Freut sich, dass sie mit 41 Jahren noch ihren Berufswunsch verwirklichen kann: Jennifer Hogg, die eine Ausbildung als Erzieherin beginnt. Foto: Martina Zieglwalner

Mit 41 Jahren sattelt Jennifer Hogg um. Sie hat ihre sichere Stelle gekündigt und lernt Erzieherin. Im Wechsel arbeitet sie in einer Kindertagesstätte der Stadt und besucht die Albert-Schweitzer-Schule. Die Familie steht hinter der Entscheidung.

Mit 41 Jahren beruflich neue Wege einschlagen und sich einen Herzenswunsch erfüllen, das wagen nicht viele. Jennifer Hogg ist eine, die den Mut hat. Sie lässt eine sichere Anstellung bei der Villinger Filiale der Volksbank eG – Die Gestalterbank hinter sich und stürzt sich in das Abenteuer Ausbildung: als Erzieherin bei der Stadt Villingen-Schwenningen.

Ab 11. September drückt sie wieder die Schulbank, hat sie sich doch für eine Praxisintegrierte Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher (PiA) entschieden, bei der sie im Wechsel in einer Kindertagesstätte der Stadt arbeitet und die Albert-Schweitzer-Schule besucht. „Das ist genau mein Ding“, stellt Jennifer Hogg fest. Zum einen, da die Ausbildung vergütet ist und sie so weiter zum Unterhalt der Familie beitragen kann, zum anderen, weil sie schon immer ein Faible für Kinder hatte.

Zunächst Floristin gelernt

Nach der Schule habe sie vor der Wahl gestanden, Floristin oder Erzieherin zu lernen und damals dem grünen Handwerk den Vorzug gegeben. Später fand sich die Teilzeitstelle bei der Volksbank, die ihr zehn Jahre lang viel Spaß bereitet habe. Aber dann habe sie sich gefragt, ob das alles sei und sie weitere 20 Jahre dieser Arbeit nachgehen wolle. So sei sie auf ihren früheren Berufswunsch gekommen und habe von der dreijährigen PiA-Ausbildung erfahren, die ihr die Möglichkeit bieten könnte, dass dieser Traum in Erfüllung geht. Also habe sie sich ein Herz gefasst, sich bei der Albert-Schweitzer-Schule für den Theorieunterricht und bei der Stadt für die Praxistage in einer Kindertagesstätte beworben – und bekam von beiden Seiten die Zusage, diesen Herbst mit der Ausbildung in Vollzeit beginnen zu können.

Die ersten Jahre habe sie nachmittags für ihren Sohn da sein und ihn nicht in die Ganztagsbetreuung schicken wollen, doch jetzt sei er elf Jahre alt und komme auf eine weiterführende Schule. Auch ihr Mann stehe hinter ihr und habe sie ermutigt, den Schritt zu gehen. „Für mich ist es genau der richtige Zeitpunkt für diesen Wechsel“, stellt sie fest.

Neugierig auf Neustart

Sie fiebert dem Neustart und den Begegnungen mit dem Nachwuchs entgegen. Schon immer habe sie sich gerne mit Kindern beschäftigt und finde es schön, ihnen etwas für ihr Leben mitgeben zu können. Bestärkt habe sie das Praktikum, das sie vor dem Beginn der Ausbildung absolvieren musste. Diese Zeit sei richtig gut gewesen, es sei toll, die Kinder mit ihren verschiedenen Charakteren zu erleben.

Fachkräftemangel spürbar

Natürlich habe sie im Alltag auch gemerkt, dass der Mangel an Fachkräften groß ist, „aber das hat mich nicht abgeschreckt“. Zumal sie die Chance hatte, die sechs Wochen in ihrer künftigen Wirkungsstätte zu verbringen, so dass sie die Mitarbeiterinnen schon kennenlernen konnte und sich um so mehr auf das Team freut.

Der Abschied von den ehemaligen Kollegen bei der Volksbank sei ihr schon schwer gefallen, gibt sie zu. Und einige Bekannte hätten eher kritisch nachfragt, warum sie einen sicheren Arbeitsplatz aufgibt. Andere hätten ihr zu diesem Entschluss gratuliert. Sie wisse, dass eine harte Zeit auf sie zukommt, betont sie.

Lernen noch ungewohnt

Immerhin sei sie seit mehr als 20 Jahren aus der Schule draußen und müsse sich erst ins Lernen einfinden. Aber sie sei zuversichtlich, dass sie schnell wieder drin ist. Und ihr Sohn finde die Vorstellung spannend, bald gemeinsam mit der Mutter am Tisch zu sitzen und zu lernen. Jennifer Hogg freut sich jedenfalls, wenn nicht nur für ihr Kind, sondern auch für sie am Montag in einer Woche ein neuer Lebensabschnitt beginnt.

Mut zu Veränderungen

Eine Veränderung, für die sie auch ihre Komfortzone verlassen müsse, stellt sie fest. Aber sie ist sich sicher, dass es diese Anstrengung wert ist, um den Traum zu verwirklichen. Und mit ihrer Geschichte möchte sie zeigzierines auch mit 41 Jahren noch möglich ist, ungewohnte Herausforderungen in Angriff zu nehmen, und den ein oder anderen ermutigen, neue Wege einzuschlagen.

Ausbildung

Das Konzept
Um dem Mangel an sozialpädagogischen Fachkräften entgegenzuwirken, bietet die Albert-Schweitzer-Schule seit dem Schuljahr 2022/23 die Praxisintegrierte Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher (PiA) an. Die Teilnehmer erhalten vom ersten Ausbildungstag an ein Gehalt. Diese Teilzeitschulart ist vor allem für Erwachsene mit Erfahrung im Beruf oder der Kinderbetreuung gedacht, gerade auch, um neue Zielgruppen für den Erzieherberuf zu gewinnen. Voraussetzungen sind beispielsweise eine abgeschlossene Berufsausbildung, eine kontinuierliche Tätigkeit als Tagesmutter mit mehreren Kindern oder das Führen eines Haushalts mit mindestens einem Kind. Zudem ist ein sechswöchiges Praktikum oder ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in einer sozialpädagogischen Einrichtung erforderlich. Das Konzept ist praxisorientiert, die dreijährige duale Ausbildung ist im Wechsel in der Betreuungseinrichtung und in der Schule. Der erworbene Abschluss befähigt dazu, Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsaufgaben zu übernehmen und in allen sozialpädagogischen Bereichen selbstständig und eigenverantwortlich tätig zu sein. Weitere Informationen zur Ausbildung gibt es im Internet unter ass-vs.de/schul_berufsabschluesse/berufsabschluesse/sozialpaedagogik/erzieher-in-praxisintegriert-pia/.