Schaffen statt schwätzen: VfB-Präsident Bernd Wahler (rechts) Foto: Pressefoto Baumann

Die Euphorie beim VfB Stuttgart war groß, die Ernüchterung nach vier Niederlagen ist es jetzt auch. Bernd Wahler steht in der Kritik und macht sich in der Öffentlichkeit rar. Mancher Fan fragt sich: Wo ist der Präsident eigentlich?

Stuttgart - Einige Spieler kommen und gehen, immer mal wieder wechselt der Trainer, aber sonst bleibt sich der VfB über die Jahre treu. Die Mannschaft steht im Fokus, der Coach und der Sportvorstand auch, die Spiele enden in der Mehrzahl in Frust statt in Freude, und zwangsläufig herrscht auf dem Punktekonto eine Leere, die betroffen macht. Und wenn die Lage wieder besonders angespannt ist wie zurzeit mit null Zählern nach vier Spielen, dann erinnert sich der eine oder andere Wegbegleiter an den Mann, der über allem steht. Wo ist eigentlich der Präsident? Diese Frage bewegt die Stammtische dann ebenso vehement wie die Leserbriefschreiber an unsere Zeitung, gepaart mit einer zweiten Frage: Was macht Bernd Wahler eigentlich?

Der Präsident sitzt am gläsernen Besprechungstisch in seinem Büro und muss schmunzeln. „Ich nehme diese Erwartungen wahr“, sagt er dann, „aber ich sehe meine Rolle nicht so, dass ich nur etwas sage, damit die Öffentlichkeit etwas von mir hört.“ Zumal sich der Verein ja die Parole auf die Fahnen geschrieben hat, mehr zu schaffen als zu schwätzen. So genau weiß Bernd Wahler (57) auch gar nicht, was die Leute draußen von ihm verlangen. Soll er alle paar Wochen auf den Tisch hauen? Soll er ausufernd darüber referieren, ob das 3-5-2-System nun erfolgversprechender ist als eine Grundordnung im 4-1-4-1? Oder erwarten sie von ihm, dass er Alexander Zorniger und Robin Dutt Druck macht? Oder dass er dem Trainer und dem Sportvorstand den Rücken stärkt? „Das“, sagt Wahler, „mache ich bewusst nicht öffentlich. Weil das dann gleich interpretiert und in die eine oder andere Richtung ausgelegt wird.“ Womöglich als erstes indirektes Misstrauensvotum gegen die sportliche Führung.

Ein „ganz feiner Grat“ sei das, dabei ist ihm doch vor allem wichtig, dass das Vertrauensverhältnis intern stimmt. Und das stimme, behauptet Wahler. Weil sie offen und ehrlich, durchaus kritisch und nach seiner Einschätzung konstruktiv die Lage besprechen, nach jedem Spiel und auch unter der Woche. „Meine Aufgabe ist es in erster Linie, intern Lösungen einzufordern“, sagt Wahler. Das macht er, zuweilen bekommt er die Lösungen auch schon geliefert, bevor er nachhakt. Und was er hört, stellt ihn zufrieden. „Die Ansätze von Robin Dutt und Alexander Zorniger sind und waren absolut schlüssig. Sie stimmen mich zuversichtlich, dass wir bald Punkte holen werden“, sagt er. In diese Einschätzung schließt er die Gremien des Vereins, insbesondere den Aufsichtsrat, ausdrücklich ein. Klar ist aber auch: „Wir brauchen jetzt zügig Punkte.“ Andernfalls wäre er doch gezwungen, das zu tun, was er unbedingt vermeiden will: Treueschwüre abzugeben.

Wahler versteht den Wunsch mancher Fans, er möge handeln

Führen und fordern, das ist Wahlers Taktik in der VfB-Krise. Weil er die richtigen Ansätze zu erkennen meint, gehört ein dritter Punkt zu seinen Maximen: die Leute in ihrem Handeln zu bestärken. Davon ist nach außen wenig bis nichts transparent, deshalb kann Wahler schon nachvollziehen, dass die besorgten Fans sich nach einer Führungsfigur im Verein sehnen, die ab und zu dazwischengrätscht: „Wenn seinem Lieblingsclub etwas Schlechtes zustößt, wenn es beim VfB also sportlich nicht läuft, dann entsteht außen oft der Wunsch: Jetzt muss aber einer handeln. Das ist ein menschlicher Reflex.“

Wahler handelt, er schiebt Dinge an, setzt sie zügig um („Ich bin von Natur aus eher ein ungeduldiger Typ“) und gerät selbst unter Druck, weil sich der Erfolg nicht sofort einstellt. Was vor der Mitgliederversammlung am 11. Oktober, bei der das emotional aufgeladene Thema einer Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung zur Diskussion stehen (aber nicht zur Abstimmung kommen) wird, aus seiner Sicht wünschenswert gewesen wäre – was ihn andererseits aber auch nicht weiter überrascht. „Wir haben strukturell und sportlich vieles im Verein verändert. Wir haben einen neuen Vorstand, die Hälfte des Aufsichtsrats hat gewechselt und der Ehrenrat wurde verändert. Über alle Vereinsgremien hinweg sind wir uns einig: Wir haben noch viel Arbeit vor uns.“ Zumal auch Trainer und Sportvorstand mehr oder weniger neu im Amt sind.

Ein Verein mit den Strukturen des VfB sei immer „ein wenig träge gewesen“, sagt Wahler. Deshalb ärgern ihn Vorwürfe wie jene, er sei jetzt seit zwei Jahren im Amt, und dafür habe er wenig hinbekommen. Andererseits kann er damit umgehen. Weil er in einigen Bereichen kleine, aber wichtige Fortschritte erkennt.

„Wir haben einen langen Weg vor uns. Das wird mehr als eine Saison dauern“

Einer davon ist das sportliche Konzept des Gesamtvereins. „Ich sehe auch eine Entwicklung, wenn ich unseren Jugendmannschaften zuschaue“, sagt Wahler, „aber bis die Neuerungen durchweg fruchten, haben wir einen langen und intensiven Weg vor uns. Das wird Zeit brauchen – mehr als eine Saison.“

Deutlich schneller gelang die Übergabe des Finanzressorts, das Stefan Heim im Frühjahr von Ulrich Ruf geerbt hat. Bis dahin habe der VfB aus vielen Tochtergesellschaften bestanden, aus Inseln, wie er es formuliert. Stefan Heim sei es gelungen, Brücken zu bauen und mehr Miteinander zu schaffen. Auch das Zusammenspiel zwischen Sport und Finanzen habe „richtig gut“ funktioniert: „Stefan Heim hat die Erwartungen voll und ganz erfüllt.“

Auch das große Ärgernis dieses Sommers sei behoben. Wegen der weitreichenden Umstellung des IT-Bereichs waren Eintrittskarten zu spät oder gar nicht bei den Adressaten angekommen. „Dafür kann ich mich nur entschuldigen, sagt Wahler, „aber künftig haben unsere Fans in diesem Bereich mehr Vorteile, als sie zuletzt Nachteile hatten.“

Ziel ist nach wie vor ein gesicherter Mittelfeldplatz

Nur im sportlichen Bereich geht es (noch) nicht voran wie gewünscht. Insofern klingt es reichlich verwegen, wenn der Präsident des Tabellen-Vorletzten mit fester Stimme sagt: „Unser Ziel ist nach wie vor ein gesicherter Mittelfeldplatz.“ Immerhin: Groß interpretieren lässt sich dieser Satz nicht.