»Wir müssen das Thema entmystifizieren«: Oberbürgermeister Rupert Kubon nimmt Stellung zu den Gefängnisplänen. Foto: Marc Eich

Rupert Kubon geht es um Entmystifizierung des Themas. Zunächst schriftliche Information der Bürger.

Villingen-Schwenningen - Der geplante Gefängnisbau auf Weigheimer und Tuninger Gemarkung erregt die Gemüter vieler Bürger, löst Ängste aus. Oberbürgermeister Rupert Kubon steht Rede und Antwort zum derzeitigen Sachstand und den Plänen.

»Weigheim 1250 Jahre ohne Gefängnis. Warum jetzt?« Solche Tafeln hatten Wölfe und Hansel bei ihrem Umzug dabei. Was antworten Sie den Narren?

Ein Gefängnis in einem Gemeinwesen ist eine völlig normale Sache. Und auch schon im Mittelalter gab es Strafvollzug, denken Sie an Schuldtürme oder die dunkle Arrestzelle im alten Villinger Rathaus. Natürlich haben sich die Formen im Laufe der Jahre verändert, aber auch für die geplante Justizvollzugsanstalt (JVA) gilt, es wird eine Einrichtung mit regionaler Funktion. Das Land sucht einen Standort für eine JVA für die Landgerichtsbezirke Rottweil, Konstanz und Waldshut-Tiengen, in der Straftäter heimatnah untergebracht werden können. Zudem soll sie verkehrstechnisch günstig liegen. Einen Austausch von Häftlingen aus anderen Gefängnissen soll es nur in Ausnahmefällen geben.

Sie waren zusammen mit Tuningens Bürgermeister Jürgen Roth bei Justizminister Rainer Stickelberger. Was ist der Stand der Dinge?

Ziel war es, mit dem Justizminister Details abzustimmen, vor allem, wie die Information, der Austausch und somit auch die Einbindung der Bevölkerung sichergestellt sein können. Termine für den Besuch einer vergleichbaren JVA wurden noch nicht festgelegt, weil ein solcher Besuch sehr kompliziert ist. Hinsichtlich der Standortfrage wird prioritär nur der Platz an der A 81 untersucht. Wenn er sich nicht eignet, werden andere untersucht, sie sind also nicht außen vor.

Sie haben zugesagt, die Bürger von Beginn an einzubeziehen. Doch der Informationsfluss sei eher ein Rinnsal, beklagen die Betroffenen. Weigheims Ortsvorsteherin Ursula Mosbacher ist sauer: Alles Wesentliche erfahre sie erst aus der Zeitung. Wie wollen Sie Abhilfe schaffen?

Wir informieren über alles, was wir auch wissen. Ich kam an jenem Mittwoch um 19 Uhr aus Stuttgart zurück. Am Donnerstagmorgen habe ich umgehend die Pressemitteilung an Frau Mosbacher gesandt, telefonisch habe ich sie leider nicht erreicht. Ich sehe deshalb in keiner Weise, dass Informationen zurückgehalten werden. Im Gegenteil: Mir ist die Information aller Beteiligten ganz wichtig, ebenso die enge Abstimmung mit Bürgermeister Roth.

Viele Bürger treiben Ängste um – Angst um ihre Sicherheit, Angst um den Wert ihrer Immobilie, Angst um das Image von Stadt und Region. Wie gedenken Sie diese Ängste zu entkräftigen?

Ängste sind durchaus nachvollziehbar und verständlich. Man muss sie ernst nehmen. Aber: Ein Gefängnis ist etwas Normales, es gehört zu einem Gemeinwesen wie andere Einrichtungen auch; das ist weder gut noch schlecht. Es ist auch nichts Neues, dass es ein Gefängnis in einer Stadt dieser Größenordnung gibt. In Freiburg etwa existiert eine Volzugsanstalt mitten in der Stadt, umgeben von Wohnbebauung und Einrichtungen der Universität. Was die Sicherheit betrifft, gibt es keine Erkenntnisse, dass sie sich im näheren oder weiteren Umfeld verändert. Gefängnisse schaffen laut Beobachtungen im Umfeld bestehender Justizvollzugsanstalten vielmehr sogar eher eine kriminalitätshemmende Atmosphäre – nicht zuletzt aufgrund der erhöhten Polizeipräsenz. Aus der JVA in Offenburg, die seit 2009 in Betrieb ist, und der JVA in Schwäbisch-Hall, die 1989 gebaut wurde, gab es noch keine Ausbrüche.

Es ist also nicht zu befürchten, dass das Gefängnis ein Gefährdungspotenzial enthält.

In die hier geplante Einrichtung kommt keine sozialtherapeutische Abteilung, in der besonders problematische Strafgefangene untergebracht sind, etwa schwerste Gewalt- oder Sexualtäter. Was die Sorge um die Immobilienwerte anbelangt: Bereits in früheren Verfahren wurde dieses Thema konkret im Umfeld einiger JVA in anderen Städten abgefragt. Weder in Offenburg noch in Wittlich, Rottenburg, Schwäbisch Hall oder Heimsheim gab es gemäß dieser Umfrage negative Einflüsse auf den Immobilienwert. Da rund 200 externe Mitarbeiter in der JVA beschäftigt werden, wird es eher einen positiven Effekt geben: Wohnraum muss geschaffen werden.

Was das Image anbetrifft, definieren sich weder Freiburg, Schwäbisch-Hall oder Offenburg mit dem Gefängnis. Davon gehe ich auch in VS aus. Trotzdem: Bürgerinformation tut not.

Was planen Sie?

Zunächst will ich schriftlich über die Fakten informieren. Dann können auf zwei Fahrten nach Offenburg insgesamt 200 Bürger und Gemeinderäte die dortige JVA besuchen; sie ist am ehesten mit der hier geplanten vergleichbar. Die Besucher sollen auch Kontakt mit den Bürgern haben, die das Vorhaben in Offenburg kritisch sahen. Wir werden hier nachhaltig auch von meiner Offenburger Kollegin OB Edith Schreiner unterstützt. Wie die Teilnehmer rekrutiert werden, ist noch nicht klar. Aus Tuningen, Trossingen und Schura werden auch Interessierte teilnehmen. Anschließend wird zu Bürgerversammlungen eingeladen.
 

Bei allen Terminen stehen Mitarbeiter des Justizministeriums für Fragen zur Verfügung. Im Übrigen: Das Gefängnis wird keine Einrichtung des offenen Vollzugs sein. Zur Frage der Freigänger: Dies sind zu einem Teil Häftlinge, die am Ende ihrer Haftzeit sind, auf die Eingliederung vorbereitet werden und daher für eine bestimmte Zeit – anfangs unter Begleitung – das Gefängnis verlassen. Zum anderen Teil sind es einzelne Häftlinge, die aufgrund bestimmter Indikationen in ihrem Arbeitsverhältnis bleiben, die Anstalt also zeitweilig verlassen und abends wieder ins Gefängnis zurückkehren. Diese Vergünstigungen werden nur eingeräumt, wenn sichergestellt ist, dass die Betreffenden dafür geeignet sind. Es gibt bislang keine negativen Erfahrungen mit dieser Gruppe. Und es ist auch nicht zu befürchten, dass sich entlassene Häftlinge vor Ort niederlassen. Sie gehen nach Verbüßung ihrer Strafe in aller Regel dorthin, wo sie hergekommen waren.

Zweifellos bringt ein Gefängnis für die Kommune einen finanziellen Vorteil. Wie hoch fallen die Zuwendungen des Landes aus und welche Rolle spielen sie bei der Entscheidung?

Die Gefangenen einer JVA werden den Einwohnern einer Kommune zugerechnet. Dadurch ergeben sich höhere Pro-Kopf-Zuweisungen, die sich derzeit auf zirka 1000 Euro jährlich in VS belaufen.

Trossingen und Schura sind wenig begeistert von dem Projekt. Wie wollen Sie die Nachbarn überzeugen?

Die Nachbarn werden weiterhin in den Informationsprozess eingebunden. Die Befürchtungen aus Trossingen, dass das Gefängnis Tag und Nacht hell beleuchtet ist, kann ich entkräften. Die Lampen werden nachts heruntergedimmt. Es ist auch keine zusätzliche Infrastruktur notwendig. Pro Tag wird mit 35 Fahrten Lieferverkehr gerechnet, dazu kommen die Gefangenentransporte und die An- und Abfahrten der Mitarbeiter und Besucher. Bevorzugtes Verkehrsmittel ist bei einer JVA der ÖPNV, der noch erweitert werden soll. Eine JVA führt nicht dazu, dass zusätzliche Infrastrukturmaßnahmen im Verkehrsbereich notwendig sind.

Was wird der nächste Schritt sein?

Demnächst werden konnkrete Termine vereinbart. Ferner wird, wie bereits berichtet, der Baugrund untersucht.

Gesetzt den Fall, es liefe alles glatt – wann könnte die JVA in Betrieb gehen?

Das braucht sicher noch eine ganze Reihe von Jahren. Wichtig ist, dass das Land nicht gegen unseren Willen plant, sondern die Planungshoheit bei uns liegt und bleibt. Dann wird die Anstalt geplant, das ist komplex, technologisch vergleichbar mit dem Klinikum. Momentan geht es vor allem um die Entmystifizierung des Themas. Eine JVA ist etwas ganz Normales und sollte deshalb auch normal abgehandelt werden.