Das elegante Erscheinungsbild der Musikerinnen begeisterte das Publikum im Altensteiger Bürgersaal ebenso wie ihr Sinn für Humor. Foto: Kosowska-Németh

Meisterkonzert: Trio Luz y Sombra feiert in Altensteig Piazzollas 100. Geburtstag

Altensteig. Das jüngste Meisterkonzert im Bürgerhaus belebte das Altensteiger Musikleben auf eine besondere Art. Anlässlich des 100. Geburtstags von Astor Piazzolla präsentierte das Berliner Trio Luz y Sombra (auf Deutsch: Licht und Schatten) eine repräsentative Auswahl seiner Werke.

Piazzolla, der begnadeter Bandoneon-Spieler und Komponist kleidete den 1882 in Rio de Janeiro geborenen argentinischen Tango in ein unverkennbares, individuelles und modernes Musikgewand. Ohne sein Wesen zu verändern, erhob er den ursprünglich mit zweifelhaftem Ruf behafteten Tanz wider anfängliche Ablehnung zum Musik-Klassiker unter dem Namen Tango nuevo, der nun als Original oder in unzähligen Bearbeitungen immer wieder auf Weltkonzertbühnen für Furore sorgt.

Neben den bekanntesten Stücken wie "Libertango", "Oblivion" oder der Suite "L’histoire du tango" präsentierten Miriam Erttmann (Violine), Cora Rott (Klarinetten) und Katja Steinhäuser (Klavier) dem Altensteiger Publikum andere Kostbarkeiten aus ihrem Piazzolla- Repertoire. Bereits seit 15 Jahren widmen sich die Hochprofi-Instrumentalistinnen dem Tango nuevo, arrangieren selbst die Originalmusik und lassen diese in der Trio-Besetzung schnörkellos und atemberaubend schön erklingen.

Im frappierenden Einklang folgten die Künstlerinnen ihrem interpretatorischen Plan, der jedem Instrument viel Freiraum für individuelle Gestaltung sicherte und zugleich eine strenge rhythmische und technische Disziplin (beispielsweise bei instrumentalen Zwiegesprächen oder mehreren famosen Unisoni zu dritt) voraussetzte. Diese "beiläufige" Präzision zeichnete sich auch in der Dynamik und Artikulation stark ab, so dass das gesamte Klangbild sehr stimmig und suggestiv wirkte.

Nicht weniger beeindruckten die Zuhörer die emotionale Flexibilität der Künstlerinnen und ihr Gespür für die Klangästhetik. Die schwärmerische Violine setzte hie und da ein geschmackvolles Schleifchen ein, in dem Klarinettenklang ließen sich Klezmer- und Jazz-Züge deutlich erkennen, und die Klavier-Ostinati pulsierten motorisch und exakt. Das Trio überzeugte bedingungslos mit einer immensen Spannungsbreite der Gefühle und einem beeindruckend hohen virtuosen Niveau.

Kleine Zäsuren markierten die Übergänge zwischen den poetischen Welten der Melancholie, Sehnsüchten, Tragik und der elementaren, tänzerisch-ausgelassenen Lebensbejahung – oder aber wechselten das Klima abrupt, ohne Ankündigung, wie im ergreifenden, elegisch-tragischen "Adios Nonino", wo die schmerzliche Geigen-Klage mit gespenstisch-dramatischen Tango-Reminiszenzen kontrastierte. Diese ergreifende Gratwanderung zwischen Licht und Schatten veranschaulichte den Sinn und die Bedeutung des künstlerischen Mottos "Luz y Sombra".

Das Publikum zeigte sich sehr angetan von der Musik und von der Ehrlichkeit der Vorträge, von dem Sinn für Humor und nicht zuletzt von dem schlichten wie eleganten Erscheinungsbild der Damen. Zwei Zugaben folgten dem begeisterten Applaus, wobei die Künstlerinnen witzelten, dass sie das Anlegen und Abnehmen der Gesichtsmasken gesondert üben mussten. Die Realität hält also auch die Kunst bis auf weiteres fest im Griff