Was die Landesregierung nicht sagte: Der Schriftverkehr zwischen Stuttgart und Berlin ließ den Schluss zu, dass das Landeserziehungsgeld in seiner bisherigen Form nicht mit Hartz IV verrechnet worden wäre. Demnach wurde das Problem, das man beklagt, von Grün-Rot selbst geschaffen.
Dem widerspricht das Sozialministerium energisch und verweist auf das Betreuungsgeld, das nach einem Beschluss der Bundesregierung auf Hartz IV angerechnet werden soll. „Wie immer das Landeserziehungsgeld ausgestaltet ist, die Anrechnung auf Hartz-IV-Familien wäre spätestens nach Einführung des Betreuungsgelds wohl nicht mehr zu vermeiden“, argumentiert der Sprecher: „Sonst würden nämlich zwei Familienleistungen zeitgleich gewährt – einmal mit Hartz-IV-Anrechnung (Betreuungsgeld) und einmal ohne (Landeserziehungsgelder). Dies sei weder rechtlich noch politisch realistisch: „Die Thüringer Landesregierung hat daher bereits angekündigt, das dortige Landeserziehungsgeld zu streichen, sobald das Betreuungsgeld kommt.“
Diese Information ließ sich bisher nicht überprüfen; in der Erfurter Staatskanzlei war keine Stellungnahme zu erhalten. Auskunftsfreudig zeigte sich hingegen das Sozialministerium des Freistaats Bayern, der ebenfalls einkommensschwache Eltern mit einem Landeserziehungsgeld unterstützt. Auf die Frage, ob zu befürchten sei, dass diese Sonderleistung künftig mit dem Betreuungsgeld verrechnet würde, antwortete ein Sprecher: „Das bayerische Landeserziehungsgeld ist eine einkommensabhängige Sozialleistung, die es unabhängig von der Betreuungsform gibt.“ Sie habe mit dem geplanten Betreuungsgeld nichts zu tun. Deshalb könnten in Bayern beide Leistungen künftig auch parallel bezogen werden: „Das bayerische Landeserziehungsgeld wird auch nicht mit anderen einkommensabhängigen Sozialleistungen wie den Leistungen nach SGB II (Hartz IV, d. Red.), verrechnet, sondern bleibt dort als Einkommen unberücksichtigt.“
„Länder sind frei, ihren eigenen Weg zu gehen“
Das Bundesfamilienministerium vermag der Argumentation aus Stuttgart ebenfalls nicht zu folgen. „Das Betreuungsgeld entfaltet keine Bindungswirkung für die Länder. Sie sind frei, ihren eigenen Weg zu gehen“, sagt Christoph Steegmanns, Sprecher von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU), auf Anfrage. Es sei schon ungewöhnlich, dass sich ein Land so leicht beeindrucken ließe. Auch ist das letzte Wort zur Anrechenbarkeit des Betreuungsgelds auf Hartz IV offenbar noch nicht gesprochen. Die sogenannte Riester-Variante steht weiterhin im Raum; demnach erhielten Hartz IV-Empfänger das Betreuungsgeld zwar nicht direkt, es könnte jedoch in deren Altersvorsorge fließen.
Wer hat also nun die Buhmann-Rolle? Für die Südwest-CDU ist die Sache klar: „Wenn Grün-Rot nicht am Landeserziehungsgeld herumgedoktert hätte, wäre es auch in der Zukunft nicht auf Hartz IV angerechnet worden“, meint CDU-Landeschef Thomas Strobl. Es sage viel über den politischen Stil der Landesregierung aus, dass sie den Eindruck erweckt habe, die Schuld für die Abschaffung des Landeserziehungsgelds liege in Berlin: „Das ist eine unredliche und unehrliche Argumentation .“
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