Inhaberin Britta Blaurock (links) und Ute Szymanski (Filialleiterin) von der Buchlese umringt von Hartmut Walter, Gerd Hieber und Michael Schmid. Foto: Schwarzwälder Bote

Rundgang: Bürgermeister, Wirtschaftsförderer und Mitglieder des HGV diskutieren mit Einzelhändlern

Was haben ein Weinhändler, eine Buchhandlung und ein Sportgeschäft gemeinsam? Alle drei binden in der Sulzer Kernstadt kaufkräftige Kundschaft – und das ist, wie beim Firmenbesuch des Bürgermeisters zu erfahren war, alles andere als einfach.

Sulz. Wer als Einzelhändler übeleben will, der muss vor allem eines sein: flexibel. Flexibel, was seine Warenpalette angeht, flexibel, wenn es um die Konkurrenz aus dem Internet geht, aber auch – wie im Fall von Reiner Schenk – flexibel, wenn etwas Unvorhersehbares, wie ein Brand, geschieht. Dann braucht’s einen langen Atem und manchmal eben auch die Unterstützung der Stadt.

Mehrmals im Jahr besucht Bürgermeister Gerd Hieber gemeinsam mit Wirtschaftsförderer Hartmut Walter und Vertretern des Handels- und Gewerbevereins (HGV) Sulzer Betriebe und Firmen. Diesmal stand der Einzelhandel in der Kernstadt rund ums Rathaus im Mittelpunkt. Die erste Station – das Weinhaus Schenk – erwies sich als geschickt ausgewählter Startpunkt. Zur Begrüßung offerierte Inhaber Reiner Schenk ein Gläschen Schampus. Den edlen Tropfen – einen Nominé Renard – köpfte der Kenner gekonnt mit einem Säbel. Dazu gab’s feine Pralinen und Käsegebäck.

Schampus im Weinhaus

Nun ging’s bei der Wirtschaftsrunde aber nicht nur ums Genießen, sondern um die Frage, wie sich der Sulzer Einzelhandel fit für die Zukunft macht. Auf die Frage der HGV-Vorsitzenden Gislinde Sachsenmaier, woher Schenks Kunden kommen, zitiert dieser knapp seine Großmutter – "von de Sulzer kannsch it leben". Nein, Kontakte müsse man haben. Und die hat Schenk. Schließlich reicht die Betriebsgeschichte bis ins Jahr 1896 zurück. So besteht der Kundenstamm des Weinhauses zu etwa je einem Drittel aus Privatkunden, Gastronomie und Industrie. Bei letzterer würden auch mal 4000 Flaschen einer Sekt-Eigenmarke an den Mann gebracht.

Ernst wird Schenk, als er von dem Feuer erzählt, das vor zwölf Jahren seine Weinhandlung ruinierte. Er habe sich damals auch Unterstützung von der Stadt erhofft, aber keine erhalten, richtete Schenk die Kritik an den Bürgermeister. Damals sei das Sanierungsprogramm Stadtkern zwar bereits auf den Weg gebracht worden, Zuschüsse konnten aber noch nicht ausbezahlt werden. Schenk, der das Geld hätte gut gebrauchen können, wollte sein Geschäft aber so schnell wie möglich wieder eröffnen, blickten Hieber und Sachsenmaier zurück.

E-Bikes sind Topseller

Vom umtriebigen Weinexperten führte der Weg zum betriebsamen Sportgeschäft Stiehle, das ebenfalls auf eine lange Tradition zurückblicken kann. 1912 von Albert Ziegler gegründet, reichte das Sortiment von Eisenwaren über Ölöfen und Nähmaschinen bis zu Gartenmöbeln und Skiern. Immer wieder habe man das Angebot der Nachfrage anpassen müssen, erzählte Eberhard Stiehle. Damals habe es noch keine Konkurrenz großer Baumärkte gegeben. "Erst als der Baumarkt in Bochingen kam, ging es los." Als er 1972 und etwas später sein Bruder Ludwig das Geschäft des Vaters übernahmen, wurde die Idee geboren, ausschließlich Sportartikel zu verkaufen. "Mit Fußbällen der Firma Uhlsport fing es an." Später wurde das Sortiment um Mountainbikes erweitert. "Heute will jeder nur noch E-Bikes haben", sagt Ludwig Stiehle. Sie machen etwa 2/3 der verkauften Fahrräder aus.

Den heutigen Standort im Erdgeschoss des ehemaligen Rathauses wissen die beiden Eigentümer zu schätzen, wenngleich das Thema Parkplätzmangel die Einzelhändler umtreibt. Deshalb halten beide eine Verkehrskonzeption für die Sulzer Innenstadt für notwendig. "Wir hoffen, dass dabei was Gutes für alle rauskommt", meint Eberhard Stiehle, der für die Freien Wähler im Gemeinderat sitzt. Der Kunde soll auch künftig mit dem Auto oder Bus in die Innenstadt kommen können. Das sieht auch der Bürgermeister so. "Verkehrskonzept heißt nicht, den Verkehr aus der Stadt herauszudrängen. Sondern ihn zu extrahieren und zu verlagern."

Buchlese geht neue Wege

Dass der Kunde in die Stadt kommt, ist auch ein Ziel, auf das die Buchlese hinarbeitet. Um sich gegen die Konkurrenz aus dem Internet zu stemmen, geht Inhaberin Britta Blaurock besondere Wege. Unter dem Schlagwort "geniallokal" hat sie sich einem Verband unabhängiger Buchhändler angeschlossen, der es möglich macht, mittels Online-Plattform den Einzelhandel vor Ort zu stärken. Was zunächst nicht so recht zusammenpasst, klingt nach Blaurocks Erklärung dann logisch: Im Online-Shop sehen die Kunden, welche Bücher in der Buchlese vorhanden sind und können diese reservieren. Bücher, die nicht vorrätig sind und vor 17 Uhr bestellt werden, können am nächsten Tag in der Buchlese abgeholt werden. Das Modell ist erfolgreich. Man sei sogar schneller als Amazon, betont Blaurock stolz. "Das kann ich bestätigen", kommentiert eine Kundin lachend.

"Mittlerweile macht das Onlinegeschäft acht Prozent unseres Gesamtumsatzes aus", betont Blaurock. Tendenz steigend. Das bringt auch Hieber zum Grübeln, der sich "geniallokal" in anderen Bereichen vorstellen kann. "Ich finde es bemerkenswert zu sehen, wie man auf die Konkurrenz aus dem Internet reagieren kann."