Der Kunstraum Sulz ist das Thema der Sonderausstellung, mit der die Kälberer-Stiftung die Sommersaison eröffnet hat. Von links: Christine Dietz, Gerhard Kälberer, die Künstler Veronica Munin-Glück und Norbert Stockhus, Kreisarchivar Bernhard Rüth, Margarethe und Reinhold Kälberer Foto: Steinmetz

Stiftung Paul Kälberer zeigt exemplarische Werke von neun heimischen Künstlern.

Sulz-Glatt - Es gibt viele "berühmte Sulzer Köpfe". Bis zum 19. Jahrhundert sind jedoch mit Ausnahme von Gustav Bauernfeind keine Künstler dabei. Erst in jüngerer Zeit ist Sulz zu einem "aufstrebenden Kunstzentrum" geworden, wie die am Samstag eröffnete Kunstausstellung im Kälberer-Atelierhaus in Glatt eindrucksvoll zeigt.

"Paul Kälberer und der Kunstraum Sulz" lautet der Titel der diesjährigen Sonderausstellung mit exemplarischen Werken von neun Künstlern. Das Interesse beim Start in die Sommersaison war groß: Der Vortrag von Kreisarchivar Bernhard Rüth musste nach draußen übertragen werden, wo auf den Bänken noch zahlreiche Interessierte saßen – kein Problem bei dem schönen Wetter.

Rüth zitierte eingangs den Landeshistoriker Otto Borst, der dem "Sulzer Geist" einen ausgeprägten Realitätssinn bescheinigte. Mit "Extravaganzen einer sinnlich-ästhetischen Kultur" habe man in Sulz nichts anfangen können. Rüth führte das unterkühlte kulturelle Klima auf die evangelisch-pietistische Prägung des Geisteslebens, typisch für altwürttembergische Städte, zurück. Das sah er mit als Grund dafür, dass Kunst und Künstler in Sulz bis weit ins 20. Jahrhundert hinein einen schweren Stand hatte.

Künstlerische Impulse aus der Stadt gingen im 19. Jahrhundert eigentlich nur von dem 1848 in Sulz geborenen Gustav Bauernfeind aus, und der habe seine Geburtsstadt bereits im Kindesalter verlassen. Er wurde vergessen, bis ihn Hugo Schmid in den 1980er-Jahren wiederentdeckte. Heute zählt Bauernfeind zu den bedeutendsten Orientmalern Deutschlands.

Rüth hatte für die Ausstellung allerdings ein Werk aus einer anderen Schaffenszeit ausgewählt, nämlich das Ölgemälde "Verona – Wäscherei an der Etsch". Es entstand 1880 während des zweiten Italienaufenthalts des Künstlers. Es ist eine Leihgabe des Landkreises Rottweil an das Bauernfeindmuseum in Sulz.

Den "Aufbruch des Sulzer Raumes in die Welt der Kunst" verbindet Rüth mit Paul Kälberer. Der aus Stuttgart stammende Maler zog 1927 nach Glatt und lebte hier bis zu seinem Tod 1974. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Kälberer die Kunstschule Bernstein gegründet. Zu seinen "Verbindungsleuten" in Sulz habe der kunstsinnige Arzt Erwin Bitzer gehört. Paul Kälberer gehöre, so Rüth, zu den Hauptvertretern der "Neuen Sachlichkeit". Beispielhaft steht dafür die Glatter "Bachlandschaft" aus den Jahren 1931 bis 1933 – eine Traumlandschaft von einem schwäbischen Arkadien im Stile der alten Meister.

Ein Zeitgenosse Kälberers war der Maler Johannes Heinzelmann, der in Hopfau unter ärmlichen Verhältnissen lebte. Er wurde 1867 in Weiden geboren. Auf Kälberers Veranlassung erhielt der Malerkollege im Nachbarort eine finanzielle Unterstützung, zum Leben reichte sie aber kaum aus. Heinzelmann starb 1947 an Unterernährung. Ein Ruhmesblatt für den Kunstraum Sulz sei dies nicht gewesen, stellte Rüth fest. Von Heinzelmann wird das Landschaftsbild "Blick auf die Reinau", eine Leihgabe der Ortschaftsverwaltung Hopfau, ausgestellt.

Alle Bernsteinschüler in die Sonderausstellung miteinzubeziehen, war nicht möglich. Ein Vertreter war aber eng mit Paul Kälberer verbunden – der 2004 verstorbene Maler und Grafiker Reinhold Fendrich. Er unterrichtete von 1950 bis 1986 als Kunsterzieher am Albeck-Gymnasium Sulz. Mit dem Bild "Fünf Riesen" – sie erinnern an die Sulzer Mammutbäume – wird deutlich: Reinhold Fendrich war ein meisterlicher Zeichner. Das künstlerische Talent hat offenbar auch sein Sohn Albrecht geerbt. Dieser studierte Malerei an der Kunstakademie Stuttgart, wechselte dann aber zur künstlerischen Fotografie. Im Auftrag des Landkreises begleitete er als "Fotobildner" den Bau des Testturms in Rottweil. Von ihm ist die Fotoarbeit "Aufzugsschacht 2" zu sehen.

Neben der "Bachlandschaft" ist das große Glatt-Porträt von Norbert Stockhus der zweite Blickfang im Ausstellungsraum. Er gehöre, wie früher Paul Kälberer, zu den führenden Künstlerpersönlichkeiten am oberen Neckar, sagte Rüth. Als bekennender Realist schaffe Stockhus eine fantastische Kunst-Welt. In den vergangenen vier Jahrzehnten habe er sich wiederholt mit der dörflichen Umgebung auseinandergesetzt, vor allem mit dem Glatter Wasserschloss.

Im Alter von 39 Jahren starb im Jahr 1987 der Sulzer Kunsterzieher Jörg Neuner-Duttenhofer, ein Kommilitone von Stockhus an der Stuttgarter Kunstakademie. Neuner-Duttenhofer ist mit zwei Ätzradierungen, festungsartigen Architekturgebilden, in der Sonderausstellung vertreten.

Die gebürtige Sulzerin Gerda Brodbeck starb 2008. Sie hatte an der Hochschule der Künste in Berlin studiert und genoss in der deutschen Kunstszene, so Rüth, eine hohe Wertschätzung. Der Landkreis hat von ihr das frühe Meisterwerk "Feierabend" erstanden, das im Nebenraum platziert ist.

Eine Vertreterin der jüngeren Generation der Postmoderne sei die aus Buenos Aires stammende, in Sulz lebende Künstlerin Veronica Munin-Glück. Die gelernte Architektin komponiere Raumbilder mit magischer Wirkung und optischen Rätseln. Ein Beispiel dafür ist das Gemälde "Bacoli I" mit Impressionen aus der gleichnamigen Gemeinde nahe Neapel. Dieses hängt im Flur an der Stirnwand.

Die Stadt Sulz sei stolz, dass sich hier ein Kunstraum etablieren konnte, bedankte sich Bürgermeister-Stellvertreterin Cornelia Bitzer-Hildebrandt beim Landkreis Rottweil und der Kunststiftung Kälberer für die Organisation der Ausstellung. Ländliche Gemeinden suchten solche Events, um einen "Bekanntheitsbonus" zu bekommen.  Das Areal der Kunststiftung im Paul-Kälberer-Weg 19 ist bis zum 27. Oktober an Sonn- und Feiertagen jeweils von 14 bis 17 Uhr zugänglich. Für Besucher des Kultur- und Museumszentrums ist der Eintritt frei.