Karl Napf liest bei Jacobs aus seinen unterhaltsamen Charakterstudien

Von Anastasia Steinke-Vollmer

Sulz. Alle Plätze in der Buchhandlung Jacob waren besetzt: Karl Napf, der im bürgerlichen Leben Ralf Jandl heißt, eilt sein Ruf als Autor, der süffisant schwäbische Eigenheiten beschreibt, eben voraus. Liebevoll ironisch, belegt durch herausragende geschichtliche Recherche, die zurückgeht bis zum Homo Steinheimensis, begeisterte Napf mit schwäbischer Charakterkunde.

Kurzweilig und amüsant war die Lesung aus seinen beiden Büchern "Brauchet Sie’s glei?" und "Der Schwabe als solcher", mit denen Napf heitere Anekdoten – sowohl selbst erlebte als auch ihm zugetragene – in die ihm eigene Form, Menschen den Spiegel vorzuhalten, damit sie über sich selbst schmunzeln können, gebracht hat. Egal, ob es um die Heirat eines reichen Bauern ging, der diese unbedingt auf Freitagabend terminiert haben wollte, weil er da sowieso duscht, oder um das schwäbische Misstrauen Fremden gegenüber, das Wegweiser verschwinden ließ, denn: "Mir wissat, wo’s nagoht, ond de andre goht’s nenz a!"

Die Kehrwoche als Säule württembergischer Tradition gebe es seit 1492 – erlassen wurde sie von Graf Eberhard – leitete Napf über zu einem Streitfall zwischen zwei Hausfrauen, der es bis vor den Friedensrichter schaffte: Wer darf welchen Teil der Straße fegen? Vom Holzhauser Ortsvorsteher wurde Napf in dieser Sache ein Gerichtsprotokoll vom 21. Juli 1821 zur Verfügung gestellt, in dem die Frauen ihr Recht aufs Fegen verteidigten.

Nicht fehlen durfte natürlich auch Süffisantes zur berühmt-berüchtigten schwäbischen Sparsamkeit, bei der sich hinter bescheidener Lebensweise so mancher ungeahnte Reichtum verbirgt.

Auch einem Nordstetter Original, der Hedwig aus dem Gemischtwarenladen, hat Karl Napf eine Geschichte gewidmet. Weil heutzutage das meiste im Supermarkt gekauft werde, gingen die Leute nur noch zu ihr, um das zu holen, was sie dort vergessen hätten. So wurde auch Napf von seiner Frau zur Hedwig geschickt, um eine Zitrone zu kaufen. "Ja, wia? A ganze?", habe die sein Anliegen knitz entgegengenommen. Das hat Napf imponiert.

"Zeige mir Deinen Garten, und ich sage Dir, wer Du bist", ist eine von Karl Napf gezogene Schlussfolgerung angesichts dessen, dass die Schwaben sehr viel Zeit für ihren eigenen Garten aufwenden und dementsprechend auch Nachbars Garten kritisch in Augenschein nehmen.

Als ältester bekannter Schwabe konnte Napf den Homo Steinheimensis anführen, der vor 2,5 Millionen Jahren in Steinheim an der Murr gefunden wurde. Auch im 20. Jahrhundert habe die Schwäbin ihren Ruf als gute Geliebte behaupten können, und im Gegensatz zu guten Geliebten aus anderen Regionen sei sie auch eine gute Köchin und Hausfrau, hat Napf in akribischer Vergleichsarbeit herausgefunden.

Wen wundere es da noch, wenn norddeutsche Väter ihre Söhne nach Tübingen zum Studium schickten mit der Auflage, mit gutem Examen und schwäbischer Frau zurückzukommen?

Belohnt wurde Karl Napf von Michael Jacob mit einer Tasche für seine Einkäufe bei Hedwig in Nordstetten: "Käpsele kaufet em Flecka."