Foto: Umweltzentrum

Erholungssuchende treibt es in die Natur. Forscher sehen Ausflüge mit großer Sorge.

In Ruhe und abseits der Besuchermassen die Natur genießen - vielen ist das derzeit ein besonderes Bedürfnis. Doch das Schwenninger Umweltzentrum warnt vor den Gefahren, die durch solche Ausflüge für Wildtiere entstehen können.

Villingen-Schwenningen - Geschlossene Freizeiteinrichtungen, eingeschränkte Begegnungsmöglichkeiten, kaum Chancen für Urlaubsreisen: Es ist verständlich, dass die Menschen andere Betätigungsmöglichkeiten suchen, um etwas Schönes in ihrer Freizeit zu erleben. Viele Familien suchen daher fernab von Menschenströmen Freude und Erholung in der freien Natur. Die aktuelle, selten gewordene Schneekulisse und schönes Wetter vergrößern den Naturgenuss dabei noch. Mit großer Sorge beobachten nicht nur die Fachleute des Umweltzentrums und die Naturschutzbehörden diese Entwicklung.

Gibt es im dicht besiedelten Baden-Württemberg auch zu normalen Zeiten nur noch verhältnismäßig wenig Rückzugsmöglichkeiten für Wildtiere, stellen die Schutzgebietsbetreuer in diesem Winter fest, dass selbst in entlegenen Lagen viele Erholungssuchende unterwegs sind. Vermehrt auch abseits der ausgewiesenen Wege, was angesichts der notwendigen Abstandsregeln zunächst verständlich erscheint.

Stoffwechsel wird im Winter zurückgefahren

Das Umweltzentrum Schwarzwald-Baar-Neckar informiert über die von den Verursachern ungewollten Folgen der verstärkten Frequentierung der Rückzugsgebiete. Das Problem: Für die Wildtiere unberechenbare Störungen abseits der Wege. In den vergangenen Jahren haben die Naturschutzbehörden in enger Abstimmung mit Nutzerverbänden und Gemeinden ein funktionierendes Konzept zur Besucherlenkung entwickelt und umgesetzt. Diese Besucherlenkung ermöglicht dem Naturbesucher Erlebnisse und Erholung in der Natur und wird gleichzeitig der winterlichen Ruhebedürftigkeit der Wildtiere gerecht. Wildtiere gewöhnen sich gut an berechenbare Menschen, die immer denselben Weg nutzen und so nur lineare Störungen verursachen.

Auf plötzlich auftauchende Menschen abseits dieser für das Wild berechenbaren Linien reagieren die Tiere jedoch mit kräftezehrender Flucht. Noch schlimmer als die Flucht ist für die Wildtiere, dass sie ständig fluchtbereit bleiben müssen und damit nicht ihre natürliche Anpassung an den winterlichen Nahrungsengpass nutzen können: Vor allem Pflanzenfresser wie Rehe und Hirsche, aber auch das vom Aussterben bedrohte Auerhuhn fahren Stoffwechsel und Aktivität im Winter stark zurück. Sie bewegen sich möglichst wenig und fahren die Körpertemperatur weit herunter, bis nur noch die inneren Organe warm gehalten werden.

Dieses, von Forschern "unechter Winterschlaf" genannte Verhalten ermöglicht es den Wildtieren, ohne großen Energieaufwand durch die nahrungsknappe Jahreszeit zu kommen. Da dabei auch die Muskulatur auskühlt, ist eine Flucht kaum möglich. Daher können Wildtiere diesen natürlichen Energiesparmodus nur nutzen, wenn sie sich sicher fühlen. Störungen abseits der Wege verursachen also nicht nur während der akuten Störung sondern dauerhaft einen erheblichen Energieaufwand beim Wild. Angesichts des geringeren Nahrungsangebotes im Winter kann dieser kaum ausgeglichen werden.

Auerhuhn ist besonders gefährdet

Besonders gefährdet ist das Auerhuhn. Denn um auch im Winter flugfähig zu bleiben, kann der schwere Vogel nur geringe Fettreserven anlegen. Im Winter stehen den seltenen und scheuen Vögeln nur energiearme Fichten- und Kiefernnadeln zur Verfügung. Ohne Störungen verbringen Auerhühner schneereiche Zeiträume oft in selbst gegrabenen Schneelöchern oder gar -höhlen, die tagelang nicht verlassen werden. Jede mit Flucht beantwortete Störung senkt die Energiereserven, sodass öfters gestörte Vögel das rettende Frühjahr nicht mehr erleben.

"Bei allem Verständnis für den Wunsch nach unbeschwertem Naturgenuss: Wer auch in Zukunft noch unberührte Natur und ihre Bewohner erleben möchte, sollte bei seinen Aktivitäten in der Natur immer auch die Bedürfnisse unserer wildlebenden Tiere im Auge behalten und auf Besuche der Rückzugsgebiete unserer Wildtiere abseits der Wege verzichten", mahnt das Umweltzentrum.