Flüchtlinge in Stuttgart: Über die Verteilung auf die Stadtbezirke wird noch diskutiert. Foto: Thomas Wagner

Der Gemeinderat soll kommenden Donnerstag sechs Standorte für Flüchtlingsunterkünfte beschließen. Tut er es nicht, bestehe die Gefahr, dass man 2014 eine Turnhalle belegen müsse, warnt der Erste Bürgermeister Michael Föll. Wie es aussieht, sträuben sich nur kleinere Fraktionen.

Stuttgart - In der Diskussion um die Standorte geplanter Flüchtlingsunterkünfte ist politischer Gegenwind aufgekommen – nicht nur in drei Bezirksbeiräten, sondern auch im Gemeinderat. Kommenden Donnerstag soll das Gemeindeparlament über sechs Bauvorhaben abstimmen. Die Fraktionen der FDP und der Freien Wähler haben jetzt aber beantragt, dass die Entscheidung über strittige Standorte vertagt wird. Damit reagieren sie auf die Kritik, die in den Bezirksbeiräten zu den Standortvorschlägen der Stadtverwaltung geäußert worden ist.

Insgesamt sollen Unterkünfte für etwa 1000 Flüchtlinge geschaffen werden. Die ersten davon will man im August belegen. Damit möchte sich die Stadtverwaltung auf die vielen Zufluchtssuchenden einstellen, die 2014 erwartet werden.

Vorgeschlagen hat sie Systembauten in Bad Cannstatt, Hofen, Möhringen, Plieningen, Zuffenhausen und Feuerbach. Die Bezirksbeiräte in Cannstatt und Plieningen haben dem Vorhaben zugestimmt. Zuffenhausen, Feuerbach und Möhringen lehnten die Standorte ab, die beiden letzteren Bezirksbeiräte nannten Alternativen. Die Entscheidung für den Standort in Hofen steht noch aus. Die Bezirksbeiräte kritisierten vor allem, dass sie bei der Auswahl der Standorte kein Mitspracherecht gehabt hätten.

Daran knüpft der Antrag der FDP im Gemeinderat an. „Wir wollen Politik mit und für die Bürger machen und nicht über deren Köpfe hinweg“, steht dort. Deswegen fordert die Fraktion, dass vorerst nur über die unstrittigen Standorte abgestimmt wird. „Über die übrigen muss im neuen Jahr erneut beraten werden.“ Dasselbe fordern auch die Freien Wähler. „Wir wollen das nicht übers Knie brechen. Eine schnelle Entscheidung ist nicht zwingend auch die beste Entscheidung“, warnt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Konrad Zaiß. Die Unruhe in den Bezirken sei so nicht absehbar gewesen. Daher wolle man die Alternativen gründlich prüfen. So stärke man hoffentlich die Akzeptanz in der Bevölkerung. Zur Not müsse man aber auch strittige Standorte durchsetzen, sagt Zaiß: „Wir müssen auf jeden Fall die Flüchtlinge aufnehmen.“

Sind Alternativstandorte verfügbar?

Hannes Rockenbauch (SÖS/Linke) betont auch: „Es darf nicht sein, dass Menschen, die in existenzieller Not sind, kein Dach über dem Kopf haben.“ Er wisse aber auch, dass es gegenüber Flüchtlingen oft irrationale Ängste gebe. Viele Bedenken könne man in der Regel mit Argumenten zerstreuen. „Wir befinden uns da in einem Spannungsverhältnis: Wir stehen unter großem Zeitdruck, müssen aber auch die ideale Lösung finden.“

Die Vorsitzenden der größten Fraktionen - Grüne, CDU und SPD – drängen auf einen schnellen Beschluss. Alexander Kotz von der CDU erklärt: „Der Gemeinderat trifft sich erst Ende Januar wieder. Die Entscheidung jetzt zu verschieben würde also zu einer Verzögerung von etwa sechs Wochen führen.“ Auch Silvia Fischer (Grüne) betont: „Mitte nächsten Jahres sind die Flüchtlinge da. Die Standorte müssen also schnell beschlossen werden.“ Roswitha Blind (SPD) weiß: „Alle Alternativen zu prüfen ist ambitioniert. Aber die Verwaltung kann sehr schnell arbeiten, und die Bezirksbeiräte treffen sich in Sondersitzungen.“ Wie Kotz sagt sie: „Das traue ich der Verwaltung zu.“

Der Erste Bürgermeister Michael Föll (CDU) unterstreicht dies. Bereits am Freitag habe man sich zwei Stunden mit den Alternativen befasst und sei „schon relativ weit gekommen“. Er sei sich ziemlich sicher, dass man am Dienstag in den Bezirksbeiräten Feuerbach und Möhringen, am Mittwoch im Verwaltungsausschuss und am Donnerstag im Gemeinderat aussagefähige Ergebnisse und eine verlässliche Entscheidungsgrundlage liefern könne. Man werde berichten, ob die Alternativstandorte verfügbar, genehmigungsfähig und auch unter anderen Aspekten geeignet sind. Die Verwaltung prüfe das sorgfältig und ergebnisoffen. Föll: „Es geht uns nicht darum, unseren Vorschlag durchzusetzen, es geht um einen wirklich geeigneten Standort.“ Auf dem Tisch liegen 30 Vorschläge von Bezirksbeiräten, Ratsfraktionen oder auch einzelnen Bürgern.

Auch Föll macht Tempo. Es gebe einen Zeitdruck. Den kompletten Beschluss könne man „definitiv nicht verschieben“. Wenn man nur einen Teil des Programmes beschlösse, müsse man möglicherweise auch noch eine Turnhalle für Flüchtlinge heranziehen. Deshalb bleibt es das Ziel der Stadtverwaltung, am Donnerstag das komplette Programm für rund 1000 Plätze zu beschließen. Das sagt auch Stefan Spatz vom Sozialamt, den Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) soeben zum Leiter der neuen Lenkungsgruppe Flüchtlinge gemacht hat.