Im Amtsgericht Wolfach wurde der Fall verhandelt. Foto: Haas

Ein Streit zwischen zwei Männern endete vor knapp einem Jahr in einer Schlägerei an der Haslacher Eichenbachsporthalle. Nun wurde der Fall vor dem Wolfacher Amtsgericht verhandelt, mit kuriosen Momenten und überraschendem Ausgang.

Wolfach/Haslach - Es begann mit einer Meinungsverschiedenheit beim Skifahren, führte zu einem Kampf mit Schwitzkasten und Schlagstock-Schlägen und endete nun als Fall von "gefährlicher Körperverletzung" vor dem Wolfacher Amtsgericht: Der Streit zwischen zwei türkischstämmigen Männern eskalierte im Februar 2022 in einer Schlägerei vor der Haslacher Eichenbachsporthalle. Bei dieser schlug der Angeklagte seinen Kontrahenten – der vor Gericht als Nebenkläger auftrat – offenbar mit einem Schlagstock aus Metall. Zwei Bekannte trennten sie dann bis zum Eintreffen der Polizei.

Der Angeklagte – ein 29-jähriger türkischer Staatsbürger – behauptete vor Gericht, dass der Streit einige Wochen zuvor bei einem gemeinsamen Skiausflug auf dem Feldberg begonnen habe: Er wollte wegen Corona-Symptomen früher fahren, der Nebenkläger sei deshalb wütend geworden. Der Nebenkläger habe ihm dann in den folgenden Tagen mehrmals per Chatnachrichten Gewalt angedroht. Daraufhin habe er dem Nebenkläger geschrieben: "Stehe deinen Mann, komm schon, wir treffen uns".

Der Angeklagte behauptete daraufhin allerdings, dass er beim vereinbarten Treffen vor der Eichenbachsporthalle den Streit friedlich beilegen wollte.

Schlagstock angeblich nur zum eigenen Schutz

Und das, obwohl er einen Schlagstock dabei hatte: "Ich hatte ihn dabei, um mich selbst zu schützen, ich wollte nicht auf eine Schlägerei aus". Er behauptete außerdem, den Schlagstock nicht eingesetzt zu haben. Dazu führte er folgendes Argument an: "Wenn ich ihn mit dem Schlagstock gehauen hätte, dann wäre er nicht mit so einer kleinen Wunde davongekommen".

Der Anwalt des Nebenklägers wollte wissen, was der Angeklagte unter dem Regeln des Streits "wie Männer" verstehe, woraufhin der Angeklagte äußerte, dass das ’Klären wie ein Mann’ "der türkische Kulturkreis" sei.

Der Angeklagte stritt jegliche Verantwortung für den Streit ab, seinen Worten nach sei die Eskalation allein vom Nebenkläger ausgegangen. Das ging soweit, dass die Richterin aufgebracht äußerte, dass sie beim Angeklagten "keinen Funken Einsicht" sehe: "Jeder Erwachsene, vernünftige Mensch weiß, dass zu einem Streit zwei gehören". Der Angeklagte müsse doch damit gerechnet haben, dass es nicht bei einem verbalen Streit bleiben würde, als er zur Sporthalle ging.

Deutliche Unterschiede zwischen den Aussagen

Der Nebenkläger sagte anschließend als Zeuge aus. Seine Aussage unterschied sich deutlich von der des Angeklagten: Beim Skiausflug habe der Täter das Auto für die Fahrt gestellt, dann aber beim Skifahren spontan gedroht, die Sachen der Anderen aus seinem Auto zu werfen und alleine loszufahren, wenn diese nicht in 20 Minuten zurückkämen. Der Angeklagte sei dann sehr aggressiv gewesen und habe auf der Rückfahrt auch den Wagen gefahren – und das, obwohl er zu diesem Zeitpunkt keinen Führerschein gehabt habe.

Danach habe ihm der Angeklagte per Instagram mehrmals bedrohliche Nachrichten geschickt, inklusive Fotos seiner Haustür. Er selbst konnte sich nicht daran erinnern, ob er dem Angeklagten geschrieben habe, dass er sich mit ihm schlagen wolle.

Am Tag der Schlägerei schickte er dem Angeklagten ein Foto von der Eichenbachsporthalle, wo er gerade beim Boxtraining war. Der Angeklagte habe dann vor der Tür der Halle auf ihn gewartet und ihn direkt mit dem Schlagstock attackiert. Nach zwei Treffern auf den Kopf des Nebenklägers – wodurch es eine große Beule an seinem Kopf gegeben habe – habe er es geschafft, den Angeklagten niederringen.

Der Angeklagte habe sich nach der Tat bei ihm mehrmals entschuldigt und – anders als vor Gericht – auch zugegeben, mit den Schlagstock zugeschlagen zu haben. Beunruhigen würde ihn, dass der Angeklagte inzwischen nur noch drei Straßen entfernt von ihm wohne.

Angeklagter habe sich bereits entschuldigt

Ein Bekannter der beiden, der bei der Schlägerei anwesend war, sagte als Zeuge aus. Er habe mitbekommen, wie der Nebenkläger ein Telefonat mit dem Angeklagten geführt habe, um ein Treffen für ein friedliches Lösen des Streites zu arrangieren. Auch wenn er den Anfang des Kampfes nicht gesehen habe, sei er mit einem weiteren Zeugen dann dazwischen gegangen und habe die sich Prügelnden getrennt. Er bestätigte die Aussage des Nebenklägers, dass der Angeklagte sich hinterher entschuldigt habe und auch der Schlagstockgebrauch außer Frage stand.Eine plötzliche Wendung nahm die Gerichtsverhandlung gegen Ende: Der Verteidiger, der mehrmals während der Verhandlung die Beschaffenheit des Schlagstocks als solchen anzweifelte und dafür ein Sachverständigen-Gutachten beantragen wollte, kam mit dem Nebenklageanwalt auf einen – vor dem Verfahren nicht zustande gekommenen – Täter-Opfer Ausgleich zu sprechen. "Das vehemente Abstreiten jeder Schuld ist der Grund, warum wir hier seit zwei Stunden sitzen", äußerte dazu die Richterin (siehe Info). Die Richterin erklärte auch, dass der Angeklagte die gesamten Verfahrenskosten tragen müsse, falls es doch noch zu einem Ausgleich kommt. Der Anwalt der Nebenklage kündigte an, dass seine Seite auf ihre Verfahrenskosten-Ansprüche verzichten würde.

Angeklagter gibt Schläge mit Schlagstock zu

Daraufhin verließen der Angeklagte und sein Anwalt den Saal. Als sie kurz darauf zurückkamen, kam die große Überraschung: Der Angeklagte gab zu, den Nebenkläger mit seinem Schlagstock auf den Kopf geschlagen zu haben: "Es war nicht in Ordnung, ich weiß es war ein Fehler." Sein Anwalt beantragte daraufhin einen Täter-Opfer-Ausgleich. "Gut, dass sie es einräumen, das ist die Basis, auf der man es klären kann – das ehrt sie", lobte die Richterin die Entscheidung.

Mit dem Einverständnis der Staatsanwältin und der Nebenklage beschloss die Richterin daraufhin, dass das Verfahren für einen Täter-Opfer-Ausgleich vorläufig eingestellt werde. Doch sie warnte den Angeklagten: Falls der Ausgleich scheitere, weil er nicht mitwirke, gehe das Verfahren bis zum Ende weiter.

Täter-Opfer-Ausgleich

Der Ausgleich ist eine außergerichtliche Einigung, bei dem laut dem Bundesjustizministerium nicht nur eine materielle Schadenswiedergutmachung, sondern auch ein "ideeller Ausgleich" durch Verantwortungsübernahme geleistet wird. Dafür muss es aber durch Schuldübernahme einen Täter und ein Opfer geben. Ist das nicht der Fall, muss die Schuldfrage im Gericht geklärt werden.