Computerspieler spielt das Ballerspiel "Counter-Strike" Foto: AP

Uni Hohenheim erforscht, welche Auswirkungen Computerspiele auf das soziale Verhalten haben.

Stuttgart - Fördern brutale Computerspiele Gewalt? Läuft jemand, der am Bildschirm mit der Maschinenpistole herumballert, später Amok? An der Uni Hohenheim wurde jetzt ein Spiellabor eröffnet, in dem untersucht wird, welche Auswirkungen Computerspiele auf das soziale Verhalten in der Gesellschaft haben.

Mit einer Maschinenpistole im Anschlag hastet die animierte Bildschirmfigur durch ein verwinkeltes Kellergewirr. Gesteuert wird sie von Jörg Eichentopf. Mittels der Tastatur manövriert der Student der Kommunikationswissenschaften mit schnellen Fingern seine Figur durch das Labyrinth. Sobald hinter einer Ecke ein Gegner auftaucht, schießt er ihn über den Haufen. Gesteuert wird der Gegner, ein Terrorist, der eine Bombe legen will, von Michael Wendt. Auch er ist Student und sitzt im Rücken seines Kommilitonen an einem anderen Bildschirm.

Analyse menschlicher Verhaltensweisen

Am Ende steht es 37:31. Jörg Eichentopf ist zufrieden. Aber auch Michael Wendt lächelt. "Ich gehe jetzt nicht raus und laufe Amok", versichert er glaubhaft. Alles sei nur ein Spiel. "Eigentlich ist das nichts anderes als Räuber und Gendarm am Bildschirm", sagt Wendt.

Wie ernst oder wie locker die beiden Studenten ihr Counter-Strike-Duell tatsächlich genommen haben, lässt sich im Überwachungsraum des neuen Spiellabors beobachten. Hier können an bis zu vier Bildschirmplätzen zeitgleich physiologische Werte der Kontrahenten wie Puls und Hautwiderstand aufgezeichnet werden. Eine Kamera erkennt automatisch, wann sich in welchem Gesicht Freude, Trauer, Wut, Hass, Überraschung oder Ekel widerspiegeln.

Über Gelegenheitsspieler kaum etwas bekannt

Im Labor werden unter kontrollierten Bedingungen menschliche Verhaltensweisen analysiert. "Möglicherweise steigt das Aggressionspotenzial nicht durch das Spiel, sondern weil der Mitspieler zu schlecht ist", sagt Professor Thorsten Quandt.

Der 39-jährige Kommunikationswissenschaftler, der für das Labor und eine auf fünf Jahre angelegte Studie 1,84 Millionen Euro vom Europäischen Forschungsrat erhalten hat, will bei seiner Forschung ausgetretene Pfade verlassen. "Wir wollen nicht erfahren, was das Spiel mit dem Spieler macht, sondern wie der Mensch das Spiel nutzt", sagt Quandt. Dabei ist er sich bewusst, "dass Forscher, die nicht beweisen, dass Counter-Strike zu Amokläufen führt, schnell in den Verdacht geraten, von der Spiele-Industrie bestochen zu sein". Deshalb sei er extrem vorsichtig. "Wir nehmen von dieser Seite kein Forschungsgeld an."

Über Gelegenheitsspieler kaum etwas bekannt

Quandt glaubt, dass sich im Lichte aktueller und künftiger Forschung die Öffentlichkeit beim Thema Computerspiele wohl von einigen Klischees verabschieden muss. Als Beispiel nennt er das Bild der Spielers als isolierter Einzelgänger. "Online-Spiele lassen sich nur in der Gruppe erfolgreich spielen", sagt Quandt, "man ist auf die Interaktion mit realen Menschen angewiesen."

Bisher, so Quandt, habe sich die Forschung auf die kleine Gruppe der Hardcore-Spieler konzentriert. "Dabei sind nur drei bis sechs Prozent exzessive Nutzer", sagt Quandt. Nun aber, da Computerspiele ein Massenphänomen geworden sind, müsse man erkennen, dass über Gelegenheitsspieler, über Frauen und Ältere kaum etwas bekannt sei. Dabei seien Computerspiele wie World of Warcraft, Fußball oder Luftgitarre längst Teil der Familienunterhaltung und des Partyvergnügens geworden.

Für Computerspiele in der Gruppe ist im neuen Labor extra ein Wohnzimmer eingerichtet. Die Reaktionen mehrerer Spieler lassen sich dort mit einer Raumüberwachungskamera und Hochleistungsmikrofonen beobachten. Damit der Spielespaß auch wirklich funktioniert, wurde sogar ein bequemes rotes Sofa angeschafft. "Es war nicht so einfach, die Beschaffungsstelle der Uni von dieser Farbe zu überzeugen", sagt Quandt.