Der Tauchturm in Esslingen – ein Turm der in die Tiefe geht. Foto: Peter Petsch

Beim Tauchen liegt das Ziel nicht hoch oben, sondern tief unten. Insofern ist ein Tauchturm das Gegenteil von einem Turm. Wie aber sollte man den Tauchturm des Tauchsportcentrums (TSC) Esslingen in Denkendorf nennen?

Esslingen - Beim Tauchen liegt das Ziel nicht hoch oben, sondern tief unten. Insofern ist ein Tauchturm das Gegenteil von einem Turm. Wie aber sollte man den Tauchturm des Tauchsportcentrums (TSC) Esslingen in Denkendorf nennen? Tauchschacht? Susanne Olah lacht: „Die Taucher müssen immerhin nach oben in den ersten Stock, dann die Treppen zum Beckenrand hoch, und erst dann können sie abtauchen“, hält die 35-jährige Inhaberin des TSC eisern am Begriff Turm fest. Im Tauchturm, der bis vor einigen Jahren noch im Erlebniszentrum Dick in Esslingen war, haben die Kunden die Möglichkeit, ihre Ausrüstung vor dem geplanten Tauchurlaub zu testen, und Neulinge in dem Sport die Chance, im sicheren Becken Erfahrungen zu sammeln. Auch die Profitaucher der Wasserschutzpolizei und Rettungsschwimmer trainieren beim TSC. Insgesamt wagen etwa 1000 Taucher pro Jahr in Denkendorf den Sprung ins warme Wasser.

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Türme in Stuttgart und Region

Das Tauchbecken ist mit fünf mal fünf Metern so breit wie lang, sechs Meter tief , so blau wie der Indische Ozean und mit 25 Grad in etwa ebenso warm. Mit 115 000 Litern Wasser aber wesentlich überschaubarer. Sobald die Taucher im hautengen Neoprenanzug stecken, die Tarierweste mit dem Blei, das sie in die Tiefe zieht, anhaben, die Druckluftflasche geschultert haben und über den sogenannten Atemregler ein- und ausatmen, ist vergessen, wo sie sich befinden: Der Verkehr auf der Straße dringt wie das Rauschen des Meeres im Urlaub durch das offene Fenster. Und jetzt heißt es nur noch: Tauchmaske aufsetzen, Mundstück zum Atmen fest im Mund behalten und ab ins Becken. Damit ja nichts schiefläuft, geht es in Begleitung von Tauchlehrerin Susanne Kromer abwärts.

Ganz langsam sinkt der Körper tiefer. Hunderte silberne Luftblasen steigen dabei nach oben. Durch die Wasserdecke bricht das Licht der tief stehenden Sonne. Die fast märchenhafte Szene endet mit dem lautlosen, aber plötzlichen Plumps auf den Beckengrund. Bei nur sechs Meter Tiefe ist man schneller als gedacht auf dem Boden der Tatsachen angelangt. Der Weitblick, den Turmbesteiger auf echten Türmen und Taucher bei guter Sicht im Ozean haben, ist durch die Wände des Tauchturms begrenzt. Doch um der Realität zu entfliehen, muss man nur die Fantasie anknipsen. Am besten, indem man sich auf die eigene Atmung konzentriert, das helle Blau der Beckenwände auf sich wirken lässt, sich an Tauchgänge im offenen Meer erinnert. „Zum Beispiel an die Begegnung mit einem Blauhai, der mir beim Tauchen in Portugal so nah gekommen ist, dass kein Blatt mehr zwischen uns gepasst hat. Dann hat er mir in die Augen geguckt, als könne er mir tief in die Seele blicken“, erinnert sich Kromer nach dem Auftauchen im TSC-Turm an einen ihrer schönsten Tauchgänge. Tauchen – vor allem das Tauchen in offenen Gewässern: Das ist immer auch ein Abstecher zum eigenen Ich und ein Ausflug in eine Welt, die die Unendlichkeit erahnen lässt.

Schiefgehen kann dabei einiges: Zum Beispiel kann die Maske vom Gesicht rutschen oder die Luft in der Flasche ausgehen. Auf solche Situationen bereiten Kromer und ihre Kollegen vom TSC ihre Schüler vor. „Im Turm können wir richtiges Verhalten üben und auch sämtliche Trainings machen, egal ob Anfänger- oder Tauchlehrerausbildung“, sagt Kromer. Geübt wird zum Beispiel, die Tauchmaske ab- und wieder aufzusetzen und das Wasser mit der Nase rauszublasen, die Tarierweste aus- und wieder anzuziehen und den Tauchpartner im Notfall über den eigenen Lufttank mit Luft zu versorgen. Die Prüfungen selbst werden im offenen Gewässer abgenommen. „Die meisten Anfänger müssen sich auch im Turm überwinden abzutauchen. Wenn sie wieder auftauchen und die Maske abnehmen, blicke ich immer in strahlende Gesichter“, sagt Kromer.

Sie selbst hat beim Schnuppertauchen auf Teneriffa vor gut zehn Jahren Feuer fürs Tauchen gefangen. „Danach war klar, dass ich einen Kurs mache“, sagt sie. Den hat sie im Turm im Dick absolviert. Danach folgten weitere Kurse. Vor fünf Jahren hat Kromer ihre Lizenz als Tauchlehrerin erhalten. Im wirklichen Leben arbeitet sie als kaufmännisch-technische Angestellte. Um als Tauchlehrerin leben zu können, müsste sie irgendwo auf der Welt eine Tauchbasis leiten. Obwohl sie schon verschiedene Angebote wie zum Beispiel die Leitung einer Station in Mikronesien bekommen hat und sie nur hätte zugreifen müssen, ist ihr das zu riskant. „Wenn ich dann zurück nach Deutschland komme, hätte ich vermutlich keine Chance mehr, in meinem Beruf als kaufmännisch-technische Angestellte zu arbeiten“, sagt sie und zieht im Alltag der Schwerelosigkeit des Tauchens die Bodenständigkeit vor.

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