Der Sieger des Wettkampfs, Daniel Bachmann, vom Kyu-Dojo Heidelberg Foto: Bittner Foto: Schwarzwälder Bote

Bogenschießen: Einführung in 60-Meter-Distanz führt Teilnehmer aus ganz Baden-Württemberg nach Rottweil

Als sich am späten Sonntagnachmittag die Teilnehmer des Enteki-Schießens zur Siegerehrung versammelten, waren diese nach einem langen und intensiven Trainingstag sichtlich erschöpft.

Die "Kyudoka" vom Budo-Zentrum Rottweil trafen sich schon in aller Frühe an diesem herrlichen, strahlenden Sonntag, um gemeinsam das Shajô, den Schießbereich auf dem Rugbyplatz einzurichten. Einige waren damit beschäftigt mit einem sehr langen Maßband alles auszumessen und die "Mato", die Zielscheiben in der korrekten Entfernung aufzubauen. Andere bauten einen großen Pavillon als Sonnenschutz und Ruhebereich für die Schützen auf.

Ab 9 Uhr trafen die Teilnehmer ein. Sie nahmen weite Anfahrtswege in Kauf, um erste Erfahrungen im Weitschießen, dem Enteki-Schießen zu sammeln. Die 60-Meter Entfernung, die die japanischen Bogenschützen an diesem Tag mit ihren Pfeilen überbrücken sollten, war für alle Teilnehmer eine neue Erfahrung.

Teilnehmern wird von Marion Moritz die Technik vermittelt

Nur Marion Moritz, Kyudo-Trainerin beim Budo-Zentrum, die dieses Schießen anleitete und die Schützen in diese Technik einführte, verfügte über Erfahrung mit dieser Technik. So war an diesem Tag nicht wie sonst üblich bei kyudospezifischen Lehrgängen, Individualkorrekturen das Thema, sondern einzig und allein das Vermitteln der speziellen Anforderungen, um diese Distanz zu meistern und den Pfeil sicher in der Zielscheibe zu platzieren.

Der kurzgeschorene Rasen war noch feucht, als die Veranstaltung um 10 Uhr startete. Da alle Schützen der Schulrichtung der japanischen Heki Toryu angehörten, die traditionell barfuß schießt, standen auch die meisten der Teilnehmer mit nackten Füßen in der angenehmen kühlen Wiese.

Die "Heki Toryu" reicht bis in das 16. Jahrhundert zurück. Sie ist eine der ältesten Kyudo-Lehrrichtungen, die in ihrer Form seit dieser Zeit bis heute nahezu unverändert blieb.

Die Zeit vor der Mittagspause flog, im wahrsten Sinne des Wortes, mit Einweisung, Erklärung und ersten eigenen Versuchen nur so dahin. Marion Moritz betreute die Schützen, ging von einem zum anderen und gab Tipps über das richtige Setzen der Füße, die korrekte Neigung des Oberkörpers und das Finden des Zielpunktes. Nach und nach zentrierte sich die Streuung und mehr und mehr Pfeile fanden sich im Mato.

Pausen und viel Trinken wichtig für die Schützen

Pausen waren an diesem heißen Tag besonders wichtig. Trinken, trinken, trinken und zwischen den einzelnen Pfeilen immer wieder den Schatten suchen. Die Rottweiler Kyudoka hatten sich bestens vorbereitet. Zur Mittagspause gab es eine gut gewürzte asiatische Gemüsesuppe, die die Bogenschützen wieder auf die Beine stellte. Eine reichliche Auswahl an Kuchen nebst Kaffee und kühlen Getränken rundete das Catering ab.

Die Sonne stand bereits im Zenit, als die Bogenschützen in ihrer traditionellen Kleidung dem Hakama, dem japanischen Hosenrock, und dem Gi, dem speziellen weißen Oberteil, wieder auf den Schießplatz zurückkehrten. Der Spaß und die Freude der Teilnehmer war an diesem Tag spür- und sichtbar. So begann der Nachmittag mit zwölf Pfeilen freies Training je Schütze, die ausgiebig genutzt wurden, die Form zu verbessern.

An Zuschauern mangelte es an diesem Tag nicht. Umgeben von Freibad und Kletterhalle, schauten viele Passanten den Kyudoka quasi "über die Schultern". Auch Edgar Weinmann, einer der Gründerväter des Budo-Zentrums, schaute lange und intensiv zu, wie sich das Kyudo in Rottweil entwickelt hat.

Um den Spannungsbogen hoch zu halten, hatte Marion Moritz gegen 15 Uhr für die Teilnehmer noch eine Überraschung vorbereitet. Das an diesem Tag Gelernte wurde in einem Wettkampf praktisch umgesetzt. Kyudo bedeutet auch in besonderen Situationen unter Druck einen guten Schuss abliefern zu können. Jetzt war für die Teilnehmer Gelegenheit zu zeigen, wie ruhig und gelassen sie sich einer solchen Situation stellen können. Die Startreihenfolge wurde ausgelost und in Vierergruppen, den "Tachi", schritten die Wettkämpfer zur Shai, der Abschusslinie. Vier Runden mit je zwei Pfeilen wurden in traditioneller Heki Toryu-Manier geschossen. Schnell kristallisierten sich nach den ersten vier Pfeilen aus dem Teilnehmerfeld drei Favoriten heraus.

Noch war das Ende offen, noch hätten andere Schützen die Möglichkeit gehabt bei den nächsten vier Pfeilen aufzuschließen oder gar am Favoriten vorbeizuziehen. Beinahe wäre dieser Coup Bernhard Weller vom Budo-Zentrum geglückt. Ihm gelang es, den führenden Daniel Bachmann aus Heidelberg noch abzufangen und ein Stechen herauszuschießen.

Entscheidung fällt erst nach zweitem Stechen

Fritz Klein, der ebenfalls Nervenstärke bewiesen hatte, belegte für das Kyu-Dojo Stuttgart einen hervorragenden dritten Platz. Daniel Bachmann und Bernhard Weller mussten, da sie die gleiche Trefferzahl hatten, ins Stechen gehen. Der Fairness halber wurde auch hier die Reihenfolge ausgelost. Jeder durfte einen Pfeil über die 60 Meter-Distanz schicken, beide behielten die Nerven: Atari – Treffer! Also nochmal. Alles auf Anfang!

Ein zweites Stechen war nötig. Dieses Mal war Daniel Bachmann der Nervenstärkere. Souverän traf er die Scheibe und holte sich den Sieg. Bernhard Weller konnte den Wettkampf mit einem hervorragenden zweiten Platz abschließen. Als Marion Moritz während der Siegerehrung in die Gesichter der Teilnehmer schaute, war ihr klar, das dieser wunderbare Enteki-Sonntag etwas früher enden sollte, als geplant. Platt, aber glücklich und zufrieden steckten die Teilnehmer ihre Pfeile in die Köcher und spannten die über zwei Meter langen Kyudobögen ab. Ein Fazit dieses Tages stand fest: Das "Enteki-Feuer" wurde bei allen Kyudoka entzündet.