Die Bundeswehr hat Sigmaringen geprägt wie sonst nur das Fürstenhaus Hohenzollern Sigmaringen. Fotos: Eyrich Foto: Schwarzwälder-Bote

Bundeswehr verabschiedet sich mit Pomp, Prominenz und Zapfenstreich aus Sigmaringen – kommt danach die große Leere?

Von Karina Eyrich

Sigmaringen. Der Große Zapfenstreich kommt – ungewöhnlich – anderthalb Jahre vor dem Ende der 57 Jahre Bundeswehrgeschichte in Sigmaringen. Als Ereignis: Die Donaustadt ist nicht irgendein Garnisonsstandort.

"Danke, danke, danke", ruft er aus. Dann bricht Thomas Schärer kurz die Stimme. Für den Sigmaringer Bürgermeister ist es ein "schwarzer Tag", der zweite nach dem 26. Oktober 2011, da der damalige Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière den Abzug der Bundeswehr aus der Donaustadt und der traditionsreichen Graf-Stauffenberg-Kaserne verkündete.

Der vollzieht sich seitdem schleichend und soll erst Ende 2015 beendet sein. Weil jedoch die Truppenstärke dann nicht mehr ausreichen würde für ein Zeremoniell, das den Namen verdient, haben sich 14 Truppenteile und Dienststellen am Donnerstagabend auf dem Festplatz vor knapp 1000 Zuschauern und mächtig viel Prominenz verabschiedet, allen voran die 10. Panzerdivision, bekannt als "Löwendivision" – nach 57 Jahren.

"Seit 1806 war Sigmaringen auf der militärischen Landkarte verzeichnet", sagt Thomas Schärer mit Blick auf die Zeit, da die Stadt auf Befehl Napoleons 40 Soldaten für ein Kontingent des Rheinbundes stellte. Die Bundeswehr habe Sigmaringen im halben Jahrhundert ihrer Präsenz städtebaulich und gesellschaftlich geprägt wie zuvor nur das Fürstenhaus der Hohenzollern Sigmaringen. Ihren zeitweise mehr als 2000 Soldaten verdanken die Sigmaringer Bevölkerungswachstum, neue Wohnquartiere und Schulen, ehrenamtlichen Einsatz, der vom Fußballclub bis zum Heimatmuseum reicht. Dort wird künftig das hängen, was von der glorreichen Geschichte übrig bleibt: eine Replik der Truppenfahne der Löwendivision, die künftig ihre Heimat im unterfränkischen Veitshöchheim hat.

Name der Kaserne erinnert an gescheiterten Hitler-Attentäter

Der Name Graf-Stauffenberg-Kaserne, der an die wichtigste Identifikationsfigur des deutschen Heeres, den gescheiterten Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg, erinnert, ist bereits umgezogen und prangt seit 2013 am Eingang der Offiziersschule des Heeres in Dresden – das freut vor allem einen der Ehrengäste des Appells und des anschließenden Großen Zapfenstreichs, Generalmajor a. D. Berthold Graf von Stauffenberg. Mit ihm auf der Tribüne sitzt Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der selbst seinen Grundwehrdienst beim Flugabwehrbataillon in Sigmaringen geleistet hatte und nun zusammen mit Schärer, mit "Löwen"-Kommandeur Brigadegeneral Johann Langenegger und mit Generalleutnant Bruno Kasdorf – Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat den ranghöchsten Soldaten des deutschen Heeres geschickt – die Parade abnimmt, ehe Langenegger und Kasdorf die Fahne einrollen und verpacken: in Schwarz.

Die Stimmung ist nicht schwarz an diesem sonnig-warmen Frühsommerabend am Donauufer, wo im vergangenen Jahr die kleine Landesgartenschau stattfand – ein erstes Zeichen dafür, dass Sigmaringen mit dem Abzug der Bundeswehr die Flinte nicht ins Korn werfen will. Schon im November 2011 habe der Gemeinderat die Marschrichtung formuliert, sagt Schärer: "Wir wollen alles tun, um die rund 1800 Dienstposten durch Schaffung von zivilen Arbeitsplätzen zu kompensieren." Gelingen soll das durch die Ansiedlung innovativer Unternehmen mit hoher Wertschöpfung und regionale Strukturförderung.

Als Schärer sich an die zahlreichen Abgeordneten auf der Tribüne wendet, legt er Nachdruck in seine Stimme. Einen gemeinsamen politischen Willen zur Unterstützung der ländlichen Räume, ein "klares politisches Signal vom Bund" fordert er, mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben über "eine sofortige und möglichst günstige Überlassung des Geländes und der Gebäude verhandeln zu dürfen". Neben der Kaserne stehen nach Abzug der zurzeit noch 600 Soldaten und 160 zivilen Mitarbeiter ein Übungsplatz, eine Schießanlage, ein Offiziersheim, ein Soldatenheim sowie eine Aus- und Fortbildungsstätte leer.

Hoffnung macht den Sigmaringern einer der Ihren. "Auch wenn es immer noch schwer fällt, sich Sigmaringen ohne Bundeswehr vorzustellen, müssen wir mit vereinten Kräften neue Wege für die Zukunft der Stadt finden und die Konversion als Chance für die Region nutzen", sagt Landesvater Kretschmann, im Stadtteil Laiz daheim. Er verrät, dass er nicht jubele über die Aussetzung der Wehrpflicht, und dass er "im Hintergrund alles versucht" habe, um den Standort Sigmaringen zu halten – vergeblich.

Während das Heeresmusikkorps Ulm, das bis vor sechs Monaten zur Löwendivision gehörte, "Muss i denn zum Städtele hinaus" spielt und rund 400 Soldaten vom Platz ziehen, klatschen die Sigmaringer noch einmal für ihre Soldaten. Und auch nach dem Großen Zapfenstreich zur Nachtstunde – aufgeführt vom Heeresmusikkorps Ulm und dem Gebirgsjägerbataillon 233 aus Mittenwald, wo ein Ehrengast in Uniform, Georg Friedrich Prinz von Preußen, ausgebildet wurde – brandet Beifall auf. Ohne Worte zitieren die Sigmaringer damit ihren Bürgermeister: "Danke, danke, danke!"