Der Ochsensaal in Neuhausen ist ein echter Blickfang. Foto: Max Kovalenko

1,65 Millionen Euro hat Neuhausen auf den Fildern in den letzten Jahren in Umbau und Sanierung zweier Festsäle investiert. Für eine Gemeinde mit 11.000 Einwohnern ist das kein Pappenstiel. Doch jetzt zählen die beiden Jugendstilsäle zu den gefragtesten Versammlungsräumen in der Umgebung.

1,65 Millionen Euro hat Neuhausen auf den Fildern in den letzten Jahren in Umbau und Sanierung zweier Festsäle investiert. Für eine Gemeinde mit 11.000 Einwohnern ist das kein Pappenstiel. Doch jetzt zählen die beiden Jugendstilsäle zu den gefragtesten Versammlungsräumen in der Umgebung.

Neuhausen - Nicht nur aus dem Flecken selbst, sondern sogar aus Stuttgart kommen die Festgesellschaften, die die beiden Säle reservieren. An den Wochenenden sind sie langfristig ausgebucht – vor allem in der warmen Jahreszeit wird dort nächstes Jahr fast jede Woche Hochzeit gefeiert. Bürgermeister Ingo Hacker sieht bei seiner Stippvisite durch die Säle der Gaststätten Ochsen und Saalbau zufrieden aus: Ja, ist er überzeugt, der Entschluss, die hohe Investition zu schultern, war goldrichtig.

Dabei ist vor allem die Geschichte des Ochsensaals höchst wechselvoll. Gebaut wurde er vor 110 Jahren von einem gewissen Karl Thomas Bayer als Heimat des Männergesangvereins Eintracht. Er wurde rechtwinklig an die bestehende Gaststätte Ochsen im Herzen Neuhausens angebaut. Schon damals galt der Festsaal wegen seiner besonderen filigranen Architektur als einer der schönsten Versammlungsräume auf den Fildern.

Während des Krieges wurden dort Fremdarbeiter für kriegswichtige Betriebe untergebracht. Anschließend fanden dort Heimatvertriebene eine provisorische Bleibe. 1949 baute die Textilfirma Bleyle den Ochsensaal für ihre Produktion um, von 1978 an diente der Saal acht Jahre lang als Lager und Produktionsraum für Messebau Balluff.

Deckenbemalung wird erst jetzt richtig wahrgenommen

1988 wurde der Ochsensaal grundlegend renoviert – schon damals erhielt er im Wesentlichen sein Aussehen zurück. Dennoch scheint er den Neuhäusern erst jetzt in ganz neuem Glanz: Das neue Beleuchtungskonzept setzt ihn weit besser in Szene als bisher. Zudem war dort bis 2011 die öffentliche Bücherei untergebracht. Durch die hohen Regale waren die schönen Stilelemente des Saals kaum mehr zu sehen. Erst jetzt zeigt sich, wie viel Licht durch die großen Fensterflächen fällt. Die Atmosphäre ist trotz der Größe und Höhe des Saals fast heimelig. Auch die Deckenbemalung wird von vielen Besuchern erst jetzt so richtig wahrgenommen.

Die Kosten von 750.000 Euro für den Umbau verteilen sich auf Maler- und Restaurierungsarbeiten, eine neue Küchenzeile, behindertengerechte Sanitäranlagen und vor allem den Brandschutz. „Das Denkmalamt ist uns da aber sehr entgegengekommen“, freut sich Ingo Hacker. Die Behörde im Esslinger Landratsamt habe viele gute Ideen eingebracht. So konnten die teils hohen Auflagen des Brandschutzes erfüllt werden, ohne dass das Bild des historischen Saals beeinträchtigt wurde.

Schmuckes i-Tüpfelchen auf der Empore über dem Ochsensaal ist der sogenannte Sängersaal mit bildschönen Stuckreliefs an der Decke. In diesem Bereich mit Aussicht auf den Ochsensaal musste lediglich der Fußboden ersetzt werden. Bei Feierlichkeiten finden dort 50 Personen Platz, unten im Saal rund 200. Der Ochsensaal ist tatsächlich nächstes Jahr zwischen März und September jedes Wochenende ausgebucht.

900.00 Euro in benachbarten Gasthof-Saal gesteckt

Als Knaller erweist sich aber auch die neue Reihe Ochsenkult. Freitags ist der Ochsen Bühne für Kunst und Unterhaltung. „Elvis“ war schon da und Joe Bauers Flaneursalon. Diesen Freitag, 22. November, spielt die Latin-Band Agua Loca mit Frontman Peter Schick.

In den Saal des benachbarten Gasthofs Saalbau hat die Gemeinde noch mehr Geld investiert – 900.000 Euro. Dort musste aber auch von Grund auf renoviert werden. Der Boden wurde mit einer Fußbodenheizung belegt und mit geöltem Eichenholzparkett ausgelegt. Unter der Bühne wurde das Stuhllager eingerichtet. Unwillkürlich geht der Blick aber nach oben ins Gewölbe des historischen Saals. Dort hat ein Restaurator in mühevoller Arbeit die Ornamentik aufgenommen, die einst den Saal aus dem Jahr 1899 zierte. Überraschend wurde bei der Sanierung die Original-Bemalung über der Empore freigelegt und gesichert. Die Blüten und Bordüren wurden dort also nicht restauriert, sondern bewusst nur konserviert. Im ganzen Saal wäre das zu aufwendig, weshalb der Restaurator die Ornamente nur nachempfunden hat. Im Foyer wurde der Stuck restauriert.

„Diese Restaurierung war besonders spannend“, erinnert sich der Bürgermeister. „Wir hatten keinerlei Fotos vom Original, einziges Dokument war eine Postkarte.“ Als dann die Deckenbemalung über der Empore wieder freigelegt wurde, seien bei vielen älteren Neuhäusern Kindheitserinnerungen wach geworden: Stimmt, so sah das ja damals aus . . . Irgendwann über die Jahre wurde der gesamte Saal weiß gestrichen und die Ornamente übermalt.

Der Saalbau wurde ebenfalls als Sängerheim gebaut: „Damals wurde eigens eine Aktiengesellschaft gegründet und der Bau über sie finanziert“, weiß Hacker. Beide Säle gehören heute der Gemeinde, die sie an die Gastronomen verpachtet hat. Auch der Saal des Gasthauses Saalbau ist an den kommenden Wochenenden größtenteils schon ausgebucht. Er wird aber nicht vermietet, sondern steht Festgesellschaften kostenlos zur Verfügung, die dort feiern, essen und trinken.