Der Hansel in den Dreißigerjahren, gemalt von Paul Goetze. Foto: Stadtarchiv Foto: Schwarzwälder Bote

Fasnet: 90 Jahre Narrenzunft: Historischer Hanselsprung lockt am Samstag in die Muslen / Zahlreiche Hästräger werden erwartet

90 Jahre Narrenzunft Schwenningen: Eigentlich ein Anlass, dieses Jubiläum ausgelassen zu feiern. Doch statt einer großen Party wollen sich die Verantwortlichen lieber auf die Wurzeln zurückbesinnen – und laden am Samstag zum dritten Mal zu einem ganz besonderen Hanselsprung ein.

VS-Schwenningen. Wenn Hanselvatter Jörg Schlenker in diesen Tagen wieder in den Kindergärten unterwegs ist, um den Jüngsten das Brauchtum der Schwenninger Fasnet näherzubringen und sie in die Häser der wichtigsten Narrenfiguren zu stecken, dann hören sie ihm mit großer Neugierde zu.

Doch sie werden wohl nur eine ganz leise Ahnung davon haben, wie es am kommenden Samstag zwischen Hocken- und Muslenplatz zugehen wird. "Rund 1200 Fasnetsfiguren gibt es in Schwenningen, davon etwa 600 Hansel-Hästräger", berichtet Jörg Schlenker in der Kindertagesstätte Hammerstatt. Und gerade die werden beim großen historischen Hanselsprung, den die Zunft nach dem 80-jährigen Bestehen 2008 und dem Weißnarrentreffen 2011 in diesem Jahr wieder veranstaltet, im Mittelpunkt stehen.

"Bewusst haben wir uns dagegen entschieden, das 90-jährige Bestehen groß zu feiern", meint Schlenker. Denn der historische Narrensprung wird diesmal das einzige Jubiläumsereignis sein. Die Ursprünge der Schwenninger Fasnet gehen eigentlich viel weiter zurück, berichtet der Hanselvatter zudem, erste Hinweise habe es bereits vor mehr als 300 Jahren gegeben. Das Gründungsbuch des Schwenninger Vereins ist aus dem Jahr 1927, zum offiziellen Zusammenschluss kam es ein Jahr später. Anfang der Dreißigerjahre ist auch die Hansel-Figur entstanden. Mit dem historischen Hanselsprung soll es in diesem Jahr bei den Jubiläumsfeierlichkeiten bleiben.

Nichtsdestotrotz: Dass dieser ein ganz besonderer sein wird, daran ist jetzt schon kein Zweifel. Alle Narrenfreunde sind eingeladen, ihr Hanselhäs herauszukramen – egal ob aus den Dreißiger-, Siebziger- oder Neunzigerjahren. "Der Hansel ist bei uns die wichtigste Figur", erklärt Jörg Schlenker auch den Kindergartenkindern. Ziel ist, eine möglichst große Gruppe aus unterschiedlichsten Hanseln zusammenzubekommen, die als Abbild der 90-jährigen Geschichte die Muslen herunterspringen.

Ein besonderes Augenmerk wird natürlich auf die ganz ursprünglichen Kostüme gelegt. Aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren gebe es noch rund 30 Stück, weiß der Hanselvatter. "Wer einen alten Hansel hat, über den freuen wir uns besonders", ruft er alle Brauchtumsliebhaber auf – auch diejenigen, die nicht mehr mitspringen können. "Das ist am Samstag kein Muss." Die Häser könnten auch einfach zur Verfügung gestellt werden. Das einzige Problem sei die Passform – die historischen seien eng und klein geschnitten.

Und was hat sich zudem im Laufe der Jahre verändert? Die Bemalung sei eine andere, erzählt Jörg Schlenker. Waren es zunächst Feld- und Wiesenblumen, die das Häs zierten, sind es seit den Siebzigerjahren nur noch Rosen. Kleinere Details hätten sich zudem verändert, so auch der Wechsel von weißen zu schwarzen Handschuhen. Auch die Scheme sei in anderem Stil geschnitzt worden: In den Fünfzigerjahren war der sogenannte Spitznasehansel, der chinesische Züge hatte, angesagt, die aktuelle Scheme sei erst 30 Jahre später entstanden.

2008, im Jubiläumsjahr, waren es 260 Hansel, die am großen Sprung teilgenommen haben, drei Jahre später beim Weißnarrentreffen rund 330. Zum 90-Jährigen sollen es nochmal mehr werden, hofft Schlenker – ebenso, dass möglichst viele Zuschauer das bunte Treiben verfolgen. Ist für viele Außenstehende der große Umzug am Sonntag der Höhepunkt der Schwenninger Fasnet, ist es für die Zunft der Narrensprung am Tag vorher. "Das ist der eigentliche Grund, warum der Hansel auf die Straße geht." Früher sei an den Hohen Tagen zwischen dem Fasnetsfreitag und dem Umzug am Sonntag "ein Loch" gewesen, seit einigen Jahren gebe es daher den Narrensprung. "Hier haben die Narren die perfekte Möglichkeit zum Strählen", fügt der Hanselvatter hinzu.

Und diese werde auch stets genutzt – ebenso von den jüngeren Zunftmitgliedern. Die Narren hätten sich in Schwenningen gut gehalten, meint Schlenker zufrieden. Der Nachwuchs müsse trotzdem ausgebildet werden, zum Beispiel durch Strählabende. Auch in den Kindergartenkindern findet der Hanselvatter stets potenzielle neue Nachwuchs-Hansel. Und vielleicht steht einer von ihnen am Samstag am Straßenrand und wird von der Magie der umherspringenden Hansel ergriffen.

Die Schwenninger Narrenzunft lädt am kommenden Samstag, 10. Februar, zum großen Hanselsprung ein. Treffpunkt ist um 12.30 Uhr am Hockenplatz, das bunte Treiben beginnt um 13.15 Uhr. Die Umzugsreihenfolge ist bereits festgelegt: Allen voran wird die Harmonie spielen und den Takt vorgeben, danach werden die alten Hanselhäser der Dreißiger- bis Siebzigerjahre bei den Zuschauern am Straßenrand für Gänsehaut sorgen. Die Hästräger, die nicht mehr springen, komplettieren die erste Umzugsgruppe. Die zweite Gruppe wird von der Narrensome angeführt, dann kommen Hansel – nicht springend und springend – aus den Achtzigerjahren, dazwischen spielt die Stadtmusik. Fanfarenzug, Ratsfrauen und Narrenrat, Hästräger ohne Hansel sowie alle weiteren Narrenvereine und Musikgruppen folgen schließlich den historischen Hästrägern auf den Muslenplatz. Alle Hansel bekommen ein besonderes Sprungbändel spendiert.