberg war auf Nachfrage zu dem Vorgang am Dienstagnachmittag eine Pressemitteilung veröffentlicht worden, hier stellt man klar: Von einer Rücknahme der Ehrung könne keine Rede sein, er habe schließlich noch nichts erhalten. Dennoch habe der Städtetag bei der Bewilligung der Ehrungsanträge "versehentlich" auch den von Stadtrat Jürgen Schützinger für 40-jähriges Wirken im Gemeinderat mit seinem Verdienstabzeichen in Gold mit Lorbeerblatt zunächst bewilligt.

"Der Städtetag bedauert dies und stellt gleichzeitig klar: Diese Ehrung wird nicht erfolgen."

Ratsarbeit muss "verdienstvoll" erfolgen

Für die Städtetagsehrung müsse eine langjährige Gemeinderatsarbeit erfolgt sein, dieses Kriterium erfülle Schützinger mit seinen 40 Jahren im Gremium. Allerdings müsse die Ratsarbeit auch "verdienstvoll" erfolgen – "das Kriterium ›verdienstvoll‹ erfüllt Stadtrat Jürgen Schützinger nicht", so die Beurteilung des Städtetags.

Grundsätzlich könne zwar nur die antragstellende Stadt beurteilen, ob Verhalten und Mitarbeit eines Ratsmitglieds während seiner ehrungsrelevanten Amtszeit eine Städtetagsehrung rechtfertige und habe die Stadtverwaltung Villingen-Schwenningen dies im Falle von Schützinger bejaht. Der Städtetag ziehe diese Bewertung auch nicht in Zweifel. Allerdings hätten Gemeinderatsmitglieder über ihren unmittelbaren Wirkungsbereich hinaus eine tragende Rolle für den demokratischen Rechtsstaat und damit Vorbildfunktion für die demokratische Gesellschaft.

"Gemeinderatsmitglieder müssen sich daher zum demokratischen Staats- und Gemeinwesen uneingeschränkt bekennen" - Schützinger jedoch war 19 Jahre Landesvorsitzender der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und übernahm nach seinem Ausscheiden aus diesem Amt die Funktion des Landespressesprechers der NPD, die er bis heute innehat. Er sei einer der bekanntesten Parteifunktionären und Repräsentanten der NPD in Baden-Württemberg, die vom Bundesverfassungsgericht im Zuge des NPD-Verbotsverfahrens kritisch beurteilt wurde. Die NPD wolle die bestehende Verfassungsordnung durch einen an der ethnisch definierten ›Volksgemeinschaft‹ ausgerichteten autoritären Nationalstaat ersetzen. Ihr politisches Konzept missachtet die Menschenwürde und ist mit dem Demokratieprinzip unvereinbar."

Schützinger "wirkt demnach langjährig an führender Stelle der NPD an der Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Deutschland und damit an der Abschaffung der vom Grundgesetz garantierten kommunalen Demokratie in Baden-Württemberg mit, auf der ein Gemeinderatsmandat in Baden-Württemberg fußt", so der Städtetag. "Dass dies nicht verdienstvoll und damit nicht ehrungswürdig im Sinne der Städtetagsehrungsordnung ist, bedarf keiner weiteren Begründung."

Ex-OB Kubon hatte Verdienstmedaille verweigert

Die aktuelle Rolle rückwärts hat aber bereits eine längere Vorgeschichte. So empörte sich beispielsweise die SPD-Landtagsfraktion bereits 2007 öffentlich darüber, dass bekennende Rechtsextremisten wie Schützinger durch den baden-württembergischen Städtetag geehrt worden sind – damals bekam Schützinger die Silberne Ehrennadel und das, obwohl er lange Zeit NPD-Funktionär war, bis er Landesvorsitzender und Bundessprecher der "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH) geworden war, und sowohl die NPD als auch die Deutsche Liga vom baden-württembergischen Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft worden sind und unter Beobachtung stehen. Die SPD forderte bereits damals, "diese Auszeichnung bekennender Rechtsextremisten umgehend rückgängig zu machen".

Alt-OB Rupert Kubon hatte Schützinger die Verdienstmedaille vor zehn Jahren tatsächlich verweigert – Schützinger versuchte vergeblich, dagegen beim Regierungspräsidium Freiburg vorzugehen. Zehn Jahre zuvor war – zwar unter lautem Protest – die Ehrung für 20-jährige Tätigkeit aus den Händen des damaligen OBs Manfred Matusza erfolgt.

Im aktuellen Fall schritt man offenbar bereits ein paar Etagen höher gegen die Ehrung ein: beim Städtetag selbst, obgleich der Vollzug der Ehrung, die Überreichung, während der Gemeinderatssitzung am Mittwoch gewesen wäre. Während der Gemeinderatssitzung, in deren Rahmen auch das kommunalpolitische Engagement von Kurt Weiß, Edgar Schurr, Joachim von Mirbach, Dietmar Wildi, Brigitte Eckert, Reinhold Kaiser und Anja Keller gewürdigt werden soll, rechnet Schützinger nun mit Protesten: "Auf die (...) Reaktionen aus dem Publikum oder des einen oder anderen Ratsmitgliedes (...) darf man gespannt sein", kündigt Schützinger jedenfalls an.

Kommentar: Konsequent

Von Cornelia Spitz

Es mag ein Eklat sein, dass der Städtetag zunächst versehentlich die Ehrung Jürgen Schützingers durchgewunken hat. Doch Fehler sind da, um korrigiert zu werden. Dass man sich nun besinnt und auf die Ehrung verzichtet, ist angesichts der Einstufung der NPD durch das Bundesverfassungsgerichts nur folgerichtig. Wo kämen wir hin, wenn eine solche Institution nach gründlicher Prüfung zu dem Schluss kommt, dass eine Partei und ihr Konzept mit dem Demokratieprinzip unvereinbar sind, aber dennoch solch hochrangige Würdigungen durch den Städtetag Baden-Württemberg an dessen Parteimitglieder verliehen werden? Auch wenn eine 40-jährige Gemeinderatstätigkeit ohne Zweifel Respekt verdient und längst nicht jede Äußerung Schützingers im Gemeinderat als rechtsextrem abgetan werden darf, ist unterm Strich klar: Auch ein Wolf im Schafspelz ist immer noch ein Wolf.