Die Fans von Union Berlin werden ihr Team an der Alten Försterei auch gegen Royale Union Foto: dpa/Andreas Gora

Der 1. FC Union Berlin begeistert weiterhin Fans in ganz Europa. Wenn die Eisernen am Donnerstag (18.45 Uhr) den belgischen Meister Saint-Gilloise zum Achtelfinal-Hinspiel in der Europa League empfangen, treffen sie sozusagen auf ihr belgisches Pendant.

„Unsere Liebe. Unsere Mannschaft. Unser Stolz. Unser Verein.“ Minutenlang wiederholen die Fans von Union Berlin am Samstagnachmittag ihr Mantra nach dem Heimspiel gegen den 1. FC Köln. Die Mannschaft lässt sich feiern, die Stimmung ist ausgelassen. Man könnte meinen, dass im Stadion An der Alten Försterei gerade ein Kantersieg bejubelt wird – und nicht ein 0:0 gegen den Tabellenzwölften.

Seit dem Aufstieg geht es steil nach oben

Den Union-Fans war das an diesem Nachmittag, wie so oft, völlig egal. Sie feierten sich, ihr Team und die fantastische Saison der Eisernen. Der Traum von der Meisterschaft war wohl seit jeher utopisch und ist seit dem 0:3 in München und den torlosen Unentschieden gegen Schalke und Köln in weite Ferne gerückt. Doch die Unioner belegen weiterhin Rang 3 der Bundesliga-Tabelle – mittendrin im Kampf um das europäische Geschäft.

Erst 2009 waren die Köpenicker überhaupt in die 2. Bundesliga aufgestiegen, zehn Jahre später folgte der in die Erstklassigkeit – erstmals seit der Wiedervereinigung. Von Platz 11 in der ersten Bundesliga-Saison ging es 2020/21 auf den siebten Rang, ein Jahr später wurde man sogar Fünfter. Und jetzt ist das Team von Cheftrainer Urs Fischer erster Verfolger der Bayern und des BVB – und steht nach einem Triumph über Ajax Amsterdam im Achtelfinale der Europa League.

Viele Gemeinsamkeiten

Dort wartet nun die Royale Union Saint-Gilloise, ein kleiner Verein aus einem Viertel Brüssels – in vielerlei Hinsicht eine belgische Version von Union Berlin. Erst 2021 stieg RUSG nach einer fast 50-jährigen Abstinenz ins belgische Oberhaus auf – und wurde sofort Erster der Hauptrunde, vor den großen Klubs aus Brügge und Anderlecht (In den Play-offs zur Meisterschaft wurde man dann Zweiter.). Auch in dieser Saison ist Saint-Gilloise als Tabellenzweiter hinter der KAA Gent bislang die Nummer 1 in der belgischen Hauptstadt – so wie die Eisernen in Berlin.

Wie auch in Köpenick dreht sich für viele Menschen in der Brüsseler Gemeinde Saint-Gilles/Sint-Gillis alles um ihren Verein. Bodenständigkeit und Leidenschaft machen den Charme des Stadtteil-Klubs aus. Aufstiegstrainer Felipe Mazzù sagte einst: „Hier riecht es nach Gras, Hamburgern und Fritten.“

Er hätte ebenso über das Stadion An der Alten Försterei sprechen können, wo man als ankommender Zuschauer auf dem Weg zur Tribüne von Imbissbuden und Holzbänken begrüßt wird. Das altehrwürdige Wohnzimmer der Unioner ist wie der Verein selbst: alles andere als glamourös, aber voller Leidenschaft.

Beständigkeit und gutes Management

Umso beeindruckender ist der steile Aufstieg, den die Eisernen in den vergangenen Jahren erlebt haben. Die Erfolgsgeschichte zeugt insbesondere von gutem Management und richtigen Entscheidungen. Die 50+1-Regel, die Mentalität und Kultur rund um den Fußball in Deutschland – der Weg zum Erfolg für Klubs wie Union oder den SC Freiburg führt nur über Beständigkeit und jahrelange Cleverness. Unter diesen Umständen sind die Entwicklung der eigenen Spieler und die Suche nach günstigen Neuzugängen umso wichtiger.

Neun Spieler zum Preis von zwei

Neun der 16 Spieler, die im Rückspiel gegen Ajax Amsterdam eingesetzt wurden, sind Neuzugänge aus dieser Saison. 24,65 Millionen Euro gab man für diese neun Akteure aus – fast eine Million weniger, als allein die Verkäufe von Taiwo Awoniyi nach Nottingham und Julian Ryerson nach Dortmund einbrachten. Gutes Scouting, gezielte Verstärkungen für möglichst wenig Geld – diese Strategie verfolgt auch Saint-Gilloise. Die Royale Union holte beispielsweise den deutschen Stürmer Deniz Undav im Sommer 2020 ablösefrei vom SV Meppen in die belgische Hauptstadt und verkaufte ihn eineinhalb Jahre später für stattliche sieben Millionen Euro an den englischen Klub Brighton & Hove Albion.

Einzige Heimniederlage

Wie das Duell der Gleichgesinnten diesmal ausgeht, wird sich am Donnerstagabend zeigen. In der Gruppenphase besiegten die Berliner die Royale Union auswärts mit 1:0, verloren allerdings auch ihr Heimspiel mit 0:1. Saint-Gilloise ist wettbewerbsübergreifend bis heute das einzige Team, das die Eisernen in der laufenden Saison an der Alten Försterei bezwingen konnte. Wenn es nach Urs Fischer und seiner Mannschaft geht, soll sich das natürlich nicht wiederholen.

Der Einzug ins Viertelfinale der Europa League wäre für Union Berlin das nächste Kapitel eines bemerkenswerten Fußballmärchens. Die Weichen dafür wollen die Eisernen möglichst bereits im Hinspiel stellen. Doch ganz egal, wie das Spiel ausgehen wird, eines ist sicher: Auch am Donnerstagabend wird es wieder durch das Stadion An der Alten Försterei hallen: „Unsere Liebe. Unsere Mannschaft. Unser Stolz. Unser Verein.“