Das Ziel einer Razzia war die Taxi-Zentrale in Stuttgart. Foto: Peter Petsch

Die Stuttgarter Taxi-Auto-Zentrale hat Besuch von der Polizei bekommen. Wegen einer fehlenden Handtasche wollten die Beamten sämtliche Unterlagen beschlagnahmen. Um ein Haar wäre damit die gesamte Taxi-Vermittlung zusammengebrochen.

Die Stuttgarter Taxi-Auto-Zentrale hat Besuch von der Polizei bekommen. Wegen einer fehlenden Handtasche wollten die Beamten sämtliche Unterlagen beschlagnahmen. Um ein Haar wäre damit die gesamte Taxi-Vermittlung zusammengebrochen.

Stuttgart - Dass eine große Aufgabe vor ihnen liegt, wussten die neuen Vorstände um Murat Arslan und die neuen Aufsichtsräte mit Alexander Bierig an der Spitze. Dass sie die Versäumnisse ihrer Vorgänger aber so schnell einholen, hätten die Verantwortlichen für große Teile der Stuttgarter Taxi-Vermittlung aber wohl nicht gedacht. Am Donnerstagmorgen rückte plötzlich ein knappes Dutzend Polizeibeamte in der Karlsbader Straße in Bad Cannstatt an – mit einem Durchsuchungsbeschluss und dem Vorhaben, sämtliche Unterlagen und Computer mitzunehmen.

Das hätte katastrophale Folgen für die gesamte Stadt gehabt. „Das Auslesen der Daten hätte nach Angaben der Polizei drei bis sechs Monate gedauert“, sagt Arslan. In dieser Zeit wäre die Taxivermittlung in der Stadt und rund um den Flughafen zusammengebrochen. Keine Zentrale hätte die 700 Fahrzeuge vernünftig koordinieren und Aufträge entgegennehmen können. Betroffen gewesen wären auch zahlreiche Patienten, die regelmäßig Krankenfahrten buchen. „Mit so etwas hatte hier keiner gerechnet“, so Arslan.

Mithilfe eines Anwalts gelang es der Taxi-Zentrale, ohne eine Beschlagnahme des Inventars einige Fragen zu klären. „Wir haben den Beamten erläutert, dass wir nur eine Vermittlungszentrale sind und gerne mit ihnen zusammenarbeiten“, so der Vorstandsvorsitzende. Nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft habe die Polizei daraufhin entschieden, nichts mitzunehmen, weil der Folgeschaden in diesem Fall zu groß gewesen wäre.

Stein des Anstoßes ist eine simple Handtasche. Die soll laut Polizei ein Taxifahrer bereits im Mai vergangenen Jahres unterschlagen haben. Darin haben sich offenbar 95 Euro und diverse Papiere befunden. Die Besitzerin hat Anzeige gegen den Fahrer erstattet. Um dessen Identität zu klären, hat erst die Polizei, dann die Staatsanwaltschaft den alten Vorstand der Taxi-Auto-Zentrale angeschrieben – und offenbar keine Antwort erhalten. Deshalb folgte jetzt der Durchsuchungsbeschluss.

Von der Polizei gibt es zu dem Vorfall nur eine knappe Stellungnahme. Die Staatsanwaltschaft habe die Durchsuchung angeordnet, eine Beschlagnahme aller Unterlagen sei im Raum gestanden, sagt ein Sprecher. Man habe aber davon absehen können, weil die Taxi-Auto-Zentrale sich kooperativ gezeigt habe. Der neue Vorstand habe mit einigen Informationen helfen können.

In Bad Cannstatt stellt man sich die Frage, warum die Ermittlungsbehörden sich nicht erst mit den neuen Verantwortlichen ins Benehmen gesetzt haben, bevor die geballte Staatsmacht anrückt. „Da ist schon ein bisschen mit Kanonen auf Spatzen geschossen worden“, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende Alexander Bierig. Falls es tatsächlich zu einer Beschlagnahmung gekommen wäre, hätte das „verheerende Auswirkungen auf die Kunden“ gehabt. Vernünftiger wäre es deshalb gewesen, man hätte erst einmal miteinander geredet.

Eigentlich hatten die neuen Verantwortlichen gehofft, endlich Ruhe ins Taxi-Gewerbe der Region bringen zu können. Seit Monaten produziert die Branche vornehmlich Negativschlagzeilen. So sollen verkehrsuntaugliche Fahrzeuge, Sozialversicherungsbetrug der Fahrer und Differenzen unter verschiedenen Nationalitäten an der Tagesordnung sein. Ein Gutachten im Auftrag der Stadt hat vor kurzem festgestellt, das Gewerbe befinde sich in der Landeshauptstadt in einer erheblichen Schieflage. Es fordert unter anderem, die Zahl der Taxis von heute gut 700 auf maximal 575 zu senken.

Der neue Vorstand ist nach seiner Wahl durch die Mitglieder der Genossenschaft im November angetreten, „um aufzuräumen“, wie Arslan jüngst gesagt hatte. Zumindest bleibt ihm nach der Überraschung am Donnerstagmorgen jetzt das Aufräumen in der eigenen Geschäftszentrale erspart. Um ein Haar hätte er dort anfangen müssen.