Die Geschwindigkeitsbeschränkung auf zwei Autobahnen im Süden kommt zunächst nicht. Foto: dpa

Der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann sagt den geplanten Modellversuch zu Tempo 120 auf Autobahnen ab. Der ADAC findet die Entscheidung richtig, andere sind empört.

Stuttgart - Mit gemischten Gefühlen haben Verkehrsverbände auf den Rückzug vom Modellversuch für Tempo 120 auf den Autobahnen 81 (Stuttgart-Singen) sowie 96 (Lindau-München) reagiert. Der ADAC erklärte auf Anfrage, dass das Einstellen des Modellversuchs in Baden-Württemberg „richtig“ sei: „Wir halten ein generelles Tempolimit auf den Autobahnen nicht für sinnvoll und nicht für notwendig“, sagte die ADAC-Sprecherin Diana Sprung in München. Es sei besser mit Verkehrsbeeinflussungsanlagen auf Wetterlagen, Unfälle, Pannen und Staus zu reagieren und befristete Tempolimits zu verhängen. Auch sei eine Geschwindigkeitsbegrenzung an „gefährlichen Stellen“ sinnvoll. „Deutsche Autobahnen sind verhältnismäßig sicher. Hier wird ein Drittel aller Fahrleistungen erbracht, aber es passieren dort nur 6,4 Prozent der Unfälle. Allerdings verzeichnen wir auf Autobahnen zwölf Prozent der tödlich Verunglückten.“

Der ökologische Verkehrsclub VCD warf der grün-schwarzen Landesregierung in Stuttgart vor, dem „Druck von Daimler und Porsche“ nachgegeben zu haben, die mit „Tested on German Autobahn“ werben würden: „Wieder einmal knickt die Politik vor der Autoindustrie ein und beruft sich auf ein Gutachten, das rechtliche Probleme äußert.“ Die gebe es aber häufig, es bedürfe des „Rückgrats“ von Politikern für eine Sache zu streiten und sie gegebenenfalls vor Gericht auch durchzusetzen. Das Unfallrisiko steige mit höherer Geschwindigkeit und der Spritverbrauch bei einer Geschwindigkeit von 200 Stundenkilometer könne bis zu doppelt so hoch sein wie bei Tempo 120.

Hermann sieht rechtliche Probleme bei seinem Vorhaben

Landesverkehrsminister Minister Winfried Hermann (Grüne) erläuterte am Freitag, warum er seinen Plan eines befristeten Modellversuchs mit einem Tempolimit nicht weiterverfolgt. In einem vom Land Baden-Württemberg in Auftrag gegebenen Gutachten werde „die rechtliche Grundlage für einen solchen Pilotversuch angezweifelt“. Hermann sagte: „Auf Grund des Gutachtens und der ablehnenden Haltung des Bundes sowie des Koalitionspartners CDU können wir nicht länger am Modellversuch festhalten.“ Er werde aber genau prüfen lassen, ob wegen der „ immer wieder stattfindenden illegalen Autorennen auf der A 81“ und ihren Gefahren dort ein Tempolimit geboten sei. Auch auf der A 96 mit ihren teils kurvigen Strecken und nahe aneinander liegenden sowie zum Teil sehr kurzen Ausfahrten kämen Tempolimits wegen der Gefahrenlage in Betracht. „Diese dürften aber voraussichtlich nur auf einzelnen Abschnitten notwendig sein“, sagte Hermann.

Noch als Oppositionspolitikerin hatte die CDU-Verkehrsexpertin Nicole Razavi angezweifelt, dass der von Hermann geplante Modellversuch mit dem Recht im Einklang stehe, da es auf Bundesautobahnen kein generelles Tempolimit geben dürfe. Der grüne Verkehrsminister hatte sein Festhalten an dem Modellversuch damit begründet, dass es seit Anfang der 90er Jahre keine fundierte wissenschaftliche Untersuchung mehr darüber gegeben habe, wie ein Tempolimit auf das Unfallgeschehen wirke. Mit seinem Vorhaben hatte sich Hermann auch Ärger mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eingehandelt, der bei ihm im November 2015 per Brief anfragte, wie er dazu komme, auf Bundesautobahnen ein Tempolimit einführen zu wollen, dies sei allein Sache des Bundes.

Auf 32 Prozent der 1039 Kilometer Autobahn in Baden-Württemberg gilt bereits eine Geschwindigkeitsbegrenzung. Durch die einst von Hermann geplanten Versuchsstrecken mit Tempolimit – 32 Kilometer auf der A 81 zwischen dem Kreuz Hegau und dem Dreieck Bad Dürrheim und auf der A 96 rund 48 Kilometer zwischen Achberg und Aitrach – wären 7,7 Prozent hinzu gekommen. Diese Pläne sind nun aber Makulatur.