Foto: Piechowski

Der erste Abend gehört traditionell den Stuttgarter Stammgästen - Wirte klagen über Kosten.

Stuttgart - Mallorca kann warten. Nirgendwo, wissen hier die wahren Genießer, kann es jetzt so schön sein wie zwischen Schlossplatz und Eckensee, wo das Stuttgarter Sommerfest am Donnerstag eröffnet wurde und bis Sonntag zum Flanieren, Flirten und Feiern einlädt.

 "Ah, auch wieder da?" Dumme Frage. Denn der erste Abend gehört beinahe schon traditionell den Stuttgartern. Man trifft sich, verabredet oder zufällig, ist heiter und beschwingt und wie jedes Jahr von neuem überwältigt. Von der besonderen Atmosphäre, dem stilvollen Flair, der Szenerie mit den weißen Zelten, die bei Sonnenschein den Blick fast blenden, den vielen bunten Lichtern, die bei Einbruch der Dämmerung entlang der Blumen- und Rasenrabatten im Schlossgarten entzündet werden, den Leuchtkugeln, die sich im Eckensee spiegeln, der Musik aus allen Ecken und den vielen Genüsse, mit denen wieder 29 Gastronomen locken.

Das Abenteuer Stuttgart

Thomas Heiling vom Heiling's Restaurant im Paladion in Böblingen gehört zu den Gastronomen, die in diesem Jahr ihre Premiere erleben. Er wollte, sagt Heiling, einfach mal "das Abenteuer Stuttgart wagen". Um sich bekannt zu machen und mit seiner regionalen Küche mit Spanferkel vom Hällischen Schwein und Sauerbraten vom Alb-Büffel zu überzeugen, dass sich die Landeshauptstädter auch mal zu einem kulinarischen Ausflug ins Umland verlocken lassen. Die nicht nur rosige Wettervorhersage bringt ihn nicht durcheinander: Ach, wissen Sie, ich bin so lange in der Gastronomie, da nimmt man es, wie's kommt."

Im Zeichen des Hirsches

Einen stolzen Zwanzig-Ender-Rothirsch stellen Gerhard Wahl und Karl Göbel, die auch das erste Mal auf dem Sommerfest vertreten sind, vor ihr Zelt neben der Jubiläumssäule am Schlossplatz. Als deutliches Signal, dass hier im Ableger des Landgasthofs Heldenberg der Familie Wahl in Lauterstein-Nenningen Wildspezialitäten aus heimischen Revieren auf der Speisekarte stehen. Im Jagdhütten-Interieur mit viel Holz, etwas ungewohnt für dieses Fest, werden Rehrücken (14 Euro), Wildgulasch (7 Euro) und Wildschwein-Knacker serviert. Teilweise sogar aus eigener Jagd, denn Wahl und Göbel sind passionierte Waidmänner.

Stöhnen über Kosten

Die Wirtin Conny Weitmann kann getrost als Urgestein des Sommerfestes bezeichnet werden: "Ich bin von Anfang an dabei, also jetzt zum 21. Mal", erzählt sie. Nie die Lust daran verloren? "Bis jetzt nicht, aber das kann passieren", kündigt sie drohend an. Und warum? "Weil die Kosten davonlaufen", stöhnt Conny Weitmann. Der Veranstalter in.Stuttgart habe die Platzmiete bei ihr um 1000 Euro aufgeschlagen, sie zahle jetzt für ihre Zelte vor dem Ehrenhof des Neuen Schlosses 7000 Euro. Dennoch habe sie noch mal viel Geld in die Hand genommen, um ihren Standort noch attraktiver zu gestalten: Mit besonderen Scheinwerfern werden sogar die Wappentiere Löwe und Hirsch am Eingang des Ehrenhofes angestrahlt, Mobiliar wurde erneuert, der Sohn Timo Weitmann (26) wird hinter einer schicken gläsernen und bunt illuminierten Bar stehen und eigene Drink-Kreationen mixen. Conny Weitmann findet, für diesen Einsatz würde ein Wirt eher eine Belohnung verdienen, als mit noch höheren Kosten abgestraft zu werden. Trotzdem strahlt sie: "Ich freue mich jedes Mal aufs Fest."

Ausgebucht

Holger Looß konnte sich freuen: Volles Haus beim Gastronomen von der Empore (Markthalle) bereits am ersten Abend. Auch er gehört zu den Sommerfest-Wirten der ersten Stunde: "Mein Vater Dieter Looß hat es mit Marktamtsleiter Lothar Breitkreuz kreiert", erinnert er. Wie damals beschlossen, gestaltet er sein Zelt nach wie vor besonders stilvoll und elegant: mit Teppichboden, weißen Sessel-Hussen, Tischdecken, Blumen und Palmen. Ähnlich anspruchsvoll ist seine Speisekarte, auf der auch ein Mehrgang-Menü für 34,50 Euro steht. Der erfolgreiche Auftakt mache Hoffnung, der Wetterbericht weniger: "Man braucht vier gute Tage, um etwas zu verdienen." Denn allein die Standmiete betrage 5000 Euro, "und bis alles steht, sind 50000 Euro weg. Da ist das Personal noch nicht bezahlt."

Ärger über Auflagen

Birgit Grupp vom Brunnerz schaut sorgenvoll auf den Wetterbericht, denn sie darf vor ihr Zelt keine Tische und große Schirme mehr stellen: eine Sicherheitsauflagen, weil vor ihrem Standort auf der Rückseite des Neuen Schlosses oft heftiges Gedränge herrscht. "Ich verstehe das ja nach dem Unglück in Duisburg, aber das kostet uns viel Umsatz, wenn es regnet", sagt sie.

Bitte um Verständnis

"Wir haben jetzt zum ersten Mal nach 21 Jahren die Standmiete aufgeschlagen", wirbt Andreas Kroll, Geschäftsführer von in.Stuttgart, um Verständnis. 3300 Euro statt bisher 3000 Euro pro Stand, also zehn Prozent. "Das musste sein, denn die Sicherheitsauflagen haben sich in den letzten drei Jahren verdreifacht. Und das ganze Fest kostet mehr als eine Viertelmillion."