Holger Conzelmann hat seit März eine Professur für Mathematik an der HFU in Schwenningen inne. Foto: Parage Foto: Schwarzwälder Bote

Bildung: Holger Conzelmann bringt Studenten der Hochschule Furtwangen Mathematik näher / Rückkehr von Industrie in Forschung

Wer bei einem Professor an einen gesetzten und vor allem grauhaarigen, älteren Herrn denkt, liegt bei Holger Conzelmann gehörig daneben. Professor ist der 40-Jährige dennoch. Und zwar für Mathematik an der Hochschule Furtwangen.

Schwarzwald-Baar-Kreis. Holger Conzelmann ist zurück auf "Anfang" – und dies gleich doppelt. Zurück in Forschung und Lehre, und zurück in der Gegend, aus der er stammt. Ursprünglich kommt der 40-Jährige nämlich aus Albstadt. Dort hat sein Weg in die Mathematik auch begonnen; schon in der Schule habe ihm das Fach Spaß gemacht. Vorm Abitur wählte er Mathe und Physik als Leistungskurse.

Dass er eines Tages Professor für Mathematik sein würde, hatte er sich in jungen Jahren dennoch nicht vorgestellt. "Ich glaube, als Kind wollte ich Astronaut oder so werden", erinnert sich Conzelmann. Was doch irgendwie passt: Für viele ist seine heutige Disziplin abgehoben. Der Wissenschaftler sieht es anders. So schreibt er in seiner Vorstellung auf der HFU-Internetseite: "In der konkreten Anwendung ist Mathematik nämlich alles andere als trocken, sondern kann höchst spannend sein."

Holger Conzelmann hat seine Stelle in der Fakultät "Medical und Life Science" am Standort Schwenningen im März angetreten. Damit kehrt er nach rund acht Jahren in der Industrie an eine Hochschule zurück. Sein Studium absolvierte er ab 1998 an der Universität Stuttgart. Irgendwas mit Mathematik und Physik wollte er damals machen. Bei einer Studienberatung stieß er auf das Fach technische Kybernetik. "Da hat meine Mutter gesagt: Was ist denn das?", erzählt er mit einem Schmunzeln. Die Antwort: ein eher mathematisch-orientierter Ingenieurstudiengang.

Modelle berechnen, was in Körperzellen passiert

Mit seiner Diplomarbeit schlug Conzelmann einen neuen Weg ein: Er befasste sich mit Systembiologie. In dieser Fachrichtung werde das Wissen aus dem Ingenieurwesen auf die Biologie angewandt. Er ging unter anderem der Frage nach, wie der programmierte Zelltod funktioniert. Dabei erhalten Zellen, die nicht mehr gebraucht werden, vom Körper ein Signal, damit sie absterben. Welche Stoffe in der Zelle aufgrund dieses Signals wann und wie miteinander reagieren, lässt sich mathematisch berechnen, erklärt der junge Professor und macht so deutlich, was er mit "konkreter Anwendung der Mathematik" meint. "Das war dann sehr, sehr spannend" und mit der Grund, während seiner Promotion unter anderem in diesem Bereich weiter zu forschen. Im besten Fall machen solche Modelle für Berechnungen die biologische Forschung einfacher, weil sie manche aufwendigen Experimente ersetzen können. Nach der Doktorarbeit verbrachte Conzelmann ein sogenanntes Postdoc-Jahr an der Harvard Medical School in Boston (USA). Anders als in Stuttgart seien am dortigen Institut sowohl biologische Experimente als auch Modellierungen gemacht worden. "Da war alles unter einem Dach – das war sehr interessant."

Nach einem kurzen Intermezzo an seiner Alma Mater wechselte der Wissenschaftler in die Industrie, genauer zu Bayer in Leverkusen. Statt mit Biologie befasste er sich dort überwiegend mit der Kunststoffherstellung. "Dann hat es mich wieder eher in die Heimat gezogen", erzählt der 40-Jährige. Er ging in die Automobilbranche, zur damaligen MBtech von Daimler, und hatte es fortan mit der Software von Bordcomputern zu tun. Den Modellierungen blieb er dabei treu: Durch seine Modelle lässt sich vieles simulieren, wofür die Autos früher auf den Prüfstand gemusst hätten. Bei seiner Arbeit stieß Holger Conzelmann auf viele Themen, die er ebenfalls interessant fand. Diesen nachgehen zu wollen, trug zu seiner Entscheidung bei, in die Forschung zurückzukehren.

Ein Semester in Schwenningen liegt bereits hinter ihm. "Mit gefällt es sehr gut", resümiert er. Und es passe, weil er in den Mathevorlesungen viele angehende Ingenieure vor sich habe – "wo die Anwendung im Vordergrund steht".

Trotz aller Begeisterung für sein Fach, kann der 40-Jährige verstehen, dass viele ihre Probleme damit haben. Weder der Großteil seines Bekanntenkreises, noch sein Lebensgefährte seien sonderlich matheaffin. Dabei, so beschreibt Conzelmann, ließen sich mit Mathematik viele Probleme lösen. Das will er möglichst vielen Studenten vermitteln. Deshalb ist es ihm gerade am Anfang seiner Tätigkeit an der HFU wichtig, "dass die Lehre steht und gut ist". Er wolle die Studenten einbinden, und seine Vorlesungen locker gestalten – gerne auch durch neue Ideen in der Vermittlung. Später hofft Holger Conzelmann, bleibt dann tatsächlich wieder etwas mehr Zeit für die Forschung. Bis dahin hat er sich vielleicht auch an die Anrede "Herr Professor" gewöhnt. "Das ist schon ein komisches Gefühl", gibt er zu. Zumal seine eigene Studienzeit ihm noch gar nicht so weit weg erscheint.