Der Aufsichtsrat erhält eine neue Liste mit Chancen und Risiken der Finanzierung – Ein Rechtsstreit mit dem Land wird immer wahrscheinlicher.
Berlin/Stuttgart - Wie viel kostet Stuttgart 21 – und welche Kostenrisiken birgt das Projekt noch? Diese Fragen müssen Rüdiger Grube, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG, und sein Technik-Vorstand Volker Kefer am 12. Dezember in Berlin dem Aufsichtsrat der Bahn AG beantworten.
„Zum jetzigen Stand hält unsere Rechnung“, heißt es nach Informationen der Stuttgarter Nachrichten im Bahn-Konzern. Man werde dem Aufsichtsrat detailliert über die aktuellen Kosten, über Art und Umfang künftig drohender Mehrkosten und über Einsparmöglichkeiten informieren. An der sogenannten Chancen-Risiken-Prognose hat die Unternehmensberatung McKinsey maßgeblich mitgearbeitet. Das komplette Zahlenwerk hat aber bisher außerhalb des Vorstands kaum jemand zu Gesicht bekommen.
Laut einem aktuellen Bericht der Zeitung „Bild am Sonntag“ steht in der Prognose unter der Rubrik Mehrkosten ein „hoher dreistelliger Millionenbetrag“ wegen der jahrelangen Bauzeitverzögerung. Außerdem zitiert die Zeitung einen namentlich nicht genannten Bahn-Gewerkschafter mit der Aussage: „Es wird damit gerechnet, dass Stuttgart 21 bis zu einer Milliarden Euro mehr kosten kann. Es geht um Brandschutz, Grundwasser und den Streit um den Verkauf der oberirdischen Gleisflächen.“
Vor allem bei Grundwassermanagement schlägt Zeitverzug voll zu Buche
Der letzte Punkt der Aussage ist schwer einzuordnen – schließlich hat die Stadt Stuttgart der Bahn bereits 2002 sämtliche nach der Fertigstellung von S 21 nicht mehr benötigten und freiwerdenden Gleisflächen für 459 Millionen Euro abgekauft.
Dass die Probleme beim Brandschutz des Tiefbahnhofs und beim Thema Grundwasser Mehrkosten auslösen, ist bekannt und unstrittig. Vor allem beim Grundwassermanagement, das die Pegel während der Bauzeit im Lot halten soll, schlägt der hohe Zeitverzug durch Fehler und Irrtümer bei der Genehmigung und Planung voll zu Buche.
Nach bisherigem Stand kostet das Projekt 4,33 Milliarden Euro. Bis 4,526 Milliarden Euro ist es von den Projektpartnern finanziert. Falls S 21 teurer wird, sehen die Verträge zwischen Land, Stadt, Region und Bahn „Gespräche“ vor. Was diese Sprechklausel besagt, ist aber umstritten.
Im Oktober 2012 hat Kefer eingeräumt, dass die Gesamtkosten bereits bei 4,67 Milliarden Euro lägen – allerdings nur dann, falls der im Filderdialog skizzierte neue Flughafenbahnhof für 224 Millionen Euro sowie die noch nicht abschließend verteilten Folgekosten aus der S-21-Schlichtung Ende 2010, die Nachbesserungen beim Brandschutz und die zusätzliche Gleise auf den Fildern allesamt den regulären Projektkosten zugeschlagen würden.
Vorschlag: Kostenrisiken aufteilen
Nach Informationen der Stuttgarter Nachrichten wollen Grube und Kefer dem Aufsichtsrat am 12. Dezember vorschlagen, die Kostenrisiken – genauso wie die Chancen – in Bereiche aufzuteilen. In einen Bereich fielen demnach Mehrkosten, die der Konzern sich selbst zuschreibt; zum Beispiel alle Planungsfehler. Im zweiten Bereich würden reguläre Projektrisiken vereint, zum Beispiel die Mehrkosten für Brandschutz oder das Grundwassermanagement. Die Reserven hierfür belaufen sich zurzeit auf 390 Millionen Euro.
Für die heiklen Fälle gäbe es einen dritten Bereich: Hier könnten alle Themen gebündelt werden, deren Finanzierung zwischen den Projektpartnern strittig ist; allen voran die Folgekosten aus der Schlichtung und für den neuen Flughafenbahnhof. Stimmt der Aufsichtsrat dieser Systematik zu, würde die Kostenobergrenze von S 21 noch auf Jahre hinaus halten, hört man bei der Bahn. Beobachter erwarten, dass sich Grube und Kefer vom Kontrollgremium zudem grünes Licht wünschen für eine Klage gegen das Land. Ansatzpunkt wäre der Streit um die Schlichtungskosten. Das eigentliche Ziel des Verfahrens wäre ein Urteil, das auch eine Aussage über den Wert der Sprechklausel trifft.