Fotos: Kopp Foto: Schwarzwälder-Bote

Archivar Herwart Kopp forscht über Sprengkammern der 1950er-Jahre in Sulz

Sie sind Zeugnisse des Kalten Kriegs: In den 1950er- Jahren wurden in Sulz und Umgebung Sprengkammern gebaut. Herwart Kopp hat eine solche Kriegsanlage am Holzhauser Diebeswegle entdeckt.

Sulz. Der Archivar wollte Genaueres darüber wissen. Im Holzhauser Archiv fand er nichts, das Sulzer Archiv war jedoch ergiebiger. Dort entdeckte Kopp unter anderem einen Lageplan, auf dem zehn Sprengkammern verzeichnet sind. Die Nummerierung geht allerdings bis 22: Offenbar waren es auch so viele. Neben dem aus dem Boden herausragenden Schacht in Holzhausen, an der Grenze zu Mühlheim und Fischingen, konnte Kopp eine zweite Kammer am Feldweg hoch zum Viehhaus ausfindig machen. Dort sieht man noch den Ring eines Schachts.

Bundesweit sind damals Tausende von Sprengfallen – versteckte Bohrlöcher oder auch getarnte Gully-Schächte – an strategisch wichtigen Punkten angelegt worden. Während des Kalten Kriegs rechnete man mit dem Einmarsch sowjetischer Truppen. Im Ernstfall sollten diese geheimen Kriegsanlagen in die Luft gesprengt werden, um den Vormarsch feindlicher Panzer zu stoppen.

Die französische Besatzungsmacht hatte 1954 die Anlegung der Sprengkammern in Sulz veranlasst. Beauftragt wurde damit eine Firma aus Nagold. Auf die Arbeiten sind die Sulzer Bürger aufmerksam geworden, als der Gemeinderat mit einer einstimmig verabschiedeten Resolution gegen diese militärischen Baupläne protestierte.

Das fand in der Presse ein überregionales Echo. In der Stuttgarter Zeitung wird am 12. November 1954 der Inhalt der Resolution veröffentlicht. Der Sulzer Gemeinderat schrieb: "Wir wissen, dass es außerhalb unseres Einflussbereiches liegt, die Ausführung solcher Anlagen zu verhindern. Trotzdem sehen wir uns vor unserem Gewissen und dem Gewissen jedes friedliebenden Menschen verpflichtet, öffentlich Protest zu erheben und die hierfür maßgebenden Stellen zu bitten, mit allen Mitteln den Frieden zu fördern und blutige Auseinandersetzungen zwischen den Völkern als menschenunwürdig zu verhindern."

Der Protest äußerte sich noch in einer anderen Form: "Sulz darf nicht zum Pulverfass werden", ist auf eine Betonröhre geschrieben worden.

Die Nagolder Firma hatte mit den Arbeiten begonnen, ohne darüber den Sulzer Bürgermeister zu informieren. Wie weiteren Zeitungsartikeln aus dieser Zeit zu entnehmen ist, hat Bürgermeister Walter Wezel in jener Sitzung öffentlich erklärt, er werde dafür sorgen, dass die Baufirma aus Nagold in und außerhalb von Sulz keine Aufträge mehr erhalten werde.

Turbulent ging es dann offenbar noch bei der "Nachsitzung" im Gasthaus Löwen zu. Da soll der Bürgermeister zwei Schachtmeister der Nagolder Firma beleidigt haben. Unter anderem soll er gesagt haben: "Fühlen sie sich moralisch ins Gesicht gespuckt."

Die Firma klagte darauf hin beim Amtsgericht Horb: Der Stadt solle durch einstweilige Verfügung untersagt werden, den Einbau von Sprengkammer zu unterbinden. Zum anderen warf die Firma dem Bürgermeister vor, er habe nicht verhindert, dass die Presse über die Gemeinderatssitzung, die übrigens öffentlich war, berichtete.

Das Amtsgericht, das in Sulz tagte, ließ nicht lange auf die Urteilsverkündigung warten. Der Richter lehnte die einstweilige Verfügung der Firma ab und bestätigte damit das Recht der Gemeinden, den Sprengkammereinbau zu verhindern. Nach der Verhandlung, wird berichtet, stürzte sich der Inhaber der Baufirma wütend auf einen Journalisten, der ihn fotografieren wollte.

Herwart Kopp hat für das Kreisarchiv bereits zahlreiche Kleindenkmale erfasst. Für ihn gehören diese Sprengkammern, die vor rund 60 Jahren gebaut wurden, mit dazu: "Das ist auch Geschichte."