Anhörungsverfahren: "Beteiligung in jetziger Situation nicht Erfolg versprechend"/Kein Anrainer

Tuttlingen. In der Schweiz läuft derzeit ein Anhörungsverfahren für betroffene Kreise und Kommunen zum Sachstand der Planungen für ein Atommüll-Endlager, welches im Grenzgebiet eingerichtet werden soll. Während vier Nachbar-Landkreise eine gemeinsame Erklärung abgeben, hält sich der Landkreis Tuttlingen zurück.

Zum Hintergrund: Aktuell befindet sich die Schweiz am Ende von Phase 2 ihrer Endlager-Planungen. Seit 2008 ist der Alpenstaat auf der Suche nach möglichen Standorten für schwach- und mittelradioaktive sowie für hoch radioaktive Abfälle. Gebohrt und gebuddelt wurde dabei an sechs möglichen Plätzen, die für ein Tiefenlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in Frage kommen: Jura-Südfuß, Südranden, Wellenberg, Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost. Die drei letztgenannten Standorte kommen zusätzlich auch für eine Einlagerung hochradioaktiver Abfälle infrage. Sie sollen in der voraussichtlich noch in diesem Jahr beginnenden Etappe 3 vertieft untersucht werden.

Der Knackpunkt: Alle drei Orte befinden sich recht nahe an der Grenze zu Deutschland. Zu einer gemeinsamen Erklärung haben sich deshalb die Kreise Konstanz, Waldshut, Lörrach und Schwarzwald-Baar entschlossen, deren Gemeinden teilweise nur wenige Kilometer von den anvisierten Standorten entfernt liegen. Noch bis zum 9. März läuft das Anhörungsverfahren des Schweizer Bundesamts für Energie (BFE), das Landkreisen, Kommunen, Organisationen und Bürgern die Gelegenheit geben soll, eine Stellungnahme zum schweizerischen Planungsstand abzugeben. Den vier deutschen Landkreisen geht es in ihrer Stellungnahme vor allem um mehr Transparenz im Verfahren, um eine bessere Beteiligung der deutschen Seite und auch um mögliche Entschädigungszahlen. In einem Punkt sind sich die vier Landkreise mit den Eidgenossen einig: Dass die Schweiz ihre Atomabfälle an den sichersten Stellen lagert. Nicht an der Stellungnahme beteiligen wird sich das Landratsamt Tuttlingen. Dort verfolge man nach eigenen Aussagen zwar das Verfahren und stehe auch mit den Nachbarkreisen in Kontakt. Aber: "In der jetzigen Situation ist eine Beteiligung nicht erfolgsversprechend", sagt Erster Landesbeamter Stefan Helbig. Der Landkreis Tuttlingen sei im Gegensatz zu den vier anderen Landkreisen kein unmittelbarer Anrainer der Schweiz. "Wirklich mitreden darf man nicht", sagt der Erste Landesbeamte. Überhaupt: "Es bringt relativ wenig, sich gegen ein Endlager auszusprechen", stellt er klar. Auch verhelfe die Unterschrift Tuttlingens der Stellungnahme nicht zu mehr Gewicht. "Das wäre nur dann der Fall, wenn sich Stuttgart oder Berlin einschalten würden."

Das sehen nicht alle so. "Es wäre sicher wünschenswert gewesen, wenn sich der Landkreis Tuttlingen auch zu Wort gemeldet hätte" sagt etwa Geisingens Bürgermeister Walter Hengstler, dessen Gemeinden im Kreis Tuttlingen geografisch am nächsten am Standort Zürich Nordost, nahe des Schweizer Orts Benken liegen. Auch wenn die Schweizer Behörden den Kreis der Mitredenden möglichst eng ziehen wollten – ein Fehler, das Papier der Nachbarn mit zu unterschreiben, sei es sicher nicht. "Eine gewisse deklaratorische Wirkung hätte es", sagt er. Froh sei er, dass der Schwarzwald-Baar-Kreis klar Stellung beziehe.

Allerdings räumt Hengstler, Mitglied des Tuttlinger Kreistags, ein, selbst das Thema weder im Kreistag, noch gegenüber Landrat Stefan Bär, angesprochen zu haben. Und auch das Landratsamt sah bislang keinen Handlungsbedarf. Lediglich intern, so bestätigt Helbig, habe man die Endlager-Planungen verfolgt.