Der VfB Stuttgart dreht sich im Kreis: Er braucht eine neue Mannschaft, einen neuen Sportchef, einen neuen Präsidenten und wenn möglich auch noch eine neue Philosophie. Es gibt einfachere Unterfangen für einen Absteiger.
Stuttgart - Es gibt sie also doch noch, die guten Nachrichten vom VfB Stuttgart. Wegen des Klassenverbleibs der Frankfurter Eintracht bleiben dem Club aus Cannstatt durch die Verteilung der Fernsehgelder in der kommenden Saison rund 650 000 Euro mehr in der Kasse.
Ein Sümmchen, mit dem sich der zu neuer Bescheidenheit gezwungene Absteiger einen, sagen wir mal, passablen Zweitligaprofi mehr wird leisten können, um seinen Kader möglichst schnell auf Erstligatauglichkeit zu trimmen. Dies ist das alleinige Ziel, dem sich die verbliebenen Entscheider nach dem Aus im Fußball-Oberhaus verschrieben haben. Alles andere muss hintenanstehen. Ein Schritt vor und zwei zurück. Oder wie es der Club in seiner Mitteilung vom Dienstag formuliert: „Der Fokus des gesamten Vereins richtet sich jetzt darauf, die Voraussetzungen für den sofortigen Wiederaufstieg in die Bundesliga zu schaffen.“ Deswegen wurde auch die geplante Mitgliederversammlung am 17. Juli abgesagt. Dort sollte über die Umwandlung der Profiabteilung in eine Fußball-AG abgestimmt werden. Doch von der Ausgliederung ist der Verein im Moment so weit entfernt wie seine Fußballer von der Champions League. Eines fernen Tages soll es einen neuen Anlauf geben.
Die Suche nach einem neuen Sportchef zieht sich hin
Priorität eins (und Priorität zwei und drei) hat der sofortige Wiederaufstieg. Die Steuerung dieses Projekts wird dem neuen Cheftrainer Jos Luhukay anvertraut. Gemeinsam mit Joachim Cast, einst die rechte Hand des entlassenen Sportvorstandes Robin Dutt, und den von Dutt kürzlich noch installierten Kaderplanern soll er die Mannschaft neu zusammenstellen. „Jos Luhukay ist ein Teamplayer und wir sind in einem engen Austausch mit ihm“, sagt Marketingvorstand Jochen Röttgermann. Doch zumindest fürs Erste ist der Niederländer der starke Mann. Denn die Suche nach einem Nachfolger für Robin Dutt gestaltet sich weiter schwierig. Gesucht wird nicht weniger als die eierlegende Wollmilchsau, ein Mann also, der möglichst alle Qualifikationen des Geschäfts auf sich vereint: Führungsstark, mit gutem Netzwerk, betriebswirtschaftlichen (Grund)-Kenntnissen und einem Näschen für die richtigen Spieler. Wenn er darüber hinaus kein Novize ist und es früher auch noch fertiggebracht hat, einen Kurzpass unfallfrei an seine Mitspieler zu bringen, wäre das Glück vollkommen.
Das Problem dabei: Diese Typen wachsen nicht auf den Bäumen, weshalb sich die Suche im roten Haus noch ein Weilchen hinziehen dürfte. In den nächsten ein bis zwei Wochen ist mit keiner Entscheidung zu rechnen. Immerhin: Über das Anforderungsprofil der Stelle sind sich Aufsichtsratschef Martin Schäfer und der zweiköpfige Restvorstand einig. Idealerweise sollen sich die Aufgaben des Direktors (eine Vorstandsrolle ist nicht vorgesehen) zwei Kräfte teilen: Eine für den sportlichen, die andere für den technischen Part. Jochen Sauer (RB Salzburg) und Stephan Schwarz (FC Augsburg) sind weiter im Rennen (Sauer mehr als Schwarz); anders als Jens Lehmann, den das Gremium als einen der wenigen kategorisch ausschließt. One-Man-Shows wie unter Robin Dutt und Fredi Bobic sollen künftig verhindert werden, wobei das Urteil über Dutt im Abgang ein klein wenig freundlicher klingt, wenn es heißt, der 51-Jährige habe sich letztlich „zuviel aufgehalst“.
Dutt hat im Prinzip vieles richtig gemacht
Im Prinzip habe er fast alles richtig gemacht, sagen diejenigen, die ihm vor gut einer Woche den Stuhl vor die Tür gesetzt haben. Die Strukturen im Scouting und Nachwuchs, die Sache mit den Kaderplanern – alles topp! Warum man sich trotzdem für den personellen Radikalschnitt entschieden hat, lässt sich wohl nur auf persönliche Unstimmigkeiten zurückführen.
Weshalb nun Martin Schäfer die tragende Rolle im Verein zukommt. Die er sich, daraus macht der Vertriebschef von Würth keinen Hehl, eigentlich so nie gewünscht hat. Nebenbei muss er schließlich auch noch einen neuen Präsidenten finden, welcher der eierlegenden Wollmilchsau ebenfalls möglichst nahe kommen soll. Am 9. Oktober soll der neue Präses gewählt werden, und die Zeit spielt auch hier nicht für den VfB. Der neue Sportchef wüsste nämlich auch gern, mit welchem Chef er es zu tun haben wird.
„Wir befinden uns in einer absoluten Krisensituation“, sagt Schäfer, der seine Erfahrungen aus der Berufswelt auf sein aktuelles Betätigungsfeld als Fußball-Krisenmanager überträgt: „Strukturen ändere ich nur, wenn es gut läuft.“ Von einer Philosophie will der 59-Jährige in der jetzigen Situation lieber nichts wissen. Jetzt zähle nur der Wiederaufstieg, mit einem Trainer, der bewiesen habe, dass er es kann.
Dass sich der zuletzt so häufig runderneuerte Verein damit binnen kürzester Zeit in die frühen Nuller-Jahre zurückkatapultiert, als Trainer Felix Magath erst zum mächtigen Teammanager aufstieg, ehe er die Roten Richtung München verließ, nimmt man notgedrungen in Kauf. Der Verein ist an der Stunde Null angelangt, mal wieder.