Weltkulturerbe überschwemmt: Der Buddha liegt in Ayutthaya im Wasser. Foto: EPA

In der thailändischen Hauptstadt Bangkok wächst die Angst vor Überschwemmungen.

Bangkok - Die Überschwemmungen in Thailand haben bislang 283 Menschenleben gefordert, an diesem Freitag wird die Flut Bangkok erreichen. Die Menschen in der Hauptstadt bereiten sich auf das Schlimmste vor. Überall entstehen Gräben und Wälle. Ob das reicht, wird sich zeigen.

Der Frau steht das Wasser bis zum Hals. Sie ist in die braunen Fluten des Chao Praya gestiegen - und wäscht sich. Seelenruhig, während einige Meter weiter, wo die Brückenpfeiler keinen Schutz mehr bieten, der Strom reißend wird. Der Fluss führt Hochwasser, er ist auch hier, am östlichen Ufer unweit der Khao San Road, schon über die Sandsäcke geschwappt und auf die Straße gelaufen. Immer noch verkehren Boote auf dem Wasser, in Deutschland wäre der Fluss längst gesperrt. Die Menschen in der Millionen-Metropole Bangkok sind an Überschwemmungen gewöhnt. Jedes Jahr kommt es während der Regenzeit auch in der thailändischen Hauptstadt zu mehr oder minder schweren Überflutungen.

Im Atlanta-Hotel an der zentral gelegenen Sukhumvit Road blickt eine ältere Hotelangestellte auf die Bilder von den überfluteten Städten im Norden. Was denkt sie, wird es jetzt schlimm, hat sie Angst? Sie beantwortet die Frage mit dem typischen ausweichenden Lächeln der Thais. "Ich bin traurig", sagt sie und zeigt auf die Fotos in der Zeitung. "Mein Bruder lebt dort in Ayutthaya." Doch dem Bruder gehe es gut, sein Haus sei nicht so stark betroffen.

Hamsterkäufe in Bangkok

Sie sind daran gewöhnt - aber dieses Jahr ist alles schlimmer als sonst. Es ist die Rede von der schlimmsten Flut seit 50 Jahren. Das Wasser hat in vielen Provinzen, wie jetzt auch im 70 Kilometer von Bangkok entfernten Ayutthaya, das wegen seiner Altstadt aus dem 14. Jahrhundert weltberühmt ist, immense Verwüstungen angerichtet. 283 Menschen kamen bisher ums Leben. Laut Zeitungsberichten sollen mehr als zwei Millionen Menschen von der Flut betroffen sein. Die materiellen und wirtschaftlichen Schäden können nur geschätzt werden: Staatliche Quellen sprechen von über zwei Milliarden Euro. In diese Rechnungen ist Bangkok noch nicht einbezogen. Im Großraum der Stadt leben über zwölf Millionen Menschen. Die Ausmaße der Überschwemmungen könnten sich hier am Golf von Thailand potenzieren, da das Wasser, das aus dem Norden heranrollt, mit dem Höchststand der Meeresflut zusammentreffen wird. Wenn dann noch weitere Regenfälle dazukommen, muss Bangkok ab diesem Freitag mit dem Schlimmsten rechnen.

Aber wie schlimm es wird, das kann oder will keiner so recht voraussagen. Die Behörden, von Landes- bis Provinzregierung, widersprechen sich in ihren Einschätzungen und in der Bewertung der getroffenen Schutzmaßnahmen. Die Bangkok Post veröffentlichte am Donnerstag eine Grafik, die Bangkok in drei unterschiedliche Risikozonen einteilt. Demnach sollen besonders die äußeren Stadtgebiete im Westen, Norden und Osten betroffen sein. Der Text der Grafik spricht dort, in Risikozone "Level 3", von Überflutungen von bis zu zwei Meter Höhe. Die Regierung hat die Bewohner der gefährdeten Gebiete aufgefordert, ihre Habe und sich selbst möglichst schnell in Sicherheit zu bringen. Und so ziehen die Menschen beladen mit Fernsehern und Rucksäcken durch die Straßen.

Angst in den Slums

 Miriam Velasco, eine Studentin aus Freiburg, die ein Praktikum bei der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, macht und nicht weit vom Fluss wohnt, hat sich im Supermarkt schon mit Vorräten eingedeckt - und erlebt, wie auch die sonst scheinbar nicht aus der Ruhe zu bringenden Thais regelrechte Hamsterkäufe tätigten. "Die sind teilweise an die Regale gegangen und haben mit einer Armbewegung einfach alles in den Einkaufswagen gerafft", berichtet sie.

In dem Viertel, in dem Miriam wohnt, sind viele Ladenbesitzer dabei, mit Mörtel und Kelle kleine Mäuerchen aus Ziegelsteinen auf den Gehwegen um ihre Geschäfte zu ziehen, zwischen 30 und 40 Zentimeter hoch. Es sind kleine, zerbrechlich aussehende Bauwerke, die kaum große Wassermassen abhalten dürften. Der Inhaber eines kleinen Cafés schaut sich das in aller Ruhe bei seinem Nachbarn an, er selbst will keine Mauer bauen. "Ich habe morgen meinen freien Tag", sagt er und lächelt fröhlich, als plane er einen Sonntagsausflug. "Da werde ich das Wichtigste aus dem Café abbauen und in mein Haus in Sicherheit bringen."

Letzte Vorbereitungen vor der Flut

Damit ist er in einer privilegierten Lage, denn viele Menschen haben keinen Ort, an dem sie das Ende der Flut in Sicherheit abwarten können. Es sind vor allem die Bewohner der Slums, die Armen, die oft entlang der Klongs wohnen, der unzähligen Kanäle, die Bangkok durchziehen. Die kleinen, aus Holz und Wellblech gezimmerten Hütten, die sich dort an den Ufern drängen, werden einer Flut keine Sekunde standhalten.

Die Regierung um die vor wenigen Wochen ins Amt gewählte Premierministerin Yingluck Shinwatra demonstriert derweil Tatkraft. Mit Wällen, die nach offiziellen Angaben aus über 1,5 Millionen Sandsäcken aufgeschichtet wurden, soll das Wasser vom Stadtzentrum und vom Flughafen Suvarnabhumi ferngehalten werden. In Schulen, Universitäten und anderen öffentlichen Gebäuden werden Notlager eingerichtet. Indes klingen die schwammigen Aussagen, mit denen die Bangkok Post am Donnerstag den Gouverneur der Region, Sukhumbhand Paribatra, zitierte, wenig beruhigend: "Wenn das Wasser weiter steigt, bin ich nicht sicher, ob der Schutzwall Überflutungen verhindern kann. Alle Teile von Bangkok sind in Gefahr, überflutet zu werden, weil wir nicht voraussagen können, wohin das Wasser fließt. Im Moment ist alles unter Kontrolle. Wenn wir die Lage nicht mehr kontrollieren können, werden wir das die Menschen sofort wissen lassen."