Im Uhrenindustriemuseum werden Kurzvorträge zum Thema NS-Zwangsarbeit abgehalten. Foto: Schölzel

Die Vergangenheit Schwenningens zum Thema Zwangsarbeit unter der NS-Herrschaft ist Thema einer Initiative in Schwenningen. Jetzt soll die Öffentlichkeit mittels Kurzvorträgen für das Thema sensibilisiert werden. Dazu findet eine Veranstaltung im Uhrenindustriemuseum statt.

Am internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, dem 27. Januar, soll in Kurzbeiträgen die interessierte Öffentlichkeit für das Thema der NS-Zwangsarbeit in Schwenningen sensibilisiert werden.

Dabei handelt es sich um eine Veranstaltung der ehrenamtlichen Initiative zur Aufarbeitung der NS-Zwangsarbeit in Schwenningen. Diese möchte damit Menschen für die Mitarbeit an der Aufarbeitung der NS-Verbrechen gewinnen und auf die Bedeutung der Erinnerungsarbeit hinweisen. So heißt es in einer Pressemitteilung des Uhrenindustriemuseums. Bei der Veranstaltung seien Bürger demnach auch dazu aufgerufen, Kenntnisse, Wissen und Erinnerungen an Erzählungen beizutragen.

Spendenaufruf an ehemaligen Zwangsarbeiter als Start

Die Initiative gründete sich im vergangenen Jahr als Spendenaufruf an den ehemaligen Zwangsarbeiter Wolodomyr Shcherbina (verstorben in 2023), der als 17-jähriger Ukrainer in Schwenningen Zwangsarbeit leisten musste und im umkämpften Mikollajiw in der Ukraine lebte.

Entwickelt hat sich daraus das jetzige Ziel, das Thema wissenschaftlich weiterzuverfolgen und Netzwerke zu anderen Initiativen und Institutionen zu NS-Verbrechen und zu eventuellen Überlebenden und Nachfahren zu bilden. Konkret wird für das Jahr 2026 eine historische Ausstellung im Uhrenindustriemuseum und eine aufwendige Publikation zur Zwangsarbeit in Schwenningen vorbereitet.

Fast 26 Millionen Menschen wurden missbraucht

Seit den 90er-Jahren rückt das Thema Zwangsarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus zunehmend in den öffentlichen Erinnerungsdiskurs. Das NS-Regime baute von 1939 bis 1945 das größten Netzwerk für systematische Ausbeutung durch Arbeiten auf im ehemaligen Deutschen Reich und in den besetzen Gebieten auf.

Fast 26 Millionen Menschen wurden als ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge zur Arbeit missbraucht. Nicht nur, um wirtschaftlich davon zu profitieren, sondern auch als ein ideologisches Instrument zur Ausgrenzung und Unterdrückung sogenannter Minderwertiger. Bis heute finden sich weltweit in vielen Familienbiografien Bezüge zur Zwangsarbeit in der deutschen Industrie, Bauernhöfen, Kirchengemeinden und Privathaushalten.

Ukrainischer Historiker hält Vortrag

Die damalige, von der Weltwirtschaftskrise stark betroffene, Stadt Schwenningen profitierte von der zunehmenden Rüstungsentwicklung, welche die Schwenninger Uhrenindustrie mit der Produktion von Zündern für Bomben elementar unterstützte. In der Herstellung spielten Zwangsarbeiter eine tragende Rolle und führten zu einem wirtschaftlichen Aufschwung in Schwenningen, von dem die örtliche Industrie auch noch nach dem Krieg noch etwas hatte.

Bei der Veranstaltung wird neben Beiträgen von etwa Annemarie Conradt-Mach, Lisa Schank und Florian Kemmelmeier ein weiterer Gast zur Thematik referieren und aktuelle Bezüge der Erinnerungsarbeit aufzeigen.

Ukrainischer Historikerhält Vortrag

Valery Cherniavskij ist Historiker und stellvertretender wissenschaftlicher Leiter des Landeskundlichen Museums der Stadt Mykolajiv in der Südukraine. So forscht und publiziert er seit vielen Jahren zum Thema der NS-Zwangsarbeit – auch in der Uhrenindustrie – und lebt derzeit aufgrund des russisch-ukrainischen Kriegs mit seiner Familie in Villingen-Schwenningen.

Die Veranstaltung geht von 16 bis 18 Uhr. Abschließend sind alle Besucher zu einem Apéro eingeladen und es wird über das weitere Vorhaben der Initiative berichtet. Die Veranstaltung ist öffentlich und kostenlos. Eine Anmeldung ist nicht notwendig.