Zdravko Kuzmaovic sitzt auf dem Trainingsplatz an der Bande mit dem Wappen des VfB Stuttgart. Foto: Pressefoto Baumann

Der Hohenheimer Marketing-Professor Markus Voeth über Strategie und Kontinuität bei den Roten.

Stuttgart - Wohin steuert der VfB Stuttgart, wie kann der Verein sein Profil schärfen? „Der VfB benötigt ein klares Bekenntnis zu dem Weg, den er einschlagen will“,  sagt der Hohenheimer MarketingProfessor Markus Voeth (44).

Herr Voeth, der VfB hat zurzeit mehr Erfolg, als zu erwarten war. Trotzdem nörgeln die Zuschauer, weil spielerisch nur wenig geht. Erfolg und ein schönes Spiel – ist das zu viel verlangt?

Ich weiß, wovon Sie reden. Als Dauerkartenbesitzer beim VfB verfolge ich fast jedes Heimspiel in der Cannstatter Kurve, auch das gegen Nürnberg. Ich denke, die Unzufriedenheit der Zuschauer liegt nicht allein an den zum Teil schwachen Darbietungen. Vielmehr habe ich den Eindruck: Die Fans bekommen durch den Verein viel zu wenig kommuniziert, wofür der VfB eigentlich steht.

Früher stand er einmal für die Jungen Wilden.
Eben. Das war ein Alleinstellungsmerkmal. Das fehlt jetzt. Schauen Sie, wenn wir über Mercedes-Benz reden, weiß jeder, woran er ist, was er für sein Geld bekommt, wofür diese Autos stehen, auch wenn derjenige nie selbst eines gefahren hat. Was den VfB betrifft, kann man eher von „Muddling through“, von einer Strategie des Durchwurstelns, reden.

Was meinen Sie konkret?
Was will der VfB? Will er nur nicht absteigen, will er in den Europapokal, wie grenzt er sich von direkten Konkurrenten wie Werder Bremen oder Hannover 96 ab, setzt er nun auf junge Spieler oder nicht? Diese Fragen sind nicht eindeutig beantwortet. Dem VfB fehlen klare Konturen und ein klares Bekenntnis zu dem Weg, den man einschlagen will.

Und damit die Identität als Marke. Was genau macht eine Marke aus?
Eine Marke entwickelt sich durch Kontinuität. Sie ist ein Leistungsversprechen, für das man geradesteht. Das Versprechen muss Woche für Woche bei allem, was man macht, erfüllt und aktiv kommuniziert werden. Beim VfB wird diese Kontinuität nicht für jeden sichtbar gelebt. Deshalb herrscht auch im Umfeld große Verunsicherung. Die ist eher typisch für eine noch schwache Marke.

Andere Vereine sind den Roten da voraus?
Bayern München steht für Gewinner-Mentalität. Oder nehmen Sie Schalke 04. Die pflegen dieses Pott-Gehabe: Fußball ist blutig. Das halten sie seit Generationen aufrecht und haben jetzt in Raúl noch eine exotische Note hinzugefügt. Vor fünf, sechs Jahren hatte auch der VfB eine Mannschaft, die eine größere Kontinuität in Bezug auf die sportliche Profilierung ermöglicht hätte.

Sie meinen nach dem Gewinn der deutschen Meisterschaft 2007?
Richtig. Das Identifikationspotenzial mit dem VfB in der Region ist ein Pfund, mit dem man unbedingt wuchern sollte. Der Verein tut gut daran, das auszuschöpfen, denn das gibt es in Deutschland nicht so häufig.

„Der VfB benötigt glaubwürdige Botschafter“


Der VfB versucht sein Profil zu schärfen, indem er wieder auf junge, eigene Spieler setzen will.
Das ist gut, wenn man es wirklich ernst meint. Der Verein muss dann nur bereit sein, diesen Weg in aller Konsequenz umzusetzen, an ihm festzuhalten und auch mal mit einem zehnten Platz zufrieden sein. Das setzt Mut voraus und die Bereitschaft, das auszuhalten, dass es mal nicht gut läuft.

Und es ist sicher kontraproduktiv, wenn der Trainer diese Talente dann nicht einsetzt?
Die Kontinuität muss an jeder Stelle erkennbar sein. Jeder Kontaktpunkt zwischen der Marke und der Zielgruppe muss zur Markenbotschaft passen. Jede Äußerung, jede Handlung muss in die gleiche Richtung gehen.

Der Präsident verkündet einen Sparkurs, der vor allem bei den Fans nicht populär ist.
Umso mehr müssen die Verantwortlichen, allen voran der Manager und der Trainer, daran festhalten, mit Wort und Tat. Ein Trainer oder Manager, der beim VfB beginnt, weiß, dass er eine solide Vereinsführung antrifft, die keine finanziellen Kapriolen macht. Da ist er gefordert, innerhalb der Rahmenbedingungen einen gangbaren sportlichen Weg zu entwickeln. Alle sind gefordert, nicht an Dingen zu mäkeln, die sie eh nicht ändern können.

Die Mannschaft des VfB wurde über Jahre von mehreren Trainern zusammengestellt, man kann sich nur schwer mit ihr identifizieren. Jetzt hat der VfB in Sven Ulreich einen Torhüter, der beliebt ist, aus der Region kommt und für Erfolg steht. Müsste ihn der Verein nicht viel stärker als Identifikationsfigur aufbauen?
Jede Marke wie der VfB benötigt glaubwürdige Botschafter, die nach innen, also in der Mannschaft, und nach außen, also gegenüber den Fans, für den Weg stehen und damit auch an vorderster Stelle den Kopf hinhalten. Sven Ulreich wäre sicher geeignet, dem VfB ein Gesicht zu geben. Allerdings muss er für diese Rolle gezielt aufgebaut werden. Und wichtig ist auch, dass Markenbotschafter eine Art „Welpenschutz“ genießen müssen. Wenn es bei ihnen mal nicht so gut läuft, muss man trotzdem noch zu ihnen stehen. Ob die Verantwortlichen des VfB dazu bereit sind, ist nach der Demontage von Cacau in der Winterpause nicht ganz klar.