Ältere Menschen in VS werden unter anderem zu Hause ­betreut. Symbol-Foto: © Alexander Raths – adobe.stock.com Foto: Schwarzwälder Bote

Pflegeversicherung: Michael Stöffelmaier und Susanne Kumpfert nehmen Stellung zum Jubiläum

Villingen-Schwenningen. Die Soziale Pflegeversicherung wird 25 Jahre alt. Das ist Anlass für eine Nachfrage bei Caritas und Diakonie, was diese Einrichtung ihnen angesichts steigender Pflegebedürftigkeit bedeutet.

"Die Diakonie Schwarzwald-Baar versorgt rund 1300 pflegebedürftige Menschen "mit steigendem Pflegebedarf" sagt Pflegewirtin Susanne Kumpfert, fachlicher Vorstand der Diakonie ambulant Schwarzwald-Baar. Die Diakonie erfahre seit Jahren eine kontinuierlich zunehmende Nachfrage nach ambulanten Pflege- und Betreuungsleistungen.

Laut Pflegestatistik werden 76 Prozent der Betroffenen im eigenen häuslichen Umfeld häufig von ihren Angehörigen gepflegt, denen, so fordert Kumpfert, "die notwendige fachliche und stärkende Unterstützung zukommen muss". Das bestätigt Michael Stöffelmaier, Geschäftsführer der Caritas Schwarzwald-Baar: "Die große Mehrzahl der Pflegebedürftigen wird auch heute noch im familiären Umfeld versorgt, allerdings mit abnehmender Tendenz".

Mit der Pflegeversicherung, so Michael Stöffelmaier, "wurde Verantwortung vom Familienverbund auf die Versicherung verlagert." Das habe auch Nachteile, indem Pflege nicht mehr selbstverständlich als Aufgabe der Familie angesehen werde.

Stöffelmaier hält die Pflegeversicherung für "eine große soziale Errungenschaft, die sicherstellt, dass Altwerden und damit einhergehende Pflegebedürftigkeit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe aller ist." Vor der Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 seien die Krankenkassen für pflegerische Leistungen aufgekommen, erklärt Kumpfert. "Rein pflegerische Leistungen wurden allerdings ausschließlich von den Kirchen als öffentliche Träger finanziert und von Krankenpflege-Fördervereinen bezuschusst."

Private Träger der ambulanten Pflegedienstleistung seien "aufgrund der neu entstandenen Gewinnmöglichkeiten" erst mit der Einführung der sozialen Pflegeversicherung auf den Markt gekommen

Mit der Neuausrichtung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs habe die Pflegeversicherung einen großen Schritt nach vorne gemacht, "indem viele Menschen mit Demenzerkrankung, aber noch wenig sonstigen gesundheitlichen Einschränkungen dadurch auch durch Leistungen der Pflegeversicherung abgedeckt werden", erklärt Michael Stöffelmaier.

Seiner Meinung nach muss das System Pflegeversicherung jetzt allerdings grundlegend überdacht werden: "Die Pflegeversicherung deckt längst nicht alle Kosten des Pflegebedarfs, sondern stellt gedeckelte Beträge zur Verfügung." Diese seien je nach Versorgungssituation unterschiedlich. So erhielten Pflegebedürftige in der ambulanten Versorgung höhere Beiträge aus der Pflegeversicherung als Personen im stationären Umfeld. "Im stationären Umfeld fallen die Leistungen aus der Krankenpflege weg. Dieser Systembruch muss dringend korrigiert werden", fordert der Caritas-Geschäftsführer.

Als ambulanter Pflegedienst unterstütze die Diakonie bei der Umsetzung des Wunsches vieler älterer Menschen, in ihrem gewohnten Umfeld ambulant fachkompetent gepflegt und betreut zu werden, berichtet Susanne Kumpfert.

Auch die Tatsache, dass die Zahl der Pflegebedürftigen stärker steige, stelle für die soziale Sicherung und die Diakonie als ambulanten Pflegedienst eine Herausforderung dar. "Dieser Herausforderung treten wir gegenüber, indem wir individuell nach Bedarf abgestimmte Hilfeleistungen unter anderem durch Fachleute, wie beispielsweise Schmerz-, Wund- oder Aromatherapie anbieten", sagt Susanne Kumpfert. Andererseits schaffe die Nachfragesteigerung für die Diakonie auch Beschäftigungs- und Ausbildungspotenziale. "Hier ist es uns wichtig, den Pflegeberuf aufzuwerten, um qualifiziertes Personal gewinnen oder ausbilden zu können".

"Wir haben zu wenig Menschen, die in der Pflege mit anpacken", betont Michael Stöffelmaier. Nicht nur Pflegekräfte, auch Betreuungs- und Hilfskräfte fehlen. "Wir befinden uns hier in einer Abwärtsspirale, die dringend gestoppt werden muss", sagt er.

Und setzt auf zusätzliche Arbeitskräfte aus dem Ausland, "egal ob über gezielte Zuwanderung oder durch Angebote an Asylsuchende." Die Politik müsse sich stark bewegen, bürokratische Hemmnisse schnell abbauen "und strategische Erwägungen hinsichtlich der Asylpolitik über Bord werfen."

Apropos Geld: Reichen die Mittel? Klare Antwort: Sie reichen nicht. "Wir stellen fest, dass viele pflegende Angehörige noch nicht die Entlastungsmöglichkeiten bekommen, die sie brauchen", antwortet Susanne Kumpfert. Außerdem verrichteten ambulante Pflegedienste oftmals Dienstleistungen, die nicht oder nicht ausreichend vergütet würden. "Wir brauchen in viel stärkerem Maß als bisher eine sorgende Gesellschaft, in der sich Nachbarschaften gegenseitig unterstützen und die oft fehlenden familiären Umfelder ersetzen", appelliert Michael Stöffelmaier. Auch die Chancen der Digitalisierung müssten stärker einbezogen werden. "Telemedizin oder auch Robotik in der Pflege dürften keine Tabuthemen sein".