Der SPD-Politiker Lange kritisiert neue Nebenverdienst-Regelung. Foto: dapd

Schwarz-Gelb beschließt gegen die Stimmen der Opposition ein Zehnstufenmodell zur Veröffentlichung der Nebeneinkünfte von Abgeordneten. Mit am Tisch saß für die SPD Verhandlungsführer Christian Lange. Nächste Woche legt deren Kanzlerkandidat Peer Steinbrück seine Honorare offen.

Berlin/Stuttgart - Der designierte Spitzenkandidat der SPD zur Bundestagswahl, Peer Steinbrück, wird im Laufe der kommenden Woche seine Nebeneinkünfte auf Euro und Cent offenlegen. Das berichten die Stuttgarter Nachrichten unter Berufung auf Partei- und Fraktionskreise. Der frühere Bundesfinanzminister war von Union und FDP wegen seiner hohen Honorarverträge dazu gedrängt worden und hatte von sich aus einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer mit der Offenlegung betraut. Steinbrück werde die Liste seiner Einkünfte, seiner Auftraggeber und Vertragspartner auf seiner Homepage öffentlich machen und dies kurz im Rahmen einer Pressekonferenz erläutern, berichtet das Blatt. Damit geht Steinbrück deutlich über die am Donnerstag von Union und FDP beschlossene Stufenregelung hinaus, nach der die Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten künftig in zehn Kategorien angegeben werden sollen.

Schwarz-Gelb beschließt gegen die Stimmen der Opposition ein Zehnstufenmodell zur Veröffentlichung der Nebeneinkünfte von Abgeordneten. Mit am Tisch saß für die SPD Verhandlungsführer Christian Lange.

Herr Lange, Ihr Kanzlerkandidat Peer Steinbrück legt kommende Woche seine Nebeneinkünfte offen – auf Druck von Union und FDP. Wollen Sie wiederum Druck auf Schwarz-Gelb machen, um nachzuziehen?
Peer Steinbrück hat die Debatte begonnen, ihr eine Richtung gegeben und setzt jetzt den Maßstab. Ich selbst kämpfe seit Jahren um die Veröffentlichung der Nebeneinkünfte von Abgeordneten auf Euro und Cent – das wird Steinbrück nun nächste Woche tun. CDU/CSU und FDP haben ihn dazu aufgefordert. Aber es darf nicht zweierlei Transparenzregeln geben. Transparenz muss schon für alle gelten. Union und Liberale sollten dem jetzt endlich folgen.

Rechnen Sie damit, dass Abgeordnete das Verhalten von Steinbrück nachahmen, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen?
Viele Abgeordnete der Grünen und der SPD veröffentlichen ihre Nebeneinkünfte schon seit Jahren auf Heller und Pfennig. Bei Union und FDP sind es wenige bis niemand. Wir haben den Vorschlag also nicht wegen der Debatte um Steinbrück gemacht, unsere Forderungen sind wahrlich nicht neu. Aber CDU und FDP haben das 2005 und 2010 abgelehnt, und sie lehnen es heute wieder ab.


Nun bringt es wenig, wenn die Parlamentarier ihre Einkünfte in Stufen oder auf Heller und Pfennig offenlegen, wenn sie nicht aufführen, wer bestellt und bezahlt hat. Wird das vor der Bundestagswahl noch geregelt?
Ich hoffe es sehr. Die SPD verlangt eine Verschärfung der Angabepflicht über die konkreten Auftrags- und Vertragspartner. Das dokumentiert in gleichem Maße, von wem der Abgeordnete abhängig oder unabhängig ist. Beides gehört zusammen: Höhe der Beträge und Auftraggeber beziehungsweise Vertragspartner.

Das Bundesverfassungsgericht hat 2007 bekräftigt, dass die Offenlegung der exakten Einkünfte in Ordnung ist, solange nicht schützenswerte Interessen betroffen sind. Beanspruchen Abgeordnete solche Verschwiegenheitspflichten, auch wenn sie de jure davon gar nicht betroffen sind?
Das dürfen nur Ärzte oder Anwälte für sich beanspruchen. Wer im Bundestag sitzt, muss nicht befürchten, dass er wegen dieser Offenlegung gegen gesetzliche Pflichten verstößt.

Auch dann nicht, wenn diese Rechtsanwälte im Nebenberuf die Industrie und Lobbyisten vertreten, während sie im Hauptberuf als Bundestagsabgeordnete an Gesetzen und Richtlinien für ebendiese Klientel arbeiten?
Ein Missbrauch der gesetzlich geschützten Verschwiegenheitspflichten von Anwälten kann man nie ausschließen. Sehr wohl aber kann man Berater oder andere nicht geschützte Berufe, die nicht unter das Anwaltsprivileg fallen, zwingen, Auftraggeber beziehungsweise Vertragspartner zu nennen.

Verschwiegenheit können ja auch Abgeordnete und Auftraggeber bilateral vereinbaren. Dann müssen sie ihre Geschäftsbeziehungen nicht offenlegen.
Ich bleibe dabei: Das Interesse des Abgeordneten, Informationen aus seiner wirtschaftlichen Sphäre vertraulich zu behandeln, ist hinter dem öffentlichen Interesse nachrangig. So hat es das Bundesverfassungsgericht entschieden. Das öffentliche Interesse des Wählers geht vor. Die Wähler müssen wissen, wen sie wählen. Verstößt ein Abgeordneter dagegen, muss er ein Bußgeld zahlen.

Der Vorsitzende der Rechtsstellungskommission, der FDP-Bundestagsabgeordnete Hermann-Otto Solms, sagt: Wir Abgeordnete sind allesamt Interessenvertreter von Wählern und Wirtschaft. Es gelte, diese Interessen abzuwägen. Hat er recht?
Natürlich vertreten wir alle Interessen. Aber wir stehen nicht alle auf der Gehaltsliste von irgendjemandem. Wenn ich mich als Abgeordneter auf ein Thema vorbereite, höre ich mir natürlich die Lobbyverbände an – die Lobby dafür und die Lobby dagegen. Danach kann ich frei entscheiden. Aber ich kann nur dann frei entscheiden, wenn ich nicht bei einer auf dem Gehaltszettel stehe.