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Polizei und Bäckereien kooperieren in Sachen Prävention. Aktuelle Fälle in Schwenningen.

Villingen-Schwenningen - Eine Präventionskampagne des Reutlinger Polizeipräsidiums hat nun – wenn auch ungeplant – die Doppelstadt erreicht. So wird auf Tüten, die von Bäckern oder Konditoren ausgegeben werden, vor Telefonbetrügern gewarnt.

Nach einem Bäcker- oder Konditorbesuch lohnt sich derzeit neben dem Blick in auch ein Blick auf die Tüte, in der die leckeren Waren mit nach Hause oder zur Arbeit genommen werden. Grund dafür ist eine Aktion des Reutlinger Polizeipräsidiums, das vor Telefonbetrügern warnt (siehe Infokasten).

In dessen Zustellungsbereich, heißt es in einer Pressemitteilung des Präsidiums, hätte sich die Zahl der Vorfälle, bei denen vor allem ältere Menschen um ihr Erspartes gebracht werden, im Vergleich zum Vorjahr fast verdreifacht – obwohl bereits knapp 96 Prozent aller Angerufenen solche Betrugsversuche erkennen würden.

Wie kommen die Tüten nach VS?

Doch wie kommen die Tüten nun auch nach VS, das doch eigentlich dem Einsatzgebiet des Polizeipräsidiums Tuttlingen zuzuordnen ist? Die Antwort gibt Sabine Szabo von der Bäko (Bäcker- und Konditorengenossenschaft) Südwürttemberg mit Sitz in Reutlingen. Das Unternehmen, ein Fachgroßhandel für Bäckereien und Konditoreien, ist bei der Kampagne Kooperationspartner der Polizei und für die Produktion sowie Auslieferung der Tüten zuständig. Den Bäckereien werden diese, sofern sie teilnehmen, kostenlos zur Verfügung gestellt. "Eigentlich läuft die Aktion in den Landkreisen Reutlingen, Esslingen und Tübingen. Nachdem ich von den Mitgliedern der hiesigen Bäckerinnung wenig Rückmeldung bekommen habe, dachte ich: ›Wo soll ich denn nun mit den über 900.000 Tüten hin?‹", erzählt Szabo und lacht.

Also habe sie ein Infopaket für den Außendienst zusammengestellt, sodass die Mitarbeiter bei ihren Terminen in den Bäckereien auf die Kampagne aufmerksam machen können. "So sind die Tüten auch in den Tuttlinger Raum geraten." Das sei zwar eher ein Versehen gewesen, "aber es ist ja eine gute Sache, da kann ich das verkraften", so Szabo.

Der Meinung ist auch Simone Guhl von der "Backkultur" in der Schwenninger Marktstraße. "Als der Bäko-Vertreter uns die Aktion vorgestellt hat, haben wir sofort mitgemacht. Es ist wichtig, dass das Thema noch präsenter ist und es ist schön, dass wir dabei mithelfen können", sagt Guhl.

Solche Betrügereien gibt es immer wieder

Dass auch in der Region Bedarf herrscht, bestätigt Harri Frank von der Pressestelle des Tuttlinger Polizeipräsidiums. "Solche Betrügereien haben wir immer wieder. Fast täglich lesen wir, dass es im Gebiet irgendwo passiert ist", so Frank. Vergangene Woche gab es beispielsweise in Schwenningen drei Fälle, bei denen ältere Menschen angerufen wurden mit dem Versuch, sie zur Herausgabe von mehreren tausend Euro zu bewegen (wir berichteten).

In Tübingen, Reutlingen und Esslingen wurde die Kampagne mit Infoveranstaltungen auf den Marktplätzen verbunden. Trotzdem hofft Sabine Szabo, dass auch die Tüten allein dafür sorgen, "dass weniger Menschen über den Tisch gezogen werden." Sie persönlich hat die Aktion zumindest zu einem erfolgreichen Ende gebracht: "Ich hab’ jetzt alle Tüten weg – Gott sei Dank", sagt sie und lacht.

Unter dem Phänomen des Callcenter- beziehungsweise Telefonbetrugs werden Anrufe subsumiert, die nur das Ziel haben, an das Geld ihrer Opfer zu kommen. Die zumeist von ausländischen Callcentern agierenden und gut geschulten Betrüger rufen dabei massenhaft gezielt bei älteren Menschen an, geben sich als Polizei- oder Kriminalbeamte, verdeckte Ermittler oder Staatsanwälte aus und versuchen, mittels einer Lügengeschichte an das Geld ihrer Opfer zu kommen. Zum Schutz ihres Eigentums werden diese aufgefordert, ihre kompletten Wertsachen der "Polizei" zu übergeben. Dabei nutzen die Täter gezielt die Angst vieler Senioren vor Einbrechern, andererseits aber auch das hohe Vertrauen in die Polizei aus.

Daneben treten die Betrüger auch als angebliche Enkel oder nahe Verwandte auf, die sich in einer akuten Notlage befinden und dringend Geld zum Erwerb einer Immobilie oder zur Abwendung einer Haftstrafe benötigen. Dazu gehören auch Gewinnversprechen, bei denen dem Opfer vorgetäuscht wird, man habe hohe Geld- oder Sachpreise gewonnen.

Sie suggerieren, dass der Gewinn nur ausgezahlt werden kann, wenn der Gewinner in Vorleistung tritt. Es sollen im Voraus Gebühren, Steuern oder andere Kosten bezahlt werden. Eine Verrechnung mit dem Gewinn wird aus unterschiedlichsten Gründen abgelehnt. Die Opfer sollen den Betrag zum Beispiel in bar an einen Abholer übergeben oder per Post oder mit Finanzdienstleistern ins Ausland versenden. Eine Gewinnausschüttung erfolgt niemals – ein Gewinn existiert nicht, und das Geld ist verloren.