Armando Braswell in Aktion: Der Tänzer von Gauthier Dance bringt Teenagern das Tanzen bei. Foto: dpa

Statt den Tänzern von Gauthier Dance stehen elf Jugendliche im Theaterhaus auf der Bühne.

Stuttgart - Normalerweise treten dort die Tänzer von Gauthier Dance auf. Doch heute gehört die Bühne im Theaterhaus elf Teenagern von den Jugendhäusern Hallschlag und Neugereut. Drei Monate haben sie mit Tänzer Armando Braswell geprobt, jetzt sind sie "Ready to Dance" - bereit zu tanzen.

"Fame" steht auf dem T-Shirt von Armando Braswell, Mitglied von Eric Gauthiers Ballettkompagnie. Ruhm heißt das, und dafür geben die Eleven des gleichnamigen Films alles: Sie wollen mit Tanzen ihr Geld verdienen und ihre Namen groß auf den Plakaten der Musicals lesen. Solche Ziele haben sich Braswells Schüler nicht gesteckt. Sie träumen vom Theaterhaus und nicht vom Broadway.

New York ist weit. Wir sind im Stuttgarter Norden. Im Industriegebiet neben der Pragstraße ist die Probebühne des Theaterhauses. An der Decke hängen Scheinwerfer und Lautsprecher, an einer Wand stehen Spiegel. In der Mitte des Raums haben Braswell und Gauthier-Dance-Dramaturgin Rebecca Egeling die fünf Jungs und sechs Mädchen im Alter von elf bis 13 Jahren um sich geschart. Sie erklären die nächsten Schritte. Doch die Jungs quatschen. "What did I just say!", ruft Braswell, "just listen!" Der New Yorker spricht Englisch und Klartext. "Was habe ich gesagt? Hört zu!"

Die Ansagen sind eindeutig. Auch wenn Shakira und Michael Jackson singen. "Front!" "Back!" "Turn!" "Jump!" Kommandos statt Kuscheln. "Es ist Kunst", sagt Braswell, "aber du musst dafür hart arbeiten und Regeln einhalten." Daran lässt er keinen Zweifel. In New York hat er an seiner Karriere gefeilt und nebenbei bei Tanzprojekten mitgearbeitet. "An meiner alten Junior High School habe ich so was gemacht", sagt er, "und einige kleine Choreografien für einen Freund in Brooklyn." Doch ob nun in Stuttgart-Nord oder in Brooklyn: Immer braucht es "Disziplin und Konzentration dafür".

Für 90 Minuten Training. Seit drei Monaten treffen sich die Jugendlichen aus dem Hallschlag und aus Neugereut einmal in der Woche auf der Probebühne. Zwei Betreuerinnen holen sie ab und fahren sie zum Üben. Die Mercedes-Bank unterstützt das Theaterhaus und fördert dieses Jugendprojekt. In den Jugendhäusern konnten sich Teenager melden, die mit Braswell eine Aufführung einstudieren wollten. So wie Rafailia. "Ich liebe es zu tanzen", sagt sie, "und Armando ist der beste Tänzer, den ich je getroffen habe."

Und ein strenger, aber gerechter Lehrmeister. "Das sieht gut aus", lobt er. "Zu langsam! Konzentriert euch!", schimpft er, "wir haben nicht mehr viel Zeit, denkt daran!" Heute Abend um 19 Uhr geht es auf die große Bühne. Geschnuppert haben sie bereits. Sie durften sich im Theaterhaus umschauen. Und im Fundus stöbern. Die Mädchen haben dort ihre Kleidung für den großen Auftritt ausgesucht. Für die Jungs gibt's T-Shirts mit dem Aufdruck "Ready to Dance".

Dokumentarfilm einer Videojournalistin wird nach der Aufführung gezeigt

Sind sie bereit zu tanzen? Mert ist es auf jeden Fall. "Ich bin ganz entspannt", sagt er, "wenn man aufgeregt ist, verliert man seine Tänze." Nick könnte sogar seine Worte verlieren. Er tanzt nicht nur, sondern sagt die Gruppe an und erzählt zwischendurch Witze. Bevor sie anfingen, hat Rebecca Egeling die Jungen und Mädchen gefragt, was sie gerne machen. Nick sammelt und erzählt Witze. Weil sie die Choreografie für den Street Style HipHop Dance gemeinsam entwickelt haben, hat man für ihn eine Sprechrolle eingebaut. Und Theaterhaus-Schauspieler Yavuz Kövoglu nahm sich seiner an, sie arbeiteten am Text, der Ausdrucksweise und der Körpersprache.

Selbstbewusst und mutig sollen sie sein. "Wir möchten, dass sie etwas für ihr Leben mitnehmen", sagt Braswell. Und das ist bereits vor dem Auftritt geglückt. Denn Claudio Pippia, Leiter des Jugendhauses Hallschlag, hat bei seinen Schützlingen beobachtet: "Sie werden immer größer." Sein Kollege Rainer Leser vom Jugendhaus Jim Pazzo bestätigt das. "Es tut ihnen gut, mit Leuten zu reden, die in ganz anderen Welten leben." Oder wie es Jesse sagt: "Ich kann stolz auf mich sein!"

Immer dabei war Elisabeth Eder. Die Videojournalistin hat eine Dokumentation gedreht, die heute nach der Aufführung gezeigt wird. Zehn Stunden Material hat sie aufgenommen und zu 14 Minuten und 30 Sekunden verdichtet. "Wir haben nichts gestellt", sagt sie, "ich war ziemlich schnell Teil der Gruppe, und sie haben mich kaum mehr wahrgenommen."

Auch die Aufführung heute wird sie filmen. Bis jeder seinen Applaus bekommen hat. Der verdiente Lohn für die Mühen, "die ihnen hoffentlich auch für ihren Alltag helfen". Sagt Braswell. Auch auf unerwartete Weise. Stefania hat nämlich dieser Tage eine Englisch-Arbeit zurückbekommen. "Ohne Fehler", sagt sie. Bei Armando Braswell lernt man Tanzen und Englisch.

"Ready to Dance" ist am Dienstag, den 5. April, um 19 Uhr im Saal T3 des Theaterhauses zu sehen. Der Eintritt ist frei.