Baumgutachter Harald Jetter (links) erklärt Bürgermeister Wolfgang Hermann und den Mitgliedern des technischen Ausschusses, wie es mit der Linde in der Klosterstraße aussieht. Foto: Kapitel-Stietzel

Die geschätzt um die 132 Jahre alte Linde in der Hausacher Klosterstraße kommt weg: Das beschloss der technische Ausschuss bei seiner Sitzung am Mittwoch. Zuvor hatte ein Gutachter bei einer Besichtigung erklärt, dass der Baum nicht zu retten ist.

Eine kurze Distanz von der Kapelle Sankt Sixt entfernt steht sie: die alte Linde in der Klosterstraße, die vielen Hausachern bekannt sein dürfte. Kein Wunder: Immerhin steht sie dort schon seit dem Jahr 1871, schätzt der Baumgutachter Harald Jetter von der Firma Pfefferer Baumkultur: „Eine klassische Friedenslinde“, wie sie kurz nach dem Deutsch-Französischen Krieg gepflanzt wurden. Doch die Linde stirbt: Der Baum sei zu 70 Prozent „vernichtet“ – bereits ab 50 Prozent spreche man bei Bäumen von einem Totalschaden, erklärt Jetter bei der Besichtigung des Baums durch den technischen Ausschuss, Selbst wenn man die Ursache für das Sterben des Baumes herausfinden würde, ändere das „nichts an dem was vor uns liegt: Der Baum wird sterben“.

Risiko für Passanten durch herabstürzende Äste

Es gebe nur zwei Optionen: Den Baum „sicherschneiden“ bis keine Äste, sondern nur noch ein Stamm stehen würde – er würde dann als Habitatbaum zum Beispiel für Insekten erhalten bleiben. Doch auch wenn ein Baum umso ökologisch wertvoller werde je älter er sei, würde „im wesentlichen kein Baum mehr“ dastehen.

Die andere Option bringt Jetter kurz und knapp auf den Punkt: „Kein Baum, keine Gefahr“. Denn die Linde ist inzwischen zum Risikofaktor geworden: Immer wieder kracht Totholz rings um den Baum auf den Boden. Wie gefährlich das werden kann, zeigt die Besitzerin des Baums, Brigitte Sum-Hermann, unserer Redaktion: Vor kurzem ist in ihrem Garten ein großer Ast auf eine ihrer Blechwannen gestürzt und hat eine große Delle ins Metall gerissen. Einige Meter entfernt liegt ein dickes, knapp ein Meter langes Aststück, das nach dem Vorfall ebenfalls in ihrem Garten gelandet ist. Bauamtsleiter Hermann-Josef Keller gibt bei der Besichtigung zusätzlich zu bedenken, dass oft Kinder auf ihrem Schulweg unter dem Baum hindurchgehen würden. Und falls etwas passieren würde, merken sowohl Jetter als auch der Hausacher Bürgermeister Wolfgang Hermann an, würde die Stadt das Haftungsrisiko tragen.

Wie gefährlich herabfallendes Totholz sein kann, zeigt die Delle, die ein Aststück in eine Blechwanne nahe der Linde gerissen hat. Foto: Kapitel-Stietzel

„Ein Baum, den man nicht mehr als Baum halten kann, ist kein Baum mehr“, erklärt der Bürgermeister: Man habe es bisher in Hausach so gehalten, dass ein Baum eine gewisse Lebenserwartung habe und danach komme eine Nachpflanzung: „Wir haben so viel Totholz, mehr als wir wollen“. Daraufhin bestätigt Jetter, dass der Baum, wenn man ihn stehen lassen würde, nur noch ein reiner Habitatträger aus Totholz wäre.

Keiner der bei der Besichtigung anwesenden Aussschussmitglieder und Anwohner widerspricht, als sich der Konsens bildet, dass der Baum entfernt werden muss. „Ich gebe ihn schweren Herzens her – es ist unser Familienbaum“, erklärt Sum-Hermann. Sie fügt hinzu, dass bei einer Neupflanzung auch weiter gerne Leute ihr Grundstück am Baum nutzen dürfen, solange sie keinen Müll machen würden.

Konsens unter den Ausschussmitgliedern

Nach der Besichtigung der Linde versammelt sich der technische Ausschuss dann zu seiner regulären Sitzung im Rathaus. „Wir versuchen jeden Baum zu halten, insbesondere die historischen“, erklärt Bürgermeister Hermann direkt zu Beginn. Doch wie der Gutachter als Experte bereits gesagt habe, würde die Linde, wenn man sie erhalten würde, weder als Schatten- noch als CO₂-Spender fungieren und sei nur noch Totholz. Er selbst spricht sich für eine adäquate Nachbepflanzung mit einer geeigneten Lindenart aus.

Schnell wird deutlich, dass das auch der Konsens bei den Gremienmitgliederin ist: Der Ausschuss stimmt einstimmig für den Beschluss, die Linde in der Klosterstraße zu entfernen und eine adäquate Lindenart nachzupflanzen, die vom Fachmann vorgeschlagen wird. Der Bürgermeister zieht ein positives Fazit: „Auch wenn man noch eine Träne vergießt, die Gefährdung kommt weg“. Auch Norbert Hermann, der Ehemann der Besitzerin der alten Linde, der als Zuschauer im Rathaussaal sitzt befürwortet die Entscheidung: „Es ist eine gute Lösung“.

Info: Totholz

Der Begriff Totholz bezeichnet in der Ökologie abgestorbene Bäume oder deren Teile. Unterschieden wird dabei zwischen stehendem Totholz – abgestorbene Bäume die noch stehen – und liegendem Totholz, das bereits umgestürzt ist. Stehendes Totholz ist seltener, aber als Biotop für Tiere – wie zahlreiche Insektenarten – besser geeignet.