Sportlicher Erfolg ist immer ein Gemeinschaftswerk – auch am Sprung der Stuttgarter Kickers in die Fußball-Regionalliga haben viele Personen ihren Anteil. Wir picken fünf Aufstiegsgaranten heraus.
Die Stuttgarter Kickers kehren in die Fußball-Regionalliga zurück. Das sind die Garanten für den ersten Aufstieg seit 2012:
Der Trainer
Seine sportliche Bilanz ist eindrucksvoll. Seit Mustafa Ünal am 27. September 2021 als Nachfolger von Ramon Gehrmann zum Chefcoach aufstieg, hat er in 63 Oberligaspielen 50 Siege eingefahren, achtmal gab es ein Unentschieden, nur fünf Niederlagen mussten die Blauen seitdem hinnehmen. Unter der Regie des 39-Jährigen treten die Blauen dominant und gierig auf. So konsequent Ünal im Training seine Linie durchzieht, so flexibel reagiert er im Spiel. Seine fußballerisch überlegene Mannschaft kann auch das Kämpferische in den Vordergrund stellen und auf schwierigem Geläuf mit langen Bällen agieren.
Den Fleiß und die Werte der Kickers-Familie lebt Ünal und sein komplettes Trainerteam vor. Den Chefcoach hat ihn seine Vita geprägt. In einfachen Arbeiterverhältnissen mit fünf Geschwistern groß geworden, musste er sich alles hart erarbeiten. „Mein Werdegang hilft mir enorm in der täglichen Arbeit mit der Mannschaft – auf und außerhalb des Platzes. Mich bringt nichts so schnell aus der Ruhe, weil ich oft genug Stress und Probleme hatte, die ich selbst lösen musste“, sagt Ünal.
Der Kapitän
Kevin Dicklhuber ist mit 25 Saisontreffern nicht nur der Torschützenkönig der Blauen, sondern auch die Nummer eins der Liga. Auffallend oft waren seine Treffer entscheidend oder dienten als Dosenöffner. Der 34-Jährige steht mit seinem Willen und seiner Einstellung stellvertretend für die Mentalität der Mannschaft. In seiner Führungsrolle reißt er seine Mitspieler mit. Mit der Binde am Arm noch mehr als früher. Ganz bewusst hat ihn Trainer Mustafa Ünal vor der Runde zum Nachfolger des bisherigen Spielführers Mijo Tunjic bestimmt.
„Ich wollte ihm noch mehr Verantwortung geben, der Plan ist voll aufgegangen, denn er gibt sein letztes Hemd für die Mannschaft, setzt sich jederzeit für seine Mitspieler ein“, sagt Ünal. Dicklhuber nörgelt, eckt an, lässt auch mal seine Wut offen raus. Er trägt sein Herz auf der Zunge, sagt immer offen und ehrlich seine Meinung – und treibt seine Mannschaft damit an. Im Sinne der Kickers.
Der Präsident
Wenn die allermeisten im Vip-Raum noch an ihren Häppchen naschen, steht Rainer Lorz lange bevor die zweite Halbzeit beginnt, wieder auf der Haupttribüne. Das Sitzen hat er sich fast schon abgewöhnt. Im Stehen leidet es sich besser. Und kein anderer leidet seit Jahren dermaßen mit den Kickers wie er. Seelisch, körperlich, mit Haut und Haaren. Andere hätten bei der Ballung an Tiefschlägen längst Reißaus genommen, Lorz blieb den Blauen treu.
Seit seinem Amtsantritt führt er die Blauen mit ruhiger Hand. Natürlich trug er als Präsident die Gesamtverantwortung für die vielen Tiefschläge, doch was wäre bei einem Wechsel auf dem Chefposten die Alternative gewesen? Die seriöse Art von Lorz ist ein Garant für das gute Verhältnis zu Stadt und Sponsoren. Dass er selbst mit seinem Privatvermögen immer wieder finanzielle Löcher stopfte, darüber würde der 60-Jährige nie reden. „Wenn’s einfach wär’, wär’s nicht Kickers“, hat der Rechtsanwalt nach einem der vielen Rückschläge einmal gesagt. Jetzt darf er einfach mal genießen.
Der Treue
Einmal Blau, immer Blau? Fest steht: Zumindest seit der C-Jugend 2011 trägt Nico Blank ununterbrochen den Dress der Stuttgarter Kickers. Der Mittelfeldspieler hat alle Tiefschläge live miterlebt: Den tragischen Absturz aus der dritten Liga 2016 nach dem 0:1 gegen den Chemnitzer FC. Das verlorene WFV-Pokal-Endspiel gegen den damaligen Landesligisten SF Dorfmerkingen 2017. Den Abstieg in die Oberliga 2018. Das Scheitern in der Aufstiegsrunde in Alzenau 2019. Den Sturz vom siebten Himmel ins Tal der Tränen vergangenes Jahr in Dorfmerkingen.
Ünal drückt es in einer Mischung aus Mitleid und Bewunderung so aus: „Was hat der Junge in den vergangenen Jahren Dreck gefressen.“ Blanks schlimmste Erfahrung war laut eigener Einschätzung das nicht gewonnene Aufstiegsspiel in Trier. Gerade mal eine Gelb-Rote Karte hatte er in seiner Karriere bis zu dieser Partie gesehen.
Und dann fliegt dieser „Mister Zuverlässig“ ausgerechnet in diesem „Endspiel“ vom Platz. Nach nur 30 Minuten. Der Teamplayer und Dauerläufer, der sich für nichts zu schade ist, blieb den Blauen treu, rappelte sich wieder auf und zählte auch in dieser Saison zu den Aktivposten. Jetzt hat er sich mit dem Aufstieg belohnt und wohl kein anderer in der Mannschaft hat ihn sich so sehr verdient wie er.
Die Fans
Ihren Frust über die vielen Tiefschläge tauschten die Fans der Kickers in der Oberliga gegen wilde Entschlossenheit. Sie unterstützten die Mannschaft mit Begeisterung und Leidenschaft. Zu Hause im Gazi-Stadion, was auch der Zuschauerschnitt von 3200 eindrucksvoll dokumentiert, und auch auswärts. „Unser Zuschauer sind einmalig, vor allem, was die Fans im B-Block abziehen, ist der Wahnsinn“, sagt Trainer Mustafa Ünal, „wir sind wahnsinnig froh, dass wir ihnen mit dem Aufstieg endlich etwas zurückgeben konnten.“
Restprogramm
Oberliga
Stuttgarter Kickers – SG Sonnenhof Großaspach (13. Mai, 14 Uhr), Stuttgarter Kickers – FC 08 Villingen (20. Mai, 15.30 Uhr), Freiburger FC – Stuttgarter Kickers (27. Mai, 15.30 Uhr).WFV-Pokal
WFV-Pokal
Finale Stuttgarter Kickers – TSG Balingen (3. Juni, 16.15 Uhr) im Gazi-Stadion auf der Waldau. (jüf)