Samuel Schelle freut sich auf seine neue Stelle als Pfarrer in Stetten am kalten Markt. Foto: Grimm Foto: Schwarzwälder Bote

Kirche: Neuer evangelischer Pfarrer in Stetten / Geboren als Mädchen in einer katholischen Familie

Mit Samuel Schelle heißt die evangelische Kirchengemeinde Stetten am kalten Markt wieder einen neuen Pfarrer willkommen. Am 13. September führt Dekanin Regine Klusmann mit einem Gottesdienst im Pfarrgarten das neue Kirchengemeindeoberhaupt offiziell ein.

Stetten am kalten Markt. Für die Stettener ist Samuel Schelle kein Unbekannter mehr, denn er hat in den vergangenen Monaten immer wieder in der Kirchengemeinde ausgeholfen und Gottesdienste gehalten. Die Vita des 37-Jährigen, der bis dato in der Überlinger Auferstehungskirche stellvertretender Pfarrer war, zeugt von einem außergewöhnlichen Leben, geprägt von bemerkenswertem Mut, Durchhaltevermögen und echtem Gottvertrauen. Denn Schelle hat nicht nur seine Konfession gewechselt, sondern auch sein Geschlecht. Als Mädchen in eine katholische Familie geboren ist er heute evangelischer Pfarrer. Er selbst bezeichnet sich in einem auf "evangelische.de" erschienenen Artikel als "transident", denn es gehe ihm in erster Linie um das Identitätsempfinden, weniger um die sexuelle Orientierung.

Ein langer Weg der Selbstfindung liegt hinter ihm

In dem Artikel beschreibt er seinen langen Weg der Selbstfindung von der einstigen Susanne Schelle hin zum heutigen Samuel Schelle. Da er als Mädchen im Katholizismus an Grenzen stieß, konvertierte er mit 18 Jahren zum protestantischen Glauben und stellte dabei fest, "dass ich vom Denken und vom Herzen her schon immer Protestant gewesen bin". Nach dem Studium der Theologie stand er mit 30 Jahren im Schwarzwald seiner ersten Kirchengemeinde vor. Beruflich habe er da seine Bestimmung gefunden, nur beziehungsmäßig schien nichts klappen zu wollen.

Mit Therapeutin zum Thema Transsexualität

Mit Hilfe einer Therapeutin stieß er schließlich auf des Thema Transsexualität, was Menschen beschreibt, die das Gefühl haben, im falschen Körper geboren worden zu sein. Das sei für ihn eine "großartige Entdeckung" gewesen, die erklärt, warum er sich immer so anders gefühlt habe. "Gott hat mich so erschaffen, als transidenter Mann", hat der Pfarrer in dem genannten Artikel hervorgehoben. Pfarrer Schelle, der bereits nach Stetten gezogen ist und aus dem Raum Köln stammt, antwortete auf die Frage, ob er denn keine Angst vor Ablehnung habe, schließlich gebe es Menschen, die mit der Genderproblematik im besten Fall wenig anfangen könnten, im schlechtesten Fall mit Ablehnung reagierten: "Nein, Angst habe ich nicht. Ich weiß mich durch die Kirchengemeinde und die evangelische Landeskirche bestens angenommen und aufgehoben."

Christine und Stephan Spilleke zeigen sich froh darüber, dass sie Samuel Schelle dafür gewonnen haben, sich auf die vakante Pfarrstelle in Stetten zu bewerben. Außerdem sind sie begeistert über seinen offenen Umgang mit seiner außergewöhnlichen Geschichte. "Seine freundliche und berührende Art steckt an", sagt Christine Spilleke. Er habe bei seinen Aushilfsdiensten in Stetten den Wunsch geäußert, die Pfarrstelle näher kennenzulernen, dem sei der Kirchengemeinderat gerne nachgekommen. Da die Chemie auf beiden Seiten stimmte, fiel das Votum des Ältestenrats, die Stelle mit Samuel Schelle zu besetzen, rundum positiv aus.

Am Eingang des Pfarrhauses ist zu erkennen, dass wieder Leben eingekehrt ist, was bepflanzte Blumenkästen bezeugen. Eigentlich hatte der Pfarrer vor, erst im Laufe des Augusts nach Stetten zu kommen, aber nun hat es ihn schon jetzt auf den Heuberg gezogen. "Weil es hier so schön ist", antwortet er auf die Frage, warum es ihn vom Bodensee weg in das angeblich so unwirtliche Stetten am kalten Markt verschlagen hat.

Erfolgreiche Suche: ein Wunder oder eine Fügung Gottes

"Es grenzt schon fast an ein Wunder", freut sich der Vorsitzende des Kirchengemeinderats, Stephan Spilleke. Oder es sei einfach eine Fügung Gottes, nach nur einem knappen Dreivierteljahr nach dem Weggang von Pfarrer Uwe Reick-Kunkel einen "so kompetenten und sympathischen Pfarrer für Stetten gefunden zu haben". Denn es sei oft der Fall, dass viele Pfarrstellen über Jahre hinweg vakant blieben. Grund dafür sei, dass es derzeit rund 100 offene Pfarrstellen gebe, denen zu wenig Pfarrer gegenüber stünden. "Er ist ein Glücksfall für Stetten, denn eine Kirchengemeinde braucht einen Pfarrer", betont Spilleke, der zusammen seiner Frau Christine in der "pfarrerlosen" Zeit dem Gemeindeleben viele bemerkenswerte Impulse gegeben hat.

Der Einführungsgottesdienst mit Dekanin Regine Klusmann ist für den 13. September ab 15 Uhr im evangelischen Pfarrgarten in Stetten am kalten Markt geplant.