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Manuela Borzakoglu hat die Gruppeehrenamtlicher Sterbebegleiter bei derEvangelischen Altenhilfe aufgebaut

Der Tod und das Sterben sind immer noch Tabuthemen. Umso wichtiger sei es, darüber zu sprechen, glauben Roswitha Grieshaber und Manuela Borzakoglu. Sie sind Sterbebegleiterinnen im Alten- und Pflegeheim. Sie wissen auch: Jeder Mensch stirbt anders.

St. Georgen . "Mama", rufen viele. Und: "Ich gehe jetzt nach Hause." Einige greifen dann nach oben, in Richtung Zimmerdecke. Manche flüstern auch: "Da steht jemand". Oder sagen die Namen von Verstorbenen leise vor sich hin. Wenige kämpfen, haben Angst und wehren sich bis zum Schluss. Doch die meisten Menschen gehen friedlich von dieser Welt.

"Jedes Sterben ist anders, es ist nie gleich", erklärt Roswitha Grieshaber. Grieshaber, die alle hier nur Rosi nennen, war seit 2003 Altenpflegerin bei der Evangelischen Altenhilfe St. Georgen und absolvierte 2011 eine Zusatzausbildung zur Sterbebegleiterin. Inzwischen ist sie in Rente, unterstützt jedoch nach wie vor ehrenamtlich Menschen auf ihrem letzten Weg. "Manche gehen schnell, bei anderen zieht es sich. Viele liegen nur noch da, die Augen zu und sagen groß nichts mehr." Im Frühjahr und Herbst sterben die meisten.

Das Klientel im Alten- und Pflegeheim Elisabethhaus habe sich in den vergangenen Jahren geändert, sagt Manuela Borzakoglu, die dort als Hospiz- und Palliativkoordinatorin arbeitet. Die Menschen werden immer älter, wohnen immer länger im eigenen Zuhause. "Viele, die zu uns kommen, liegen schon im Sterben." Dann gehe es darum, den Menschen palliativ zu versorgen, also die Symptome zu kontrollieren und durch Medikation ein schmerzfreies Sterben zu ermöglichen. "Die Leute haben nicht Angst vor dem Tod, sondern dem Sterben und den Schmerzen", glaubt Borzakoglu. Neben Palliative Care sei daher – "mehr für die Seele" – die Sterbebegleitung ergänzend wichtig. "Manche Menschen wollen reden, aber viele sind auch froh, wenn einfach jemand da ist. Wir nehmen uns was zum Stricken oder Lesen mit, damit er nicht das Gefühl hat, wir starren ihn an."

Wenn die Menschen reden wollen, steht häufig die Familie als Thema im Vordergrund: "Sie sorgen sich, ob aus den Kindern etwas geworden ist, ob alle gut versorgt sind. Viele sind traurig, dass sie ihr Haus zurücklassen müssen." Borzakoglu ist sich sicher: "Wer niemanden mehr hat, geht einfacher."

Der Tod kündigt sich an. Der Körper verändert sich. Merkmale hierfür seien ein spitzes Gesicht, wenn die Nase länger aussieht und hervortritt. Ein weißes Dreieck bilde sich um die Mundpartie, zwischen Nase und Kinn. Auf der Haut des Sterbenden wird eine weiß-blaue Marmorierung erkennbar. Das Leben zieht sich ins Zentrum des Körpers zurück. Die Atmung wird schwächer, setzt häufiger aus.

Ein faszinierendes, wiederkehrendes Phänomen sei, dass Menschen mit Angehörigen fast immer dann sterben würden, wenn diese kurz das Zimmer verlassen hätten und sie alleine sind. "Der Sterbende bekommt mit, dass Menschen anwesend sind. Es ist eine Unruhe im Zimmer. Sie suchen sich aus, wann sie sterben möchten", sagt Borzakoglu. Für Angehörige sei es schwer, nicht dabei gewesen zu sein. "Aber wir sagen dann: Sie wollten es so. Vielleicht, weil zum Beispiel die Mama ihre Kinder nicht allein lassen will."

Borzakoglu hat die Gruppe ehrenamtlicher Sterbebegleiter bei der Evangelischen Altenhilfe aufgebaut. Ausgebildet werden sie direkt im Haus. Einmal die Woche trifft sich die Gruppe, auch zur "eigenen Seelenhygiene", um die geleisteten Begleitungen und Begegnungen zu reflektieren und sich auszutauschen. "Wir schauen, was der Mensch und die Angehörigen brauchen und sind Tag und Nacht erreichbar."

Die Pausen zwischen den Einsätzen seien wichtig. "Denn wenn man jemanden jahrelang pflegt, tut es schon ein bisschen weh, wenn er geht", erklärt Grieshaber. Es sei dann wichtig abzuschalten, man dürfe diese Arbeit nicht mit nach Hause nehmen. Manchmal gehe sie dann auch zum Begräbnis, um einen Schlusspunkt zu setzen.

Ein wiederkehrendes Ritual im Elisabethaus sei, dass sich Angehörige, Bewohner und Pflegepersonal im Zimmer des Verstorbenen verabschieden. "Wir stehen dann im Kreis ums Bett, lesen etwas vor oder beten und singen. Wir bereiten auf die ›Reise‹ vor und verabschieden uns", erzählt Borzakoglu. Um abzuschalten, geht sie mit ihrem Hund in den Wald: "Meine Kraftquelle, meine kleine Insel im Leben, etwas, was der Seele gut tut."

"Die Menschen sterben, wie sie gelebt haben", sagt Borzakoglu. "Das arme Bauernweible, dass bescheiden und für andere da war, stirbt still und leise." Ihr Bild vom Lebensende habe sich durch die Arbeit völlig verändert, sie habe die Angst vor dem Tod verloren. Einen "Todeskampf" habe sie noch nie erlebt. "Ich weiß, dass wir endlich sind. Es ist ganz natürlich: Die Menschen werden geboren und sterben." Der Tod sei immer noch ein Tabuthema. "Man muss darüber reden", appelliert Grieshaber. "Es kann immer passieren."

Obwohl ihren Söhnen das Thema unangenehm sei, habe Borzakoglu ihre Familie aufgefordert, beispielsweise eine Patientenverfügung zu machen und sich so mit der Endlichkeit des Lebens auseinanderzusetzen. "Ich sagte: Doch, wir reden drüber!"