Zunftmeister Tobias Dold (links, am Mikrofon) erklärt den Kindern die Liedtexte zum Kilbesingen. Das Singen mit der Narrenzunft findet am kommenden Dienstag, 18. Oktober, wieder statt. Treffpunkt ist um 18.30 Uhr am Narrenbrunnen. Foto: Archivbild Wegner

Die Kilbe ist für die Menschen aus Schramberg und Umgebung ein bedeutendes Stück Tradition und Lieferant für unzählige schöne Kindheitserinnerungen. Es folgt eine Remineszenz – zwölf Fakten und Freuden zur Kilbe.

Schramberg - Ich war nur einmal in meinem Leben, wenn man es so ausdrücken will, enttäuscht von der Kilbe. Und zwar, als ich erstmals das Schramberger Ende des Lieds "Hit isch Kilbe" gehört habe. Da heißt es nach "...kauf mr au a Brezele..." irgendetwas von einem Schobba roten Wein und einer Hochzeit.

Lauter sein als die Mädchen

Bitte, liebe Schramberger, nicht falsch verstehen. Diese Version ist sehr schön. Aber: Einerseits war es für mich als Lauterbacher schlicht ungewohnt, in diesem Lied (das einem von Kindheit an ins Blut übergeht) einen anderen Text zu hören. Außerdem ist diese Stelle für Lauterbacher Buben mehr als "nur" ein Lied: Es ist der Moment, wo man den Mädle beweisen muss, wo der Barthel den Most holt. Denn dort schreien – von singen kann nicht die Rede sein – die Kerle: "bloß de beese Meidle keins!", während die Mädels "bloß de beese Buebe keins!" entgegnen. Wer lauter ist, gewinnt – ist klar. Wir haben immer gewonnen. Dass den Schrambergern dieses Wetteifern entgeht, fand ich halt schade.

Entstanden aus Kirchweihe

Entstanden ist der Brauch Kilbe, wie am Wort noch herauszuhören ist, als Tradition im Rahmen der Kirchweihe (so auch Kirwe oder andernorts die Kirmes) und war zu ärmeren Zeiten – ähnlich der Brezel an der Fasnet – eine der wenigen Möglichkeiten für Kinder, etwas Leckeres zu bekommen. Ab dem dritten Samstag im Oktober ziehen Kinder dafür in Grüppchen mit Lampion, Laterne oder Rübengeist durch die Straßen und ersingen sich Süßigkeiten – bis hin zum darauffolgenden Mittwochabend.

Älteste Erwähnung von knapp 100 Jahren

"Die älteste, mir bisher bekannt gewordene Beschreibung des Kilbesingens in Schramberg stammt von dem Lehrer Josef Betting (1886 bis 1949) in Schramberg und erschien 1929 in der Zeitschrift ›Heimatblätter vom oberen Neckar‹", teilt Stadtarchivar Carsten Kohlmann mit. Wie einige andere ältere Bräuche tut sich die Kilbe jüngst schwer. Das erwähnte Rufen gegen das andere Geschlecht ist nur eine von unzähligen Erinnerungen zur Kilbe, die so oder so ähnlich rund um Schramberg jedes Jahr gebildet werden – und weiterhin gebildet werden sollten. Es folgen daher zwölf Fakten und Erinnerungen rund um diese schöne Tradition.

1 – Wach bleiben

Schon allein weil man lange bis in die Dunkelheit hinein aufbleiben und draußen sein durfte, ist die Kilbe toll. Die Bilder beispielsweise von flackernden Schatten an Hauswänden oder schwebenden Lichtern in der Ferne, wo andere Kindergruppen unterwegs sind, graben sich tief ins Gedächtnis ein.

2 – Ungeliebte Äpfel

Es gab auf jeder Runde diese Station, bei der stets die gleichen Süßigkeiten warteten. "Gleich kommt das Gummibärle-Haus". Schnell bekannt waren auch die Stationen, wo es statt Süßigkeiten Obst gab. Doof. Diese wurden dann ledichlich aufgrund des Vetos der Eltern nicht aus der Kilbe-Route gestrichen.

3 – Kein Geld, bitte

Oft hörte man eine gemurmelte Entschuldigung und bekam statt etwas Süßem ein paar Geldmünzen – das war dennoch enttäuschend.

4 – Dahin noch mal

Besonders großzügige Stationen steuerte eine Gruppe auch gerne zwei bis drei Mal pro Kilbewoche an.

5 – Langanhaltendes Zehren

Wer an der Kilbe erfolgreich war, dem reichte die Schüssel voller Süßigkeiten bis zum Nikolaustag. Dann reichte sie bis Weihnachten und dann wurde sie wieder aufgefüllt – in erfolgreichen Jahren konnte so ein steter Süßigkeiten-Stand bis hin zur Fasnet aufrechterhalten werden.

6 – Flüssige Verpflegung

Was Kinder oft nicht mehr wissen: Auch die Eltern bekommen bei fast jeder Station etwas "Leckeres". Was lange eine Vermutung war, bestätigt eine Mutter im Gespräch: "Ja, wir sind jedes Jahr bes***en."

7 – Der Heischebrauch

Die Kilbe ist ein sogenannter Heischebrauch. Grob: Man zieht herum und bittet, oft in Verbindung mit einer Handlung wie hier dem Singen, um Gaben.

8 – Weitere Heischebräuche

Weitere bekannte Heischebräuche sind beispielsweise die Sternsinger oder das Weihnachtsbaumloben. Wie verweisen an dieser Stelle auf den im Dezember erscheinenden Artikel: "Es geht nicht um das Schnäpsle, sondern die Schönheit des Baums – zwölf Fakten rund um das Weihnachtsbaumloben".

9 – Flammendes Inferno

Es gab in jeder Gruppe von Kilbesingern dieses eine Kind, das es schaffte, schon vor dem ersten Haus sein Lampion unter großem Geschrei bis auf das Grundgestell niederzubrennen.

10 – Kein Halloween

Kilbe hat mit Halloween nichts zu tun, das sich seinerseits auf den Vorabend von Allerheiligen bezieht. Eine Verkleidung braucht’s bei der Kilbe nicht, das darf man dann ja an der Fasnet.

11 – Mit der Narrenzunft durch die Stadt

Die Schramberger Narrenzunft veranstaltet, initiiert vor rund zehn Jahren vom heutigen Zunftmeister Tobias Dold, ein jährliches Kilbesingen in der Innenstadt. Auch am kommenden Dienstag, 18. Oktober, sind Kinder im Alter bis zwölf Jahren eingeladen, sich um 18.30 Uhr mit Laterne am Narrenbrunnen einzufinden. Danach gibt es einen Umzug bis zum Rathaus, gemeinsames Singen, eine leckere Belohnung und die Kinder ziehen im Anschluss weiter durch die Stadt.

12 – Filmbeitrag in Arte-Mediathek

2021 war ein Team des Fernsehsenders Arte in Schramberg, wo Dolds Sohn Jakob als Protagonist bei der Kilbe begleitet wird. Er backt mit Mama Cathrine Kilbeküchle, schnitzt einen Rübengeist und geht mit seinen Geschwistern und Freunden zum Singen. Der Beitrag ist in der Arte-Mediathek zu sehen.