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Martin Friedrich, Geschäftsführer des Technologiezentrums, spricht über die Möglichkeiten, die der Inkubator in wirtschaftlich schwierigen Zeiten bietet

Schon lange hat man sich in St. Georgen auf die Fahne geschrieben, die Gründerszene zu fördern. Treibende Kraft ist hierbei das Technologiezentrum. Deren Geschäftsführer sieht in der durch Corona ausgelösten Wirtschaftskrise auch Chancen.

St. Georgen. Die täglichen Hiobsbotschaften über Stellenabbau in der Industrie reißen nicht ab. Für Teile der Betroffenen kann das Thema "Gründung" beziehungsweise "Selbstständigkeit" eine mögliche Alternative darstellen. Die Krise hat den durch die Digitalisierung anstehenden Transformationsprozess in der Wirtschaft beschleunigt und zeitlich vorverlagert.

Dass sich dieser Prozess bislang nicht in einer dramatisch höheren Zahl an Arbeitslosen in Deutschland niedergeschlagen hat, ist dem arbeitsmarktpolitischen Mittel der Kurzarbeit zu verdanken.

Arbeitslosigkeit werde weiter steigen

Gemäß den Zahlen des Ifo-Instituts befanden sich im Juli 2020 noch durchschnittlich rund 5,6 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland in Kurzarbeit. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich im Juli deutschlandweit auf 6,3 Prozent – was gegenüber dem Vorjahresmonat einen Anstieg um rund 635 000 Menschen bedeutet.

"Machen wir uns nichts vor: die Arbeitslosenzahlen werden in den kommenden Monaten deutschlandweit und somit auch regional weiter steigen", sagt Martin Friedrich, Geschäftsführer des St. Georgener Technologiezentrums (TZ). Hiervon betroffen werden Mitarbeiter aus allen Bereichen von Unternehmen sein, angefangen von der Produktion bis hin zu den Entwicklungsabteilungen.

Der Transformationsprozess der Wirtschaft wird in anderen Bereichen auch zur Entstehung neuer Arbeitsplätze beitragen. Diese werden aber zu einem großen Teil andere beziehungsweise neue Anforderungen an die Arbeitskräfte stellen als bislang.

Aus diesem Grund ist es für die vom Stellenabbau betroffenen Mitarbeiter wichtig, Aus- und Weiterbildungsangebote insbesondere mit digitalem Schwerpunkt zu nutzen, so die Prognose des TZ. Für einige, die gegebenenfalls bereits in der Vergangenheit damit geliebäugelt haben oder grundsätzlich ein hohes Interesse daran aufweisen, kann in der aktuellen Situation jedoch auch das Thema Selbstständigkeit eine mögliche Alternative darstellen.

Soweit es sich hierbei um technische oder innovative Geschäftsideen handelt, bietet das TZ mit seinem sogenannten Inkubator hierfür eine ideale Anlaufstelle. Das Besondere daran: der Inkubator ist nicht nur für Gründer, sondern insbesondere auch für Gründungswillige konzipiert. Darunter fallen Personen, die zwar eine Geschäftsidee haben, sich aber nicht sicher sind, ob sie wirklich Gründer werden wollen.

Um speziell bei dieser Personengruppe die Hemmschwelle abzubauen, können Gründungswillige für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten die Infrastruktur des Inkubators und das damit einhergehende Beratungsangebot vor Ort kostenlos nutzen. Die Gründungswilligen sind damit keinen finanziellen Risiken ausgesetzt. Im Inkubator ist die Gründung kein Muss, erläutert Martin Friedrich. Aber irgendwann müssen sich die Gründungswilligen entscheiden, ob sie den Schritt in die Selbstständigkeit wagen oder nicht, da sie ansonsten die räumlichen Kapazitäten und personellen Ressourcen des Inkubators blockieren.

Gründungswillige, die Interesse daran haben, den Inkubator zu nutzen, müssen auch keinen komplexen oder langwierigen Antragsprozess befürchten. Hierzu reicht theoretisch bereits ein persönliches Gespräch, in dem die Geschäftsidee detailliert erläutert wird. Soweit es sich um eine innovative Idee handelt und freie Raumkapazitäten vorhanden sind, werden die Gründungswilligen im Inkubator aufgenommen.

Weitere Förderprojekte für Gründungen

"Selbst wenn die Geschäftsidee weder neu noch innovativ sein sollte, versuchen wir die Gründungswilligen – wenn auch nicht über den Inkubator – weiter zu unterstützen", so Friedrich. Eine Möglichkeit hierzu ist das von der IHK gemeinsam mit weiteren Partnern kreierte Programm "Gründergarage".

Entstanden ist der Inkubator durch die erfolgreiche Teilnahme des TZ und sechs weiteren Konsortialpartner unter dem Namen "Digital Mountains" an dem Förderaufruf "Digital Hub" des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg.

"Digital Mountains" ist eines von insgesamt zehn regionalen Digital Hubs in Baden-Württemberg. Einer der Schwerpunkte von "Digital Mountains" liegt im Handlungsfeld Gründung, in dem das TZ mit den Konsortialpartnern "bwcon" und IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg zusammenarbeitet. Der zu erwartende Stellenabbau in den Unternehmen werde auch über Vorruhestands- oder Altersteilzeitregelungen erfolgen, heißt es seitens des TZ.

Netzwerke sind erfolgsentscheidend

Davon sind oder werden Mitarbeiter betroffen sein, die über einen enormen Erfahrungsschatz in ihrem Bereich verfügen und sich noch viel zu jung für den Ruhestand fühlen. Befreit von den Zwängen eines Anstellungsvertrags, entwickeln diese Mitarbeiter oft neue, innovative Geschäftsideen. "Gründung kennt keine Altersgrenzen", sagt Martin Friedrich. Gerade auch die zuvor beschriebene Personen- oder Altersgruppe soll durch den Inkubator angesprochen werden.

Wichtig für den Erfolg einer Gründung ist aus Sicht des TZ-Geschäftsführers ein funktionierendes Netzwerk. Über die regelmäßig vom TZ organisierten St. Georgener Unternehmerabende, hat sich über die Jahre ein lokales Netzwerk gebildet. Darüber hinaus kann das TZ bei Bedarf auf die Netzwerke anderer Konsortialpartner zugreifen. "Aktuell haben wir noch ein paar Plätze im Inkubator frei", sagt Martin Friedrich und zeigt sich optimistisch, dass diese gefüllt werden.