Caroline Rosales (rechts) mit Laura Tonke, der Hauptdarstellerin ihrer Serie „Sexuell verfügbar“ Foto: Majestic Film/Copyright © Lina Grün

Caroline Rosales hat aus ihrem feministischen Erinnerungsbuch „Sexuell verfügbar“ eine TV-Serie gemacht, die nun am Weltfrauentag in der ARD-Mediathek startet. Und da spielt ein Umschnall-Dildo eine große Rolle.

Die Comedyserie „Sexuell verfügbar“ erzählt von der alleinerziehenden Miki, der vorgeworfen wird, einen Mann vergewaltigt zu haben. Autorin Caroline Rosales hat sich die Serie ausgedacht, die auf ihrem gleichnamigen Sachbuch beruht.

 

Frau Rosales, was verstehen Sie unter sexueller Verfügbarkeit?

Bei der sexuellen Verfügbarkeit geht es um die Ambivalenz zwischen der Schwierigkeit und der Leichtigkeit, eine Frau zu sein in dieser Gesellschaft. Du wirst als Mädchen geboren, hast irgendwann deinen ersten Freund, den ersten Sex, lernst, eine gute Arbeitnehmerin zu sein, gehst mit deinem Chef essen, hast was mit deinem Chef, wirst Mutter. Solange du sexuell verfügbar bist, solange du gebärfähig bist, bist du für die Gesellschaft interessant. Und wenn du 50 bist, dann nimmt das Interesse an dir ab, weil dann bist du auch nicht mehr so hot für die Werbung, die Gesellschaft, die Männer, das Patriarchat. Und weil du erzogen wurdest, brav und serviceorientiert zu sein, verlernt du, Nein zu sagen, passt dich dem System an, weil du sonst keine gute Mutter, keine gute Arbeitnehmerin – keine gute Frau bist.

Ihr Buch mit dem Titel „Sexuell verfügbar“ erschien im Jahr 2019. Damals gab es schon die #Metoo-Bewegung. Hat sich seither viel verändert?

Ich finde: Nein. Überhaupt nicht. Was die Skandale angeht, sitzt Weinstein jetzt zwar für viele Jahre im Knast, und Dieter Wedel lebt nicht mehr. Aber ich fand zum Beispiel die Aufarbeitung des Springer-Skandals erschütternd, die hat aus meiner Sicht kaum etwas gebracht, weil eine wirkliche Aufarbeitung gar nicht stattfand. Das ist nur Augenwischerei. Und ein noch krasseres Beispiel ist dieser Rammstein-Skandal im Sommer 2023. Da geht es um den Vorwurf unzähliger Vergewaltigungen. Und am Ende kündigt diese Band ohne Worte ihre nächste Europatour an. Da siehst du einfach, dass das überhaupt nichts gebracht und sich die Gesellschaft keinen Zentimeter bewegt hat, weil sie immer noch Frauen nicht als Betroffene anerkennt. Unser Zivilrecht ist überhaupt nicht für solche Fälle gemacht.

Laura Tonke in „Sexuell verfügbar“ Foto: ARD Degeto/Frederic Kern

Wie meinen Sie das?

Anders als im US-amerikanischen Zivilrecht hat in der deutschen Justiz das Opfer die Beweislast. In Amerika haben sowohl der Täter als auch das Opfer die Beweislast, deswegen ist das Zivilrecht dort viel ausgewogener als hier. Solange hier keine juristischen Reformen stattfinden, wird uns Frauen und auch unseren Töchtern gespiegelt: Keiner wird euch zuhören, keiner wird euch glauben, und es wird auch nie jemand vor Gericht stehen wegen euch.

In der Serienfassung von „Sexuell verfügbar“ erzählen Sie nun aber von einer Frau, die vor Gericht steht, weil sie einen Mann mit einem Umschnalldildo vergewaltigt haben soll.

Ja, sie kommt vor Gericht – und sie wird freigesprochen. Die üblichen Geschlechter von Täter und Opfer sind vertauscht.

Szene aus „Sexuell verfügbar“ Foto: Majestic/Copyright © Lina grün

Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Viele Feministinnen haben ja schon darüber geschrieben, wie wäre es wohl, wenn ich einen Schwanz hätte? Was wäre, wenn ich mich jetzt maskuliner positionieren, mich männlicher geben würde? Wenn du als Frau auf dem Gehweg unterwegs bist, weichst du ja immer automatisch aus. Das Problem ist, dass man als Frau eigentlich immer ausweicht. Das macht man halt so. Und mir ging es einfach um dieses Gefühl: Heute weiche ich nicht aus! Und eine Steigerung davon ist, dass man als Frau dann plötzlich einen Pimmel hat – auch wenn er nur aus Gummi ist.

Laura Tonke ist, finde ich, großartig in der Rolle der Miki, die ganz selbstverständlich mit einem umgeschnallten Strap-on durch die Straßen läuft.

Ich habe die Rolle tatsächlich für Laura geschrieben. Ich hatte mit ihr schon Videos für eines meiner Bücher gemacht und habe mit ihr zusammen aus meinem Buch „Single Mom“ gelesen. Für mich war sie immer schon die perfekte, die absolute Frau: Sie ist lustig und sexy und wild und kumpelhaft, und sie kann alles sein. Und ich hatte das Gefühl, Miki ist so eine 360-Grad-Rolle, das kann nur Laura. Ich hätte gar nicht gewusst, was ich ohne Laura machen soll.

Männliche Produzenten hätten die weibliche Hauptfigur in so einer Serie aber wahrscheinlich mit einer jüngeren Schauspielerin besetzt.

Für mich war Laura gesetzt, und ich habe mir gar keine Gedanken darüber gemacht, wie alt sie ist oder wie sie aussieht. Obwohl sie dieses Jahr schon 50 Jahre alt wird, sieht sie viel jünger aus. Trotzdem gilt sie natürlich schon als mittelalte Frau.

Laura Tonke Foto: Majestic/Copyright © Lina Grün

Und in der Filmbranche wird bei der Besetzung weiblicher Hauptrollen unter vorgehaltener Hand immer noch von der Fuckability der Darstellerin gesprochen, also davon, ob diese für männliche Zuschauer sexuell interessant ist.

Und das sind dann vor allem junge Frauen. Wenn nicht Greta Gerwig „Barbie“ gedreht hat, wäre Barbie wahrscheinlich niemals 34 gewesen. Hätte es da ein Team aus männlichen Regisseuren gegeben, wäre Barbie auf jeden Fall unter 30 gewesen.

In dem Buch haben Sie Ihre eigene Geschichte erzählt. Inwiefern gilt das auch für die Serie?

Das ist schon auch ein bisschen meine Geschichte. Außer dass ich natürlich keinen Mann vergewaltigt habe. Aber ich war wie die Hauptfigur alleinerziehende Mutter, die irgendwie über die Runden kommen musste, nervige Jobs hatte, aus denen sie nicht rauskam. Mutterschaft ist eine sehr einengende Sache – auch, was die eigene Freiheit, die eigene Sexualität angeht. Deswegen würde ich schon sagen, das ist meine Geschichte.

Laura Tonke und Caroline Rosales Foto: Majestic/Copyright © Lina grün

Auch was Mikis Experimentierfreude angeht?

In der Zeit, in der ich Single war, habe ich auch ein paar sexuelle Sachen ausprobiert, wobei das nicht besonders aufregend war. Ich bin jetzt 41, noch völlig ahnungslos und habe noch sehr viel nachzuholen. Meine Generation hat sehr viele Jahre darauf verschwendet, für jeden Mann immer die krasseste Loverin sein zu wollen und nie was für sich selbst zu tun. Da muss ich erst noch alles aufholen. Und bis ich vielleicht mal zu diesen Fetisch-Sachen komme, bin ich wahrscheinlich schon Oma.

Caroline Rosales’ Buch und Serie „Sexuell verfügbar“

Autorin
Caroline Rosales (41) ist Autorin und Journalistin. Sie hat mehrere Bücher geschrieben – darunter „Single Mom“ (2018) und „Sexuell verfügbar“ (2019). Sie lebt mit ihren vier Kindern und ihrem Lebensgefährten in Berlin.

Serie
Die Serie „Sexuell verfügbar“, in der Rosales das Thema ihre Buchs, fiktional variiert, ist seit Freitag, 8. März, in der ARD-Mediathek verfügbar. Am Samstag, 16. März, werden ab 23:55 Uhr alle fünf Episoden im Ersten augestrahlt. In Hauptrollen sind Laura Tonke und Merlin Sandmeyer zu sehen. Gastauftritte gibt es von Lilo Wanders, Lady Bitch Ray oder Ines Anioli.