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Neunte Münsterglocke am Ende / Abtransport harte Nuss zu knacken

Sie scheppert und klingt wie ein Kochtopf: Das Aus für die neunte und größte Münsterglocke ist besiegelt. Ob sie noch repariert werden kann und, vor allem, wie sie den Turm verlassen soll, das ist noch eine ganz andere Frage.

Villingen-Schwenningen. Seit den Ostertagen ist die neunte Münsterglocke in Villingen verstummt. Die Hiobsbotschaft macht die Runde durch die Stadt. "Stell Dir mal vor, die größte Glocke im Münster ist kaputt", raunen sich Gottesdienstbesucher zu und spielen auf die Diagnose an: "Die hat einen Haar-Riss." Was beim Wartungstermin herauskommt, bestätigt im Frühling auch der alarmierte Glockeninspekteur der Erzdiözese Freiburg. Zur genauen Ursachenforschung reist Michael Plitzner aus Kempten im Allgäu an, vom Europäischen Kompetenzzentrum für Glocken ECC-ProBell. Der Glockensachverständige Michael Plitzner ist mittlerweile so gut wie fertig mit der Schadens-Bewertung und kommt zu dem Schluss, dass an eine Reparatur vor Ort nicht mehr zu denken ist. Dies sei geprüft worden, aber dazu "sind die Risse zu fortgeschritten". Die Folgen der Risse lassen sich leicht heraushören: Nicht nur in den Ohren des Allgäuer Experten hört sich die Glocke an wie ein "Blecheimer".

Für das gute Stück bedeutet dies: Die 5,4 Tonnen schwere Glocke muss vom Turm herunter gehievt werden. Nur wie, das ist noch die Frage. Zwei Möglichkeiten, zeigt Plitzner auf Anfrage des Schwarzwälder Bote auf, gebe es. Egal, welche der Möglichkeiten gewählt werden, "das wird ein großer Aufwand". Entweder die Glocke werde im Kircheninnern heruntergelassen und nach außen transportiert. Oder aber: Im betroffenen Kirchenturm müsse eine Öffnung geschaffen werden, groß genug, um die etwa zwei Meter breite Glocke hindurch zu hieven und sie mit Hilfe eines Krans abzutransportieren. Welche Option gewählt werde? Dabei habe auch die Denkmalschutzbehörde ein Wort mitzureden: Sie müsse abwägen, welcher Eingriff "schonender" sei.

Neuguss oder Reparatur?

Nächste Frage, die noch nicht beantwortet ist: Kann die Glocke in einer Fachfirma noch repariert oder muss sie neu gegossen werden, wobei der mehr als 60 Jahre alte gusseisernen Körper eingeschmolzen werde und sozusagen wiederaufbereitet werde. Eine Antwort darauf könnten die Experten der wenigen Fachfirmen geben, die es in Europa gibt: eine im bayrischen Nördlingen und eine weitere in den Niederlanden. "Das hängt nicht zuletzt von der Gesamt-Substanz der Glocke ab, ob eine Reparatur noch Sinn macht oder nicht", so Plitzner. Die Kirchengemeinde dürfte das Ergebnis dieser Analyse mit Spannung erwarten. Denn "die Kosten für eine Reparatur" betragen laut Experten einen Bruchteil dessen, was für einen Neuguss berechnet werden müsse.

Auf Dauer offen bleibe eine andere Frage: Warum muss die größte Münsterglocke nach gerade mal 60 Jahren zur Reparatur geschickt werden, während andere Exemplare teilweise aus dem elften Jahrhundert stammen und auch 1000 Jahre alt werden können? Zum einen, so Plitzner, können Materialfehler die Ursache sein, oder aber "die Läutebedingungen". In den 50er-Jahren, erläutert er, seien Kirchengemeinden immer mehr auf Läutemaschinen umgestiegen, teilweise seien diese aber falsch und zu grob eingestellt gewesen. Mit dem Resultat, dass der Läutewinkel zu hoch ausgefallen ist und der Klöppel mit zu viel Energie gegen das Glockeninnere geschlagen hat. Mittlerweile wisse man mehr über ideale Einstellungen von elektronischen Läutemechanismen. Was sich hier in Villingen unterm Turm abgespielt haben könnte, "das sind alles Spekulationen".

"Leicht mulmiges Gefühl"

Angesichts des Abschlussberichtes kommt in Münstermesner Andreas Thurner "schon ein leicht mulmiges Gefühl" auf. Verschiedene Parameter, so liest er den Bericht, seien nicht so "ideal" gewesen: "Das war eben ein unglückliches Zusammenspiel mehrerer Faktoren." Für die Reparatur werden weiterhin über die Kirchengemeinde Spenden gesammelt. "Einiges ist bereits zusammengekommen", weiß er, den genauen Betrag kann er nicht nennen.