Zwei Tage lang hat Bahn-Vorstand Volker Kefer in Stuttgart versucht, den Projektpartnern und der Politik zu erklären, warum Stuttgart 21 teurer wird. Nach den internen Gesprächen äußerte sich der Manager im Interview.
Stuttgart – Zwei Tage lang hat Bahn-Vorstand Volker Kefer in Stuttgart versucht, den Projektpartnern und der Politik zu erklären, warum Stuttgart 21 teurer wird. Nach den internen Gesprächen äußerte sich der Manager im Interview.
Herr Kefer, am 12. Dezember 2012 haben Sie Ihrem Aufsichtsrat vorgeschlagen, wegen neuer Kosten und Kostenrisiken den Finanzierungsrahmen von Stuttgart 21 von 4,5 Milliarden Euro um 1,1 Milliarden Euro anzuheben. Wann haben Sie, Herr Kefer, erstmals gewusst, dass das Projekt derart teurer wird?
Nach den ersten Vergaben im Januar 2012 hatten wir erste, konkrete Anhaltspunkte für Budgetüberschreitungen. Dann haben wir gehandelt, indem wir ein sogenanntes Sechs-Punkte-Programm zur Kostenkontrolle entwickelt, ausgeschrieben und im April 2012 gestartet haben. Die Überprüfung der Kosten in solch einem komplexen Projekt hat dann – trotz eines Teams von rund 40 Leuten – bis Ende November 2012 gedauert. Erst dann waren wir soweit, dass ein stabiler Projektstatus berichtet werden konnte. Das haben wir dann auch unverzüglich getan.
Stuttgart 21 wird seit über 15 Jahren geplant. Außerdem gibt seit einigen Jahren eine intensive, kritische Debatte um das Projekt. Vor diesem Hintegrund: Hätten Sie eine derartige Kostenexplosion noch für möglich gehalten?
Gerade eine lange Vorlaufzeit bringt es mit sich, dass sich Projektparameter ändern. Und es liegt in der Natur der Sache, dass sich auch die Kosten mit einer vertieften Planung – und damit relativ spät im Projektverlauf – konkretisieren. Das ist aber kein Alleinstellungsmerkmal von Stuttgart 21. Wir haben jedenfalls zu jedem Zeitpunkt das an Kosten dargestellt, was wir wussten. Schon bei der Schlichtung Ende 2010 haben externe Wirtschaftsprüfer die damals auf dem Tisch liegenden Kosten auf Basis der damals vorliegenden Planungsdaten als plausibel und nachvollziehbar attestiert.
Ist das Projekt Stuttgart 21 für die Bahn eine Nummer zu groß, zu komplex?
Die Deutsche Bahn investiert jährlich mehrere Milliarden Euro in die Schieneninfrastruktur, darunter ist auch beispielsweise die Großbaumaßnahme zwischen Berlin und München mit einem Investitionsvolumen von zehn Milliarden Euro. Das Besondere an S 21 ist, dass wir hier ein politisches Umfeld wie bei kaum einem anderen Großprojekt haben. Das macht die Sache nicht leichter. Deswegen reklamieren wir von unseren Partnern bei der Realisierung von S 21, mit uns an einem Strang zu ziehen – in dieselbe Richtung, wohlgemerkt.
Haben Sie die äußeren Widerstände und Widrigkeiten in Stuttgart unterschätzt?
Nein. Ich habe früh den Aufsichtsrat der Bahn und alle an dem Projekt Beteiligten vor den Risiken gewarnt. Wir richten aber den Blick nach vorn: Schließlich schlagen wir ja vor, die Kalkulationsrisiken von 1,1 Milliarden Euro selbst zu übernehmen. Wir haben das dem Aufsichtsrat bewusst vorgeschlagen, um das Projekt vorwärts zu bringen. Bei den darüber hinaus möglichen Zusatzrisiken von 1,2 Milliarden Euro gibt es Chancen, gemeinsam mit den Projektpartnern diese Risiken abzuwenden oder deutlich zu minimieren.
"Ich kann das Informationsbedürfnis der Projektpartner gut nachvollziehen"
Haben Sie den Eindruck, dass im Aufsichtsrat nicht nur S 21, sondern auch der dafür verantwortliche Vorstand auf dem Prüfstand steht?
Nein, den Eindruck habe ich nicht.
Kann der Aufsichtsrat den 1,1 Milliarden Euro überhaupt zustimmen, so lange die weiteren Kostenrisiken von 1,2 Milliarden Euro ungeklärt sind? Weil sich ihre Projektpartner in Land, Stadt und Region bisher kategorisch weigern, sich zu beteiligen?
Bitte haben Sie Verständnis, dass ich der Entscheidung des Aufsichtsrates nicht vorgreifen will und kann.
Kann der Aufsichtsrat zustimmen, obwohl die Wirtschaftlichkeit von S 21 für die Bahn durch die neuerlichen Mehrkosten inzwischen gegen Null tendiert?
„Gegen Null“ sagen Sie. Zwar reduziert sich die Wirtschaftlichkeit des Projektes mit Übernahme der 1,1 Milliarden Euro erheblich – sie bleibt aber immer noch positiv. Im Übrigen ist es immer die Frage, welchen Bezugsfall man zu Grunde legt. Ein Ausstieg wäre beispielsweise mit deutlich höheren wirtschaftlichen Risiken behaftet. Hier stehen mehrere Milliarden Euro im Raum, von denen wir am Ende gar nichts hätten.
In Stuttgart ist derzeit viel von „Vertrauenskrise“ in die Arbeit und das Auftreten der Deutschen Bahn die Rede. Können Sie das nachempfinden?
Ich kann das Informationsbedürfnis der Projektpartner gut nachvollziehen. Andererseits wollen auch wir anders behandelt werden.
Was können Sie, als Manager und Persönlichkeit, gegen diese Krise unternehmen?
Wir müssen – glaube ich – das Miteinander unter den Projektpartnern neu überdenken. Da stehen sich derzeit auf der einen Seite ein Informationsbedürfnis und auf der anderen Seite der Wunsch nach einer fairen Behandlung gegenüber. Nur wenn am Ende alle Beteiligten, inklusive der Bahn, mit dem Umgang miteinander und dem Fortschritt des Projektes zufrieden sind, haben wir gemeinsam Erfolg. Dies voranzutreiben ist mein Ziel als Manager und als Person Kefer.