LVI-Präsident Hans-Eberhard Koch Foto: dpa

Die Industrie im Südwesten warnt vor überstürzten politischen Eingriffen und Regulierungen im Zusammenhang mit dem VW-Abgas-Skandal. „Jede Regulierung hat Folgen für die Arbeitsplätze“, warnt LVI-Präsident Hans-Eberhard Koch.

Stuttgart - Die Industrie im Südwesten zeigt sich überraschend stabil, allerdings gibt es etliche Unwägbarkeiten. So seien beispielsweise die Folgen der Abgas-Manipulationen von VW für die Industrie noch nicht abschätzbar. „Sie stellen ein Risiko für die Konjunktur im Land dar“, sagt Hans-Eberhard Koch, Präsident des Landesverbands der baden-württembergischen Industrie (LVI). An der Automobilindustrie im Land hänge fast jeder zweite Arbeitsplatz, sagt Koch mit Blick auf Zulieferer in der zweiten und dritten Reihe. Die Branche sei von überragender Bedeutung für Baden-Württemberg.

Bei dem Thema spielten auch nationale Interessen eine Rolle. „Ich will nicht sagen, dass alle die deutsche Automobilindustrie plattmachen wollen, aber die Häme, die gekommen ist, ist schon extrem.“ Koch warnt vor überstürzten Regulierungskonsequenzen und schnellen politischen Eingriffen. Die Forderungen aus der Politik nach verschärften Abgastests seien ziemlich heftig. Bei der „Innovationspeitsche“ durch neue Vorschriften müsse man die technische und wirtschaftliche Machbarkeit berücksichtigen. „Jede Regulierung hat Folgen für Arbeitsplätze“, warnt Koch. Den Diesel brauche man als Brückentechnologie. Derzeit könne keiner vom Elektromotor leben.

Insgesamt zeigt sich laut Koch die Industrie im Südwesten weiterhin stabil. Eine wirkliche Dynamik komme konjunkturell aber nicht auf. Die Wirtschaft sei nach wie vor von der Auslandsnachfrage getrieben – allen voran die USA und der europäische Binnenmarkt.

Starkes Auslandsgeschäft sorgt für Auftragsplus

In den ersten acht Monaten 2015 stieg der Auftragseingang um 7,5 Prozent und damit deutlich mehr als im Bund mit 3,2 Prozent. Vor allem die starken Auslandsaktivitäten der baden-württembergischen Firmen waren dafür verantwortlich. Die Auslandsnachfrage stieg um 10,5 Prozent – im Bund waren es plus 4,6 Prozent. Deutliche Zuwächse gab es vor allem in den Kernbranchen Automobilindustrie, Maschinenbau und Chemie. Die Datenlage sei aber trügerisch und fragil, denn dahinter steckten gewaltige Währungseffekte. In seinem eigenen Unternehmen etwa, dem Metallschlauchhersteller Witzenmann in Pforzheim, entfielen etwa 50 Prozent der Umsatzzuwächse auf den schwachen Euro.

Koch spricht in diesem Zusammenhang vom Doping durch den schwachen Euro, ebenso durch niedrige Inflation, niedrige Zinsen, Öl- und Materialpreise. Die Weltwirtschaft in Gänze sei immer noch träge. Die Griechenlandproblematik,der Ukraine-Konflikt und Krisen im Nahen Osten rückten in den Hintergrund.

„Aktuell hat sich Europa, allen voran Deutschland, der Herausforderung der Flüchtlingswelle zu stellen“, so Koch. „wir brauchen qualifizierte Kräfte und eine Menge von jungen Leuten in Ausbildung“, sagt Koch. Wenn man das Arbeitskräftepotenzial in den nächsten Jahrzehnten erhalten wolle, brauche man Zuwanderungsraten von jährlich 500 000 bis 900 000 Menschen.

Flüchtlingswelle bringt nicht unbedingt die Qualifizierten

Die Wirtschaft sehe deshalb die Zuwanderung positiv, auch wenn man mit der jetzigen Flüchtlingswelle nicht unbedingt die Qualifizierten und 25-Jährigen bekomme. Nun gehe es darum, wie man die Leute möglichst schnell in Ausbildung und Arbeit bringe. Er sieht dabei erhebliche rechtliche Barrieren. Von Forderungen – wie sie teils aus der Wirtschaft kommen –, Flüchtlinge vom Mindestlohn auszunehmen, hält Koch nichts. „Der Mindestlohn gilt auch für Flüchtlinge.“ Recht und Gesetz sollte man nicht außer Kraft setzen.