Karl Joseph Fortwängler, der  "Schnitzersepp", im Selbstporträt. Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Enkelin von Karl Joseph Fortwängler lässt seine letzten Werke amtlich dokumentieren

Um die Möbel, die Karl Joseph Fortwängler (1875 bis 1960) vererbte, gerichtsfest zu dokumentieren, ließ die Enkelin, Ute Fortwängler, des "Mannes von Triberg", wie er sich selbst nannte, diese fotografieren und zu einem Spiralblock verbinden.

Triberg. Dies sind Werke, die bisher der Öffentlichkeit nicht bekannt waren: zehn Möbelstücke, außerdem einige Gemälde, darunter ein Selbstporträt (Öl auf Leinwand) und eine Kohlezeichnung von seiner Frau Martha. Selbst hier erfahren Interessierte etwas über die Techniken des Meisters und damit über seinen Charakter. Er hat aus der Wand des ursprünglich gekauften Möbelstücks eine Aussparung herausgeschnitten und eine Platte gleicher Größe aus anderem Holz mit eigenen Skulpturen darin befestigt, sei es, dass das Brett zu dünn war, sei es, dass sich das Holz für Skulpturen nicht eignete. Das rechte Material, das harte Föhrenholz, gehörte zu seiner Kunst. Möbeln für den eigenen Gebrauch gestattete er kleine Materialfehler (Riss, Ast im Bild "Frauen mit Gugelhopf"). In den Verkauf kamen nur Werke ohne den geringsten Makel.

Die Motive für die Skulpturen seiner Möbel fand er wie schon immer bei den Menschen im Schwarzwald im Privatleben: Sie sprühen vor Leben, sie bewegen sich, spielen Geige, Flöte, Handorgel, sie tanzen – und wie! – leidenschaftlich und stürmisch, aber auch vornehm und elegant. Sie mögen das Kartenspiel, spielen, als ob es um ihr Leben ginge, prosten sich zu und hauen die Karten auf den Tisch, dass die dicke Tischplatte bricht. Er kennt Alltag und Festtag. Idyllen im Familienleben, Eltern (Großeltern?) mit einem Kind, da werden Geschenke überreicht, da kommt ein Schweinchen auf einen anderen Hof, da stoßen wohlbeleibte Herren auf ein Bier an, da bringt man Kaffee und Kuchen und eventuell Most zum Nachbarn. Ins Reich der Fantasie gehört ein Querflötenspieler mitten im Wald, dem ein Rehbock, eine Rehgeiß, ein Häschen, ein Igel und in den Ästen jede Menge Vögel zuhören. Franz von Assisi hätte seine Freude daran gehabt. Die Ränder der Schränke werden nicht leergelassen: Blätter oder Blüten bilden Ornamente oder Tiere (Ziegen), greifen nach Blättern an tief hängenden Ästen, Musiker (Vollplastiken) stehen an den Ecken von Truhen, Gnome bilden die Füße der Truhen.

Das Selbstporträt

Ein jedes Selbstporträt will gründlich betrachtet sein. Das Selbstporträt eines Schnitzers, der auch malte, ist etwas ganz Besonderes. Hier gibt er in seinen Zügen und seiner Haltung wieder, wie er sich selbst sieht. Daraus soll man erkennen, welche Furchen das Leben in sein Gesicht gegraben hat. Karl Joseph Fortwängler, der "Schnitzersepp", der so viele Figuren schnitzte, den "Schwarzwälder Humor" mit vielen "Originalen" zum Grundprinzip seiner Kunst erhob, der Federzeichnung, Kohlezeichnung genauso beherrscht wie das Schnitzmesser. Fließt davon etwas in das Selbstbildnis ein? Der Betrachter begegnte einem Mann, der die Stürme des Lebens überwunden hat. Sein Teil ist jetzt Ruhe. Was er zu Kunst und Politik zu sagen hatte, ist verklungen. Er will jetzt schweigen dürfen, wie er selbst sagte.

Ein Mann im vorgerückten Alter: in blauer Anzugjacke, weißem Hemd mit heller Krawatte. Ein ernstes Gesicht blickt uns an, wissende Augen sind es, die schwere Zeiten gesehen haben, dennoch wirkt das Gesicht nicht verbittert und auch nicht verhärmt, schon gar nicht verschlossen und schwermütig. Sein starker Wille verhinderte all das. Haar und Bart sind nur zum Teil ergraut. Sollen der Betrachter auf Licht und Schatten achten? Und in ihnen Sonnen- und Schattenseiten des Lebens sehen? Das Licht fällt auf seine rechte Gesichtshälfte und die ganze Stirn, so als wäre ihm mehr Glück als Unglück gegeben gewesen.

Er hat hinnehmen müssen, dass er mit seiner Idee nicht durchkam, aus Triberg eine Schnitzerstadt (wie Oberammergau) zu machen, die ihre wirtschaftliche Existenz allein auf Herstellung und Verkauf von Schnitzwerken gründen sollte, und nach seiner festen Überzeugung dies auch hätte leisten können. Als Konsequenz daraus verließ er Triberg. Dennoch hat er seiner Geburtsstadt ein großartiges Erbe hinterlassen. Attraktionen erster Güte sind das Schwarzwaldmuseum (Es enthält unter anderem die Großplastik des Steintransports für das Gerwigdenkmal, unzählige Kleinfiguren und seine gemalten Postkarten), der Rathaussaal als Gesamtkunstwerk und einzelne Skulpturen an Triberger Häusern. Sein Plan, im Sperrgebiet des Wasserfalls eine Schnitzerschule einzurichten, konnte nicht realisiert werden. Von seinen schriftlichen Werken sind in seltenen Exemplaren nur noch die "Geistergewalten der Heimat" und Erzählungen auf die Nachwelt gekommen. So sieht man noch einmal einen Karl Josef Fortwängler in der Ausgeglichenheit des Alters, wie ihn seine Angehörigen in Erinnerung behielten.