20 000 bis 50 000 Bienen sind an diesem Tag unterwegs. Foto: Schwarzwälder Bote

Natur: Wenn Bienen umziehen: Tausende Insekten unterwegs

Von Niklas Käfer

Eine Bewohnerin der Bergstadt bekam unerwarteten Besuch von einem Bienenvolk. Zur Rettungsaktion brauchte es eine Leiter sowie einen selbstgebastelten Imkeranzug.

St. Georgen. Was tun, wenn ein ganzer Bienenschwarm vor der eigenen Haustür landet? Mit dieser Frage musste sich jüngst eine Anwohnerin der Goethestraße auseinandersetzen.

Gegen Mittag habe sich der Himmel vor ihrem Fenster verdunkelt, erzählt die Anwohnerin. Als sie den Bienenschwarm erkannte, reagierte sie prompt. Die Frau verschloss Fenster und Türen, holte den Hund ins Haus.

20 000 bis 50 000 Tiere müssen es gewesen sein, die sich dort in der Thuja vor dem Haus niederließen. Zu dieser Schätzung kommt Barbara Hanke, die der Anwohnerin zur Hilfe eilte.

Was es mit dem surrenden Treiben auf sich hatte, war der Vorsitzenden des Imkervereines sofort klar. "Wenn eine neue Königin schlüpft, muss die alte raus", erklärt Hanke. Weil kein Platz für zwei Herrscherinnen im Bienenkasten sei, schwärmt eine von ihnen aus. Die alte Königin wird dabei von ihrem Volk begleitet.

Der Schwarm suchte ein neues Zuhause. Als Zwischenstation diente offenbar die Hecke in der Goethestraße. Das Problem: Die Insekten konnten hier aus mehreren Gründen nicht bleiben.

Schwärmen die Bienen aus, hätten diese nur einen Proviant für rund drei Tage dabei, so die Expertin. Anschließend geraten die Tiere in einen sogenannten Hungerschwarm. Entsprechend der aufgebrauchten Vorräte sinkt die Stimmung unter den Bienen. Sie ändern erneut ihr Verhalten. Hungrig und stichlustig ziehen sie weiter, um eine andere Bleibe zu finden.

Dann halten die Insekten zum Beispiel Ausschau nach Baumstämmen. In der heutigen Zeit würden die Bienen allerdings schlechte Bedingungen vorfinden, sagt die Imkerin. Schuld sei unter anderem die Varroamilbe, die den Tieren stark zu schaffen mache. Völker verenden dann schon nach kurzer Zeit.

Ein weiterer Grund, warum die Bienen umziehen mussten, liegt auch auf rechtlicher Seite. Als die Imkerin der Anwohnerin ihre Hilfe zusagte, wurde sie zur neuen Eigentümerin.

Doch bevor die Insekten ihr endgültiges Zuhause beziehen konnten, mussten sie zunächst vom Baum geholt werden. Ein heikles Unterfangen, reagieren die Tiere doch empfindsam und können sich mit Stichen wehren.

Ein Glück, dass mittlerweile auch der Mann des betroffenen Haushalts von der Arbeit zurückgekehrt war. Dieser half der Imkerin dabei, die Bienentraube vom Baum herunterzuholen.

Dazu streifte der Mann einen selbstgebauten Imker-Anzug über. Nebst Jacke bestand dieser improvisiert aus einem Sonnenhut und einer Gardine. Der gebastelte Anzug konnte aber nicht alle Bienen davon abbringen, nicht doch unter dem Schutz hindurch zu schwirren.

Schließlich ging es auf die Leiter. Der Ast, auf dem die Insekten saßen, musste abgesägt werden. Vier Hände waren dazu nötig. Die zweite Person auf der Leiter musste nämlich den Ast mit der Bienentraube halten. Dennoch passierte das Unausweichliche: Der Ast fiel zu Boden, die Bienen gerieten in Aufruhr.

Die Insekten reagierten verhältnismäßig abgeklärt. Keine der anwesenden Personen trug einen Stich davon.

Jetzt konnten die Tiere umziehen. Dafür hatte die Imkerin eine Bienenbeute, auch Bienenkasten genannt, dabei. Die Bienentraube wurde sanft geschüttelt und in den Kasten abgestreift. Fällt bei diesem Vorgang auch die Königin in den Kasten, folgen ihr alle anderen Bienen. Da dies der Fall war, waren am Abend alle Insekten umzugsbereit. Jetzt leben sie mit zehn weiteren Völkern bei Imkerin Hanke.

Bleibt noch die Frage, wem die Bienen letztlich entflogen sind? Den Ursprung des Schwarms vermutet die Imkerin beim Lehr-Bienenstand des Imkervereins St. Georgen bei der Rupertsbergschule. Dies sind rund 300 Meter vom Fundort in der Goethestraße. Eine Distanz, die für ein schwärmendes Volk gut zu schaffen ist.