Babynahrung, Windeln, Tee, Medikamente und andere Hilfsgüter sammelt Olga Bornfleth (rechts) in ihrem Stützpunkt für die Ukraine-Hilfe. Jetzt werden noch Kartons gebraucht. Gabriela Bottka hilft beim Sortieren und Packen. Foto: Zelenjuk

Angst, Wut, Entsetzen, Hilflosigkeit und Entschlossenheit zu helfen – eine wahre Achterbahn der Gefühle hat Olga Bornfleth in den vergangenen Tagen erlebt. Sie kommt aus der Ukraine, wo immer noch ihre ganze Verwandtschaft und sehr viele Freunde leben.

Rottweil - Erst vor wenigen Monaten hat Olga Bornfleth ihre Tortenmanufaktur in der Hochmaiengasse 14 in Rottweil eröffnet. Bunte Luftballons, viel Glitzer und herzliches Lachen: Mittlerweile erscheint das alles für sie surreal. Es sind Bilder aus einer anderen Welt.

Seit Montag stapeln sich in den Räumlichkeiten Kartons mit Medikamenten, Erste-Hilfe-Sets, Babynahrung, warmen Decken und Taschenlampen. Humanitäre Hilfe ist für die Ukraine gedacht. Von 14 bis 16 Uhr täglich nimmt Bornfleth sie an – und ist von der Hilfsbereitschaft der Rottweiler überwältigt.

Grausame Bilder und Videos

Immer wieder kommen ihr die Tränen. Sie denkt an die schrecklichen Bilder und Videos aus der Heimat zurück, die ihr ihre Verwandte und Freunde schicken. Sie sind grausam – doch gleichzeitig bedeuten sie, dass ihre Liebsten am Leben sind. "Wenn ich lange nichts mehr von ihnen bekomme, habe ich Angst", sagt Bornfleth.

Diese Angst ist fast physisch spürbar, sie füllt den Raum aus. Die zierliche Olga – vor Wochen noch optimistisch und energiegeladen, jetzt nur noch ein Schatten ihrer selbst – fasst ihren ganzen Mut zusammen, um zu helfen. "Jetzt, da ich etwas tun kann, geht es mir etwas besser", gibt sie zu.

Der Donnerstag sei der schlimmste Tag in ihrem Leben überhaupt gewesen, sagt sie. "Das ist nicht übertrieben. Ich bin in den letzten Tagen um Jahre gealtert, seelisch und physisch", beschreibt Bornfleth. Oft habe sie vom Krieg gehört, von zerbombten Häusern und von Menschen, die fliehen mussten, zum Beispiel aus Syrien. "Ich hatte immer Mitgefühl mit ihnen, ich habe mir vorgestellt, wie schlimm es sein soll. Aber es ist kein Vergleich zu dem, wenn es dich betrifft. Dir ist auf einmal alles andere total egal – wie du aussiehst, wie viel Geld du hast, ob du etwas gegessen hast. Du willst nur, dass deine Familie lebt", sagt Bornfleth.

"Ich schäme mich, in Sicherheit zu sein"

Ihre Eltern, ihr Bruder, Cousinen und Cousins, Kindheitsfreunde, ehemalige Schulkameraden – sie alle leben in unterschiedlichen Städten und Dörfern in der Ukraine. Alle sind unterschiedlich betroffen. "Wir haben mit meinem Mann seit Donnerstag praktisch nur abwechselnd geschlafen, halb im Sitzen mit Handys in den Händen – um immer Kontakt zu halten", schildert sie.

Ihre Cousine habe in Kyjiw lange Zeit mit kleinen Kindern im Keller gesessen. "Sie konnten fliehen, aber nicht bis zur Grenze. Jetzt sitzen sie wieder in der Falle – ohne Heizung, und auch das Wasser geht aus", berichtet sie. Einen Zettel mit Bornfleths Kontaktdaten tragen die Kinder in der Tasche – für den Fall, wenn ihre Mutter nicht mehr da ist. "Das ist so nah, das ist so furchtbar. Ich schäme mich, dass ich hier in Sicherheit bin und nichts machen kann. Ich kann sie nicht hierherholen", sagt sie.

Lastwagen fahren direkt in die Ukraine

"Nichts tun war unerträglich." Deshalb hat sich Bornfleth im Internet auf die Suche nach Hilfsangeboten und -aktionen gemacht, mit denen sie sich kurzschließen könnte. Gesagt, getan: Seit Montag sammelt sie in ihrem Stützpunkt humanitäre Hilfe, die direkt in die Ukraine gehen soll. Die gesammelten Decken, Zelte, Isomatten, Rucksäcke, warme Socken, Taschenlampen, Kerzen, Babynahrung und Medikamente werden mit Lastwagen von Rottweil aus an die Grenze gebracht – und von dort über den grünen Korridor ins Land.

"Es gibt viele Gruppen, die Menschen haben sich extrem gut organisiert", sagt sie. Auch in Rottweil ist die Spendenbereitschaft sehr groß. Viele bedanken sich für die Möglichkeit, die Ukrainer zu unterstützen. Einige bieten ihre Hilfe an – beim Packen, Sortieren oder Fahren. Was jetzt außer den Hilfsgütern noch gebraucht wird, sind Kartons. Der Stützpunkt in der Hochmaiengasse 14 ist täglich von 14 bis 16 Uhr geöffnet.

Angenommen werden: Medikamente (Ibuprofen, Paracetamol, Analgetika, Antipyretika, Durchfallmedikamente, Nurofen, Hämostatika), elastische Bandagen, Tropfer, Katheter, Alkoholtücher, Gaze, Gazetücher, Hust- und Bronchialtee, Windeln, Taschenlampen, Batterien, Decken, Kerzen, Erste-Hilfe-Sets, Babynahrung, Isomatten, Schlafsäcke, Zelte, Tragen und leere Säcke (für Sand). Weitere Info gibt es unter Telefon 0151/ 42 42 63 14.