Szymon Holownia könnte es bis zum Staatspräsidenten bringen. Foto: imago//Damian Burzykowski

Das Erfolgsrezept des Aufsteigers Szymon Holownia ist ein ebenso altes wie unterhaltsames: In Polen gewinnt der Antipolitiker in der Politik.

Er trägt eine Kassengestellbrille, hat eine kurzhaarige Bubifrisur und ein eher unscheinbares Gesicht. Und dennoch ist er aktuell der Superstar der polnischen Politik, auch auf Tiktok, dem Medium der desinteressierten Jugend mit der kurzen Aufmerksamkeitsspanne.

Szymon Holownia wirkt seit dem 13. November als Sejm-Marschall, wie der Parlamentspräsident in Polen heißt. Der 47-jährige Politiker des christlich-agrarischen Parteienbündnisses Dritter Weg hat ein hohes Ziel – er will die Kultur der politischen Debatte in Polen erhöhen, den Beschimpfungen und dem Geschrei ein Ende setzen.

Oft verwendet Holownia die Ironie

„Ihr Benehmen ist eine Ohrfeige für diejenigen, die am 15. Oktober zur Wahl gingen“, ruft er schon mal den Abgeordneten zu. Oft verwendet der Sejm-Marschall die Ironie, kritisiert Grammatikfehler von rechten Politikern oder spricht ihnen mit Zurufen wie „beleidigen sollte man eben können“ eine in Polen wichtige Kompetenz ab.

„Haltet das Popcorn bereit!“, kündigt er seinen Fans Debatten an, und tatsächlich halten schon Kinobesitzer Säle frei, um die Sejm-Sitzungen zu übertragen.

Unterhaltend wie auch verworren erscheint derzeit die politische Situation in Polen, man spricht von zwei Regierungen: Staatspräsident Andrzej Duda hat den nationalkonservativen Regierungschef Mateusz Morawiecki am 27. November mit der Bildung eines Kabinetts betraut. Dessen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) erreichte zwar die meisten Stimmen, kann im Sejm jedoch keine Mehrheit bilden.

Am kommenden Montag wird Morawiecki darum die Abstimmung im Sejm verlieren, darauf wird Donald Tusk die Vertrauensfrage stellen und gewinnen – neben dem Dritten Weg wollen das liberal-konservative Bündnis Bürgerkoalition (KO) und die Neue Linke den Danziger regieren lassen. Managen wird dieses Ereignis Holownia, der bereits jetzt verspricht, dass es „an politischen Emotionen nicht fehlen wird“.

In Polen gewinnt der Antipolitiker in der Politik

Sein Erfolgsrezept ist ein altes: In Polen gewinnt der Antipolitiker in der Politik. Die seit 2005 bestehende Polarität zwischen der Recht und Gerechtigkeit und der Bürgerplattform, die sich später mit der liberalen Partei Modernes Polen zur Allianz Bürgerkoalition zusammenfand, war der offizielle Grund für den katholisch orientierten Journalisten und Schriftsteller, in die Politik zu gehen.

Als Präsidentschaftskandidat erreichte er 2020 einen Achtungserfolg, ein Jahr später gründete der Familienvater die Partei Polen 2050 eine Anspielung auf das Ziel, bis zum Jahr 2050 an der Weichsel Klimaneutralität zu erreichen.

Und das Amt des Sejm-Marschalls gilt kaum als Endpunkt seiner politischen Ambitionen – Holownia will Staatspräsident werden, in anderthalb Jahren wird der PiS-nahe Andrzej Duda seinen Posten räumen. Aber auch dem kommenden Premier Donald Tusk, der aus der Bürgerplattform stammt, werden diese Ambitionen nachgesagt. Es ist die Hoffnung der scheidenden Partei Recht und Gerechtigkeit, dass sich hier ein Spannungsverhältnis unter den Koalitionspartnern ergibt. Sie sehen in Holownia einen „Kasper“ und „Hampelmann“.

Auf das polnische Parlament warten jedenfalls turbulente Zeiten. Die kommende Regierung will mit den acht Jahren Regierungszeit der PiS abrechnen. Affären wie der illegale Handel mit Arbeitsvisa, das Nutzen des Spionageprogramms Pegasus gegen die Opposition sowie Unregelmäßigkeiten bei der Präsidentschaftswahl sollen untersucht werden. Zudem will die Regierung Tusk die umstrittene Justizreform der PiS rückgängig machen, gekoppelt an diese Reform ist ein besseres Verhältnis zu Brüssel.